„Online-Lernkurve war gewaltig“

Der neue, berufsbegleitende Masterstudiengang Digital Supply Chain Management (DigiSCM) startet zum Wintersemester 2021/22 an der FH Münster. Studiengangsleiter Prof. Wolfgang Buchholz erzählt im Interview, welche Beweggründe es dafür gab und welche Rolle die Pandemie dabei gespielt hat.

Foto: Patrick Lückmann

Der neue, berufsbegleitende Masterstudiengang Digital Supply Chain Management (DigiSCM) startet zum Wintersemester 2021/22 an der FH Münster. Studiengangsleiter Prof. Wolfgang Buchholz erzählt im Interview, welche Beweggründe es dafür gab und welche Rolle die Pandemie dabei gespielt hat.

DVZ: Herr Buchholz, Pandemie und Suezkanal-Blockade: Wie haben Sie diese Lieferkettenunterbrechungen erlebt?

Wolfgang Buchholz: Gerade habe ich in der Tageszeitung gelesen, dass nach Schätzungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Lieferengpässe die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2021 ungefähr 25 Milliarden Euro kosten werden. Zum einen bekomme ich natürlich als Konsument mit, dass es Engpässe bei bestimmten Produkten gibt, etwa bei Gartenmöbeln. Zum anderen habe ich vielfältige Kontakte zu Einkaufsorganisationen, beispielsweise Landmaschinen-, Holz- oder Kunststoffindustrie, die von immensen Lieferschwierigkeiten und exorbitanten Preiserhöhungen berichten. Die Digitalisierung bietet hier natürlich Möglichkeiten, die Transparenz zu erhöhen und frühzeitiger Alternativszenarien für Beschaffungsmöglichkeiten zu eruieren. Die Engpässe vollständig beseitigen kann eine digitalisierte Lieferkette aber natürlich auch nicht, sie hilft aber, diese gegebenenfalls zu umgehen.

Hat es sofort bei Ihnen Klick gemacht, im Sinne von: „Darauf müssen wir an der FH reagieren“?

Nein, um ehrlich zu sein, war das nicht der primäre Auslöser für die Idee zu diesem Studiengang. Der Impuls kam mehr aus der Pandemie-bedingten Notwendigkeit der Online-Lehre. Seit April 2020 findet das gesamte Vorlesungsgeschehen bei uns quasi online statt. Die daraus resultierende Lernkurve für die Lehrenden hinsichtlich der digitalen Kommunikationstechnologien war natürlich gewaltig. Und auch im Unternehmensalltag hat sich die virtuelle Kommunikation zum Standard entwickelt. Das war für mich der Auslöser, einen berufsbegleitenden Masterstudiengang auf den Weg zu bringen, der stark auf digitale Lehre setzt. Es bot sich einfach an, das Momentum der digitalen Kommunikation zu nutzen.

Keine Frage, die Wirtschaft braucht diese Ketten und alle Beteiligte brauchen Experten dafür. Ist Ihr neuer Studiengang eine zeitgemäße Antwort?

Absolut, denn neben der digitalen Lehre stehen in dem Programm Digital Supply Chain Management (DigiSCM) ganz stark die Themen der Digitalisierung logistischer Prozesse bzw. ganzer Wertschöpfungsnetzwerke im Vordergrund. Und wie schon eingangs angesprochen lassen sich damit natürlich Lieferketten besser organisieren und robuster gegenüber Störungen machen. In vielen Unternehmen ist die Digitalisierungskompetenz noch nicht hinreichend ausgeprägt, unsere Absolventen können da für neue Impulse sorgen.

Der Studiengang hat insbesondere auch Berufstätige im Fokus. Wieso?

Das Stichwort dazu lautet „Lebenslanges Lernen“. In der Strategie der FH-Münster ist die Weiterbildung neben den klassischen Studiengängen ein zentraler Baustein. Dies versuchen wir in unserem Institut für Prozessmanagement und Digitale Transformation (IPD) durch vielfältige Weiterbildungsangebote, aber auch durch berufsbegleitende Studiengänge umzusetzen. Außerdem konnten wir schon 15 Jahre Erfahrungen in dem ebenfalls berufsbegleitenden Programm International Supply Chain Management in Kooperation mit der Saxion Hoogeschool Enschede und der Hochschule Osnabrück sammeln. Daraus sind ganz viele Anregungen in das neue, stärker auf Digitalisierung setzende Programm eingeflossen.

Bitte erklären Sie uns das didaktische Konzept hinter diesem Studiengang.

In dem alten Programm waren die Studierenden alle 14 Tage am Freitag und am Samstag an der Hochschule, und die Lehrveranstaltungen fanden alle in Präsenz statt. Nach einer anstrengenden Arbeitswoche ist es aber ungemein schwierig, die Motivation bis in den Samstagnachmittag aufrechtzuerhalten. In dem neuen Programm soll es jetzt in jedem Semester zwei Blockveranstaltungen (drei Tage zu Semesterbeginn und vier Tage am Semesterende) geben. Dazwischen findet die Lehre online über eine Kommunikationsplattform statt. Termine sind dann flexibel unter der Woche nach der Arbeit einzurichten. Diese umfassen dann ca. drei Stunden und sind auch nach einem Arbeitstag noch leistbar. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass für Studierende, die nicht in der Nähe von Münster ansässig sind, dieses Studienprogramm gut abbildbar ist. Und auch bei den Prüfungsformen sollen nicht primär klassische Klausuren im Vordergrund stehen, sondern Projektarbeiten, Präsentationen oder Hausarbeiten, die mit der Berufstätigkeit der Studierenden in Verbindung stehen.

20

bis 25 Studierende soll der neue DigiSCM-Studiengang an der FH Münster im zweiten Durchlauf zählen.

Quelle: Prof. Wolfgang Buchholz

90

Credits Points erreichen die Studierenden nach Ablauf eines viersemestrigen Programms. Es richtet sich an Hochschulabsolventen betriebswirtschaftlicher/ technischer Studiengänge mit ersten qualifizierten Berufserfahrungen im Bereich SCM.

Quelle: FH Münster

Ihr neuer Studiengang folgt auf den ausgelaufenen Masterstudiengang International Supply Chain Management auch mit der Begründung, dass die FH Münster ihre Studierenden „fit für die Zukunft machen“ will. War das mit dem ausgelaufenen „Klassiker“ nicht mehr möglich in diesen Zeiten?

Das würde ich so nicht sagen. Natürlich hätte man auch neue Inhalte unter dem alten Label behandeln und diese peu à peu in das Programm einbauen können. Es stand aber in diesem Jahr die Notwendigkeit an, den Studiengang neu zu akkreditieren. Des Weiteren war das alte Programm auf 120 Credit Points ausgerichtet, wir haben aber auf 90 Punkte umgestellt. Dazu aber später noch mehr. Diese Gründe haben uns dazu bewogen, einen komplett neuen Studiengang, auch unter einem neuen Label an den Start zu schicken.

Was hat es mit den 90 Credit Points auf sich? Was können Studierende damit anfangen?

Credit Points sind die Währung für die Arbeitsbelastung in einem Studiengang. Für berufsbegleitende Studiengänge ist ein Faktor von 25 Stunden pro Credit Point zulässig. Konsekutive Studiengänge rechnen mit 30 Stunden. Für einen Masterabschluss benötigt man insgesamt 300 Credit Points. Das alte ISCM-Programm war auf 120 Credit Points ausgelegt und somit für Bachelorabsolventen geeignet, die schon 180 Credit Points aus ihrem Erststudium mitgebracht haben. Mittlerweile stellen Bachelorprogramme, auch bedingt durch integrierte Praxissemester, wieder stärker auf 210 Credit Points um. Das heißt, für diese Studierenden reichen 90 weitere Punkte dann aus für den Masterabschluss. Wer aber noch 30 zusätzliche Punkte benötigt, kann diese auch bei uns im Zuge von Zusatzangeboten erwerben.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Wir sehen primär die folgenden Zielgruppen: Absolventen betriebswirtschaftlicher oder technischer Studiengänge, die sich nach ersten Praxiserfahrungen im Bereich SCM nebenberuflich weiterqualifizieren möchten. Mitarbeiter aus Funktionen, die mit der Gestaltung, Optimierung, aber auch operativen Abwicklung entlang der Supply Chain betraut sind. Sowie Interessenten von Industrie- und Handelsunternehmen, Logistikdienstleistern, Management- und IT-Beratungsunternehmen. Dabei nehmen wir keine inhaltliche Fokussierung auf einzelne Teilbereiche der Supply Chain vor. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass beispielsweise auch für einen Disponenten der Distributionslogistik ein Einblick in die strategische Beschaffung hilfreich sein kann. Ein Blick über den eigenen Tellerrand kann nie schaden.

Mit welcher Resonanz rechnen Sie?

Das ist schwer zu sagen. Mittelfristig rechnen wir mit einer sehr guten Resonanz. Kurzfristig hatten wir das Problem, dass die Entscheidungsprozesse über die Zulassung erst Ende Mai durch alle Gremien abgeschlossen waren. Demzufolge konnten wir Anfang Juni mit der Werbung für das Programm beginnen. Das ist für einen Studienstart im Oktober natürlich sehr kurzfristig. Wir geben unser Bestes und lassen uns überraschen.

Sie werten Ihren neuen Studiengang mit Dozenten aus der Unternehmenspraxis auf. Warum ist das wichtig?

Diesbezüglich können wir auf langjährige Erfahrungen und Kontakte zurückgreifen. Auch wenn alle unsere Professoren eng mit der Praxis verzahnt sind und eine praxisnahe Lehre anbieten, sind Berichte aus erster Hand natürlich das Salz in der Suppe. Wir greifen zum Beispiel auf ehemalige Doktoranden zurück, die in der Unternehmens­praxis arbeiten und der Hochschule noch intensiv verbunden sind. Im Rahmen der Online-Lehre besteht auch die Möglichkeit, hochkarätige Dozenten aus der Praxis für einen einmaligen Termin über die Kommunikationsplattform einzubinden. Und auch ehemalige Absolventen des alten ISCM-Programms haben Interesse bekundet, bei dem neuen Programm als Dozent mitzuwirken. Auch hier gilt, wie so oft: Die richtige Mischung macht's.

Und welche Erwartungshaltung haben Sie als Studiengangsleiter am neuen Masterprogramm?

Ich freue mich sehr auf den Start. Ich habe jetzt relativ viel Arbeit in die Vorbereitung gesteckt, da die hochschulinterne Akkreditierung ein recht aufwendiger Prozess ist. Wir sind aber ohne große Widerstände und Nachbesserungsauflagen durch den Prozess durchgelaufen, was mich auch ein bisschen stolz gemacht hat. Jetzt möchte ich die Früchte der Arbeit natürlich auch einfahren und mit einer schönen Zahl an Studierenden im ersten Durchlauf starten. Im zweiten Jahr wollen wir die Hütte mit 20 bis 25 Studierenden aber dann auch voll haben.

Wolfgang Buchholz

Der Diplom-Kaufmann hat seit 2002 eine Professur für Organisations- und Logistikmanagement an der Fachhochschule in Münster. Dort ist er seit 15 Jahren im Bereich Logistik verantwortlich für berufsbegleitende Studiengänge. Nach Studium und Promotion an der Justus-Liebig-Universität in Gießen arbeitete er unter anderem in der Unternehmenspraxis bei der Hoechst AG. In seiner Freizeit verbringt Wolfgang Buchholz gern Zeit mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. Er engagiert sich als Trainer einer D-Jugend-Fußballmannschaft und ist Sänger und Gitarrist bei einer Indie-Pop-Band.

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