Ärger beim Palettentausch vermeiden

An der Qualität der Ladungsträger gibt es oft Kritik. Das Unternehmen Interpal bietet das Buchen von Beständen und aktuellen Bewegungen über ein Konto an. Das soll Umlaufkosten reduzieren.

Weil bei jedem Wareneingang die Paletten auf Interpal-Konten verbucht werden, können beide Seiten auf den unmittelbaren physischen Tausch verzichten. (Foto:dpa)

Palettentausch gehört zum Logistikalltag. Rund 2,5 Milliarden Tauschvorgänge im Jahr zählen die Statistiker allein für Europlatten: Aktuell sind auf dem alten Kontinent rund 500 Millionen Einheiten im Umlauf, welche wenigstens fünf Mal im Jahr getauscht werden.

Trotzdem ist das Tauschverfahren seit der Einführung der Europalette vor rund 60 Jahren umstritten. Weil die Qualität der übernommenen Einheiten häufig nicht derjenigen der angelieferten entspricht, beschweren sich Logistikdienstleister regelmäßig. Palettendienstleister, die mit flächendeckenden Depotnetzen Europaletten vorrätig halten und die Tauschprozesse organisieren, können dieses Problem offenbar auch nicht lösen. Vor allem Anbieter von offenen Netzwerken, die Ladungsträger lediglich mit dem Logo der European Pallet Association (EPAL) kennzeichnen, stehen in der Kritik. Sie sollen bei Abholterminen gezielt gute Ladeeinheiten herauspicken, lauten die immer wiederkehrenden Vorwürfe. Als Konsequenz haben Dachser, Hellmann und andere Dienstleister Tauschgebühren eingeführt.

Blockchain-gestützte Lösungen, die der Barcode-Anbieter GS1 Germany mit rund 35 Projektpartnern aus der Wirtschaft entwickelt hat, sind bislang über Praxistests nicht hinausgekommen. Einen Ausweg bietet die digitale Buchhaltung des Unternehmens Interpal aus dem sauerländischen Möhnesee.

Bewegung über Palettenkonten

Verlader und Logistikdienstleister richten online Palettenkonten ein und verbuchen hier jeden ein- und ausgehenden Ladungsträger. Wie bei einem Bankkonto sehen sie aktuelle Bewegungen und Bestände ein und nehmen Umbuchungen vor, wenn „Palettenschulden“ zu begleichen sind. „Wir haben alle Prozesse komplett digitalisiert“, betont Robert Oevermann, der den Vertrieb und die operativen Bereiche bei Interpal leitet. Selbstbewusst spricht der Dienstleister von der „digitalen Europalette“, welche perfekt zur Logistik 4.0 passe.

Voraussetzung hierfür ist ein dichtes Depotnetz, welches Anlieferungen und Abholungen auf kurzem Wege möglich macht. Interpal hat europaweit über 200 Standorte aufgebaut. Die weitaus meisten befinden sich in Deutschland, den Beneluxstaaten, Nordfrankreich und Italien. Auf Anfrage sind auch Freihauslieferungen unter Angabe der GS1-Qualitätsstufen „neu“, A, B und C möglich; Interpal möchte so das leidige Qualitätsthema lösen und baut das Netz weiter aus. Vor allem in Osteuropa ist noch manche Lücke zu schließen. Im Spätsommer hat der Dienstleister acht weitere Standorte aufgemacht.

ca. 500

Millionen Einheiten sind in Europa im Umlauf.

mehr als 200

Standorte hat Interpal in Europa aufgebaut.

ca. 2,5

Milliarden Tauschvorgänge pro Jahr zählen Statistiker.

Quelle: Interpal

Gegenüber Palettendienstleistern mit offenen beziehungsweise geschlossenen Pools sehen sich die Sauerländer im Vorteil. Wegen der schlanken Organisation und digitaler Prozesse könne Interpal die einfache Abwicklung eines geschlossenen Pools mit der Flexibilität eines offenen Pools kombinieren, argumentiert Oevermann. „Wir scheuen keine Kostenvergleiche“, versichert der Palettenmanager. „Unsere digitale Plattform reduziert die Umlaufkosten auf ein Minimum.“ Ohnehin docke Interpal immer an bestehende Logistikprozesse an und mute dem Kundenpersonal nur geringe Veränderungen zu.

Die Vorteile teilen sich Versender und Empfänger. Weil bei jedem Wareneingang die Paletten auf Interpal-Konten verbucht werden, können beide Seiten auf den unmittelbaren physischen Tausch verzichten. Und auch der Transportdienstleister profitiert laut Oevermann von diesem Konzept, weil er nach der Ablieferung mit Paletten nichts mehr zu tun hat.

Weniger Papierdokumente

Außerdem profitieren alle Seiten vom wegfallenden Papierkram, der bislang fürs Palettenmanagement notwendig war. Jede Veränderung im Soll und Haben der Lieferanten und Empfänger wird sofort im „Triple-AAA–Pooling“ dokumentiert, wie Interpal seine digitalen Prozesse stolz nennt.

Der Erfolg des Unternehmens ist auch dank der strukturellen Schwächen der Wettbewerber möglich. Die geschlossenen Pools von Chep und LPR haben nur begrenzte Palettenkapazitäten, die offenen Pools von DPL, Paki & Co. können das Qualitätsproblem nicht lösen. Wohl auch deshalb erhalten die Sauerländer Schützenhilfe von EPAL. Für Bernd Dörre, seit 2021 Geschäftsführer des europaweiten Verbands, können Dienstleister, die auf digitalisierte Abläufe und Dokumentationen setzen, Palettenkreisläufe in offenen Pools genauso einfach darstellen wie in geschlossenen. „Und wahrscheinlich sind sie auch noch preisgünstiger“, pflichtet der Verbandschef Oevermann bei.

Wenigstens auf dem Papier stehen alle 500 Millionen EPAL-Europaletten zur Verfügung. Außerdem stellt laut Dörre die Größe des Marktes sicher, dass offene Pools sich flexibel an die allgemeine wirtschaftliche Lage anpassen. „Die Versorgungssicherheit muss nicht gesondert diskutiert werden“, stellt Dörre fest.

Während der vergangenen Jahre konnte Interpal Logistikgrößen wie Contargo, CTL und Nothegger von seinem Kontenkonzept überzeugen. Der wohl bekannteste Nutzer ist Rossmann. Seit acht Jahren bietet die Drogeriekette ihren Lieferanten an, bei Warenlieferungen auf den Palettentausch zu verzichten und Direktverbuchungen auf Interpal-Konten vorzunehmen. Mit den Sauerländern hat die Handelskette die kontinuierliche Belieferung der Lieferanten mit Europaletten der A-Klasse über deren Netzwerk vereinbart.

Das macht sogar tägliche Palettenzustellungen in großen Volumina möglich. Beim Hygienepapierhersteller Sofidel Group können das schon mal mehrere Hundert Einheiten am Tag sein. Vor kurzem noch nahm der Konzern an einem geschlossenen Pool teil. Weil er mit dessen Versorgungskonzept unzufrieden war, wechselte er auf Empfehlung eines anderen Rossmann-Lieferanten zu Interpal. „Sichere Verfügbarkeiten und Liefertreue sind für uns wichtig“, erklärt Dirk Horn, Country Logistics Manager von Sofidel – und darf sich nebenbei über einen verbesserten CO₂-Abdruck freuen. Weil unterm Strich weniger Transporte anfallen, hat Interpal einen vergleichsweise günstigen Wert errechnet. (jpn)

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