Christina Scheib will mehr Frauen am Steuer

Die Botschafterin für Lkw-Fahrerinnen des BGL setzt sich für mehr Gleichberichtigung in ihrer Berufsgruppe ein und appeliert an Unternehmer.

Seit Anfang 2019 ist ­Chris­tina Scheib Botschafterin für Lkw-Fahrerinnen des BGL. In dieser Funktion setzt sie sich für mehr Gleichberechtigung in der Berufsgruppe ein. Zudem nutzt sie ihre Reichweite in den sozialen Kanälen, um mehr Frauen von der Arbeit als Berufskraftfahrerin zu begeistern – mit Erfolg. (Foto: Privat)

Als Christina Scheib ans Handy geht, sitzt sie gerade „auf dem Bock“, wie es im Volksmund heißt. Wobei sie diesen Ausdruck ebenso unpassend empfindet wie die Bezeichnung Trucker. „Wir sind Berufskraftfahrer*innen“, sagt die 36-Jährige, die durch das TV-Format „Asphalt Cowboys“ bekannt ist.

Zudem war sie in einer Folge „Trucker Babes“ zu sehen. Die Sendung vermittle aber eine „reine Verzerrung des Berufsbildes“ und erschwere zudem die Gleichstellung der Frauen in diesem Beruf, weil dabei selten die Arbeit des schönen Geschlechts im Vordergrund stehe, sondern die optischen Vorzüge. „Inzwischen ziehen sich da ja alle aus“, sagt Scheib trocken. Deshalb habe sie sich auch von der Sendung distanziert. Sie möchte öffentlichkeitswirksam beweisen, dass Frauen diesen Job genauso gut machen können wie Männer. Da seien solche Formate wenig förderlich. Ihr aktueller Job als Botschafterin für Lkw-Fahrerinnen des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) eigne sich da deutlich besser.

Schon als Kind habe sie den Spleen gehabt, später keinen Mädchen-typischen Beruf ausüben zu wollen. „Am Ende habe ich dann aber doch Arzthelferin gelernt“, sagt die bayrische Frohnatur. Erst als sie mit ihrer Familie über einem Pannendienst einzog, kam ihr die Idee, sich das Gehalt als Fahrerin aufzubessern. So begann die damals 25-Jährige als Bürokraft auf 450-Euro-Basis beim Abschleppdienst im Erdgeschoss und finanzierte sich ihren Lkw-Führerschein selbst.

Anschließend arbeitete sie zunächst als Chefarztsekretärin und verdiente sich nebenbei etwas beim Pannendienst dazu. Zu viel sei ihr das nicht geworden. „Ich war angefixt und wollte jetzt die ganz großen Lkw fahren.“ Allerdings wurde ihr der neue Job nicht gerade auf dem Silbertablett serviert: „Ich musste bestimmt 30 bis 40 Bewerbungen schreiben“, erinnert sich Scheib. Dabei habe sie es oft mit Vorurteilen zu tun bekommen. Fragen wie „Wirklich, Sie wollen diesen Job machen und einen 40-Tonner fahren?“ habe sie oft gehört. Das Vertrauen in ihre Kompetenzen sei selten vorhanden gewesen. „Dabei sind Frauen hervorragend für das Betriebsklima und haben durchaus Vorteile an der Rampe“, ist Scheib überzeugt.

Es gäbe aber auch Lkw-Fahrerinnen, die nicht unbedingt zur Verbesserung des Rufes beitragen, deutet sie vielsagend an. Da sei es auch kaum eine Überraschung, dass Männer in ihrer Anwesenheit häufig zu kindischem Verhalten neigen und sich Chancen auf einen Flirt ausrechnen. „Meistens lache ich dann darüber und nehme es mit Humor.“ Bei Übernachtungen auf Parkplätzen möchte sie aber lieber kein Risiko eingehen und verlässt ihr Fahrzeug daher selten. „Auch wenn mir noch nie etwas passiert ist, habe ich durchaus Respekt vor der Situation.“

Umso wichtiger sei es, die veralteten Strukturen und Ansichten innerhalb der Berufsgruppe aufzubrechen. Der massive Fahrermangel mache es ohnehin schlicht unmöglich, sich der Anstellung von Frauen komplett zu verschließen. „Ich bekomme viel Feedback von jungen Mädchen, aber auch von Frauen im mittleren Alter, die Berufskraftfahrerin werden wollen, nur weil sie mich bei der Arbeit im Fernsehen gesehen haben. Das ist ein tolles Gefühl, so einen positiven Einfluss zu spüren.“ Dabei will es die Vorkämpferin aber nicht belassen und spricht in ihrer Funktion als Frauenbotschafterin des BGL regelmäßig vor Heranwachsenden in Kindergärten und Schulen. Und die Arbeit scheint Früchte zu tragen: Der Anteil an Frauen, die eine Ausbildung zur Berufskraftfahrerin absolvieren, hat sich seit 2017 sukzessive gesteigert, wie eine Auswertung der IHK-Zahlen belegt. Demnach lag der Anteil weiblicher Berufskraftfahrer-Azubis im Jahr 2017 bei 5,3 Prozent. Im Folgejahr waren es 6,7 Prozent, und 2019 kletterte der Wert auf 7,3 Prozent. Der bisherige Spitzenwert wurde 2020 mit 8,3 Prozent gemessen.

Christina Scheib ist auf jeden Fall überzeugt, dass auch Menschen mit doppeltem X-Chromosom Lkw fahren können und sollten. Dafür fordert sie neben selbstbewussteren Frauen, die sich diesen Schritt zutrauen, mehr Verständnis von Unternehmern: „Wir Frauen brauchen flexiblere Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, in Elternzeit zu gehen.“ Um diese Veränderungen zu beschleunigen, will die BGL-Botschafterin für Lkw-Fahrerinnen ihre Reichweite in den sozialen Medien – immerhin weit über 100.000 Follower – sowie im TV-Programm weiterhin nutzen und als Sprachrohr für ihren Berufsstand fungieren – außer bei den „Trucker Babes“; der Zweck heiligt nun mal nicht immer die Mittel.

Eine reine Verzerrung des Berufsbildes.
Christina Scheib über das TV-Format „Trucker Babes“

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