Huthi-Angriffe gefährden maritime Lieferketten

In den vergangenen Tagen gab es im Roten Meer gleich mehrere Attacken auf Frachtschiffe durch die Rebellen aus dem Jemen. Experten warnen, dass der Warentransport durch die so wichtige Handelsstraße zunehmend beeinträchtigt wird. Mittlerweile haben die Reedereien Hapag-Lloyd, Maersk, CMA CGM und zuletzt auch MSC entschieden, die Route zu meiden.

Immer mehr Reedereien meiden aufgrund der Huthi-Angriffe bis auf weiteres die Route über den Suezkanal. (Foto: picture alliance / Xinhua News Agency | Ahmed Gomaa)

Angriffe der Huthi-Rebellen aus dem Jemen auf Handelsschiffe im Roten Meer sind mittlerweile an der Tagesordnung. Einen Monat nach der Kaperung des Car Carriers „Galaxy Leader“ gab es zuletzt gleich mehrere versuchte und teils auch erfolgreiche Attacken mit Drohnen und Anti-Schiffs-Raketen auf unterschiedlichste Schiffstypen. Am Dienstag wurde der Tanker „Strinda“ getroffen, am Mittwoch und Donnerstag verfehlten Raketen nur knapp den Produktentanker „Ardmore Encounter“ sowie die „Maersk Gibraltar“. Am Freitag wurde dann das 15.000-TEU-Containerschiff „Al Jasrah“ von Hapag-Lloyd getroffen. Es konnte seine Reise aber offenbar fortsetzen.

Die Attacken zeigen Wirkung: Mittlerweile haben die Containerreedereien Hapag-Lloyd, CMA CGM, Maersk und MSC entschieden, die Route über den Suezkanal bis auf weiteres nicht mehr zu nehmen. Bis das Rote Meer wieder gefahrlos befahren werden kann, müssen die Schiffe die Alternativroute um das Kap der Guten Hoffnung nehmen.

Die Übergriffe vor dem Hintergrund des Krieges zwischen Israel und der palästinensischen Hamas werden damit zunehmend zur Gefahr für einen reibungslosen Warentransport durch die so wichtige Handelsstraße und damit auch für den internationalen Handel. Schließlich passieren rund 10 Prozent der weltweit gehandelten Waren den Suezkanal zwischen Rotem Meer und Mittelmeer. Jeden Tag gibt es rund 50 Schiffspassagen. Und die Straße von Bab el-Mandeb am anderen Ende des Roten Meeres am Übergang in den Golf von Aden, in der die jüngsten Angriffe verzeichnet wurden, wird Berichten zufolge pro Monat von 1.500 Schiffen befahren.

Sperre des Suezkanals ist nicht gänzlich auszuschließen

Peter Sand, Chefanalyst der Frachtplattform Xeneta, warnt daher bereits von einer möglichen Schließung des Suezkanals. Es sei nicht wahrscheinlich, aber könne auch nicht ausgeschlossen werden, betont er. Nach den Erfahrungen mit der „Ever Given“ in 2021 und den Folgen, welche die damalige Blockade des Kanals mit sich gebracht hat, sei die Schifffahrtsbranche ob eines möglichen, vergleichbaren Szenarios sehr besorgt. Die aktuelle Situation könne folglich ernste Folgen für die globalen Lieferketten haben.

Entsprechend nimmt der Druck der maritimen Branche auf die Politik zu, schnell etwas zu tun, um die Sicherheitslage zu verbessern. Der europäische Reederverband ECSA und die europäische Transportarbeiter-Gewerkschaft ETF haben am Freitag zu „sofortigem Handeln“ aufgerufen. „Das Leben und die Sicherheit unserer Seeleute sind gefährdet, da die Angriffe täglich zunehmen. Seeleute sind das schlagende Herz der Schifffahrtsindustrie, und ihre Fähigkeit, ihre Aufgaben ohne Angst um ihre Sicherheit zu erfüllen, ist von entscheidender Bedeutung“, heißt es vonseiten der ETF. Und ECSA betont, dass die Schifffahrt der Eckpfeiler der europäischen Sicherheit sei – „von der Energie- bis zur Lebensmittelversorgung und der Sicherheit der Lieferkette“.

Am Donnerstag hatte bereits der Verband Deutscher Reeder Schutz vor den Huthi-Angriffen gefordert. „Deutschland und die Europäische Union müssen die Lage sehr ernst nehmen“, sagte VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger.

Schiffe werden bereits umgeleitet

Dies gilt umso mehr, dass erste Auswirkungen auf den Seeverkehr bereits beobachtbar sind. So berichtete der dänische Schifffahrtsexperte Lars Jensen von Vespucci Maritime am Freitag auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn, dass mehrere große Linienreedereien Schiffe umkehren ließen, die auf dem Weg in die Krisenregion gewesen seien. Eine weitere Folge könnte ihm zufolge sein, dass die Carrier Schiffe um das südliche Afrika umrouten könnten. Einige israelische Schiffe sollen diesen Weg Berichten zufolge schon gewählt haben, allerdings um den Preis einer deutlich längeren Transportzeit. Der Umweg soll die Reisezeit um etwa zwölf Tage verlängern.

Erschwerend hinzu kommt, dass mit dem Panamakanal wegen der weiter anhaltenden Niedrigwassersituation auch die zweite für die Ost-West-Verkehre entscheidende Wasserstraße nicht voll genutzt werden kann. Entsprechend wird der Suezkanal derzeit besonders stark befahren.

Steigende Risikoprämien und Surcharges

Spürbar sind die Folgen der vermehrten Attacken auch bereits an den Versicherungsmärkten, was wiederum Auswirkungen auf die Transportpreise hat. Demnach haben sich die Kosten einer Versicherungsdeckung Experten zufolge verdoppelt und für israelische Schiffseigner sogar mehr als verdreifacht, so sie überhaupt noch eine Deckung erhalten. Verschiedene Reedereien haben darauf reagiert und erheben eine „War Risk Surcharge“ in Höhe von 50 bis 100 US-Dollar pro Container, um die gestiegenen Risikoaufschläge weiterzureichen.

Neil Roberts, Head of Marine and Aviation bei Lloyd’s Market Association und Vorsitzender des Policy Forums bei der internationalen Versicherer-Vereinigung IUMI, sieht den Angriff auf die „Galaxy Leader“, dem nun zahlreiche weitere gefolgt sind, denn gar als „Wendepunkt“. Dieser mache ein Umdenken bei der Gefahrenabwehr auf Schiffen erforderlich, schließlich sei ein solcher Vorfall „in keinem Handbuch für Sicherheitsverfahren für Handelsschiffe vorgesehen“. Die Folge: Der Handel in der Region sei in eine weitere Phase des Risikos und der Ungewissheit eingetreten, in der politische Motive mit kommerziellen Operationen kollidieren, schreibt er in einem Beitrag für den Blog der IUMI.

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