Ukraine-Krieg zwingt China zu heiklem Balanceakt

Der Ukraine-Krieg ist auch für China eine „Zeitenwende“. Politisch manövriert sich der „Freund Russlands“ ins Abseits. Wirtschaftlich sind die Risiken groß. Die Sanktionen wird China deswegen nicht unterlaufen – so wichtig ist Russland auch wieder nicht.

Foto: iStock

Der Konflikt um die russische Invasion in der Ukraine verschärft für China die wirtschaftlichen Unsicherheiten. Die Sanktionen und in die Höhe schnellende Energiepreise treffen auch den «strategischen Partner» Russlands, der nicht nur politisch in einem Dilemma steckt. Auch wirtschaftlich ist es für die zweitgrößte Volkswirtschaft ein Drahtseilakt. Chinas Kooperation mit den USA und der EU ist sehr viel wichtiger als mit Russland, das wirtschaftlich gerade einmal so groß wie Belgien und die Niederlande zusammen ist.

„Es wird ein schwieriger Balanceakt für China“, sagt Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin. Da China sehr international aufgestellt sei, stehe viel auf dem Spiel: „China wird vorsichtig sein, dass die Beziehung mit Russland seine langfristigen Interessen nicht gefährden“, glaubt der Experte. „Der Krieg schafft auch für die chinesische Wirtschaft unübersichtliche Herausforderungen, von denen sie sich nicht isolieren kann.“

Die Sanktionen, die Russland weitgehend vom internationalen Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift ausschließen, haben „sehr negative Auswirkungen“ auf den Handel zwischen Russland und China, besonders für Importe von russischem Öl und Gas, hebt der Professor Shi Yinhong von der Pekinger Volksuniversität hervor. Hinzu komme, dass die Energiepreise in den Himmel kletterten – zum Schaden Chinas, das zu den größten Energieimporteuren der Welt gehört und ohnehin wirtschaftlich unter Druck steht.

China lehnt die Sanktionen gegen Russland zwar ab, wird sich nach Einschätzung des Professors aber daran halten, um den Westen nicht zu verprellen oder selbst zum Ziel von Strafmaßnahmen zu werden. „Chinas Banken haben eine enge Beziehung zum weltweiten Finanzsystem, das sehr wichtig für China ist“, sagt Shi Yinhong. China werde keine Risiken für sein eigenes Bankensystem eingehen, auch wenn es Russland helfen wolle, Schwierigkeiten zu überwinden – „so weit möglich“.

Chinesische Banken in Singapur waren unter den ersten, die keine Kreditbriefe mehr ausgestellt haben, wie der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, berichtet. „So schnell konnte man gar nicht gucken, wie sich die Banken sanktionskonform verhalten und alles abgeschaltet haben“, sagt Wuttke. „Dahinter steckt die Angst vor den Amerikanern“, habe ihm eine hohe chinesische Quelle erklärt. China werde die Sanktionen nicht unterlaufen: „Die Chinesen werden wie gute Schüler alles Mögliche daran setzen, dass ihre Firmen genau wissen, was sie tun, wenn sie sich mit den Russen einlassen.“

Die Chinesen werden auch andere Rückschläge einstecken müssen. Sie leiden nicht nur unter steigenden Preisen für Importe von Energie, sondern auch von Getreide. Der Handel mit der Ukraine, wo China ganze Weizenfelder besitzt, ist wichtig. Von dort kann aber nichts mehr eingeführt werden, weil die Häfen blockiert sind. „Jetzt muss China woanders einkaufen, und woanders einkaufen ist immer teuer“, sagt Wuttke. Profitieren könne China höchstens bei Russlands Autoindustrie, wo sich westliche Hersteller zurückzögen und China jetzt vielleicht mehr Autos exportieren könnte.

Einer der Gewinner des Konflikts könnte auch das chinesische Interbankensystem CIPS (Cross-Borger Interbank Payment System) werden, das China 2015 für seine Initiative Neue Seidenstraße geschaffen hat – auch um den Einsatz des Yuans als internationale Währung zu fördern und die Abhängigkeit vom Dollar zu verringern. Es hat aber nicht die Kapazität, um Swift zu ersetzen.

Nur 76 Banken nehmen direkt teil, meist Ableger chinesischer Banken im Ausland. Die 672 indirekt beteiligten Banken, darunter Institute aus Russland und internationale Namen, arbeiten aber meist auch innerhalb dieses Mechanismus unverändert über Swift. Beide Systeme ergänzen sich eher, als dass sie konkurrieren.

„Chinapolitik in Europa wird sich total ändern“

Politisch versucht China das Unmögliche, sich aus dem Konflikt rauszuhalten und weiter Schulter an Schulter mit Russland gegen den Rivalen USA zu stehen. Peking hat die Invasion weder verurteilt noch gutgeheißen. Im UN-Sicherheitsrat und in der Vollversammlung hat es sich bei der Verurteilung Russlands der Stimme enthalten. China äußert zugleich scharfe Kritik an den USA und der Osterweiterung der Nato und betont immer wieder die Sicherheitsinteressen Russlands.

Damit isoliert sich China weiter. Zenglein geht davon aus, dass die zuvor schon „von zunehmenden geopolitischen Rivalitäten geprägten Handelsbeziehungen“ noch schwieriger werden. Der Westen rücke auch gegenüber China enger zusammen. Ähnlich sieht EU-Kammerpräsident Wuttke eine „Zeitenwende“. Amerikaner und Europäer lägen seit dem Ukraine-Krieg „im selben Bett“, sagt er. „Und die Amerikaner werden dann ganz kuschelig und werden sagen: Leute, übrigens, wie sieht es denn mit der Eindämmung Chinas aus? Und wer will dann noch Nein sagen?“, sagt Wuttke. „Die Russen haben es geschafft, dass sich unsere Chinapolitik in Europa total ändern wird.“ (dpa/cs)

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