Der Fahrerlohn ist nur ein Hebel

Der Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal ist eines der drängendsten Probleme der Transportwirtschaft. Im Thesencheck der DVZ ordnet Daniel Stancke, CEO der digitalen Jobvermittlungs-Plattform Jobmatchme, ein, wo es hakt, und gibt Tipps, wie es besser laufen kann.

Der Fahrermangel in Deutschland ist einzig und allein auf die nicht angemessene Bezahlung zurückzuführen.

Falsch. Wenngleich eine angemessene Bezahlung fraglos notwendige Bedingung ist, dass Menschen sich für den Job interessieren, so sind doch gesellschaftliche Anerkennung und attraktive Arbeitsbedingungen gleichsam unerlässlich.

Würden alle Fuhrunternehmen ein aktives Gesundheitsmanagement für das Fahrpersonal aufbauen, könnte das den Mangel an qualifizierten Fahrern erheblich ausgleichen.

Richtig. Der Krankenstand unter Lkw-Fahrenden ist erheblich höher als in der Durchschnittsbevölkerung. Etwa die Hälfte des angenommenen Fahrermangels löse sich in Luft auf, wenn der Krankenstand auf den Normalschnitt fallen würde. Wichtig: Auch die Beschäftigten müssen „mitspielen“. Es sollte aber alleine schon im Eigeninteresse liegen, auf seine Gesundheit so zu achten, dass man auch noch im Alter Freude hat.

Nach wie vor ist es so, dass viele Lkw-Fahrer schon für ein kleines Gehaltsplus die Firma wechseln.

Falsch. Wenn die generellen Bedingungen wie ein gutes Arbeitsklima und passende Arbeitszeiten stimmen, wechseln Bewerber erst ab 15 Prozent mehr Gehalt. Das zeigen unsere Daten von mehr als 240.000 registrierten Fahren in Deutschland eindeutig.

Fuhrunternehmen, die eine offene, familiäre Firmenkultur pflegen, finden genauso schlecht neue Fahrer wie große Transportkonzerne.

Teils, teils. Die Arbeitsbedingungen unterscheiden sich naturgemäß erheblich je nach Firmengröße. Dennoch bieten große Unternehmen häufig auch ein anderes Maß an Sicherheit, Prozessen und Strukturen, die für Fahrer attraktiv sein können. Da tickt einfach jeder anders.

Um den Parkplatz-Not der Fahrer zu beenden, sollten Fuhrunternehmen kooperieren und ihre Speditionshöfe für ruhesuchende Fahrer anderer Firmen öffnen.

Richtig. Die Parkplatzsituation ist einer der häufigsten Gründe für Stress. Stress wiederum ist maßgeblich für den erhöhten Krankenstand unter Lkw-Fahrenden verantwortlich. Es ist im Interesse aller Marktteilnehmer, hier Abhilfe zu schaffen – und hier könnte die Kooperation der Fuhrunternehmen viel bringen.

Werden die bürokratischen Hürden für den Einstieg in den Arbeitsmarkt gesenkt, wird Deutschland für Fahrer aus Drittländern interessant.

Richtig. Wobei die bürokratischen Themen oftmals nachrangig sind. Häufiger sind Themen wie Wohnungssuche und Sprache entscheidender für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. Hier können und sollten Firmen investieren und sich damit große Wettbewerbsvorteile sichern. Wir müssen davon ausgehen, dass sich der Fahrermangel ohne strukturierten Zuzug alleine aus demografischen Gründen in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird.

Mit der richtigen HR-Kampagne ist es kein Problem, Fahrernachwuchs zu gewinnen.

Falsch. Leider sind Kampagnen nicht ausreichend. Entscheidend ist der Prozess nach Kontaktaufnahme. So schwer es auch ist: Personalverantwortliche müssen akzeptieren, dass es mehr offene Stellen als Jobsuchende gibt. Das bedeutet auch, dass man als Arbeitgeber faktisch der sich Bewerbende ist. Das führt häufig zu nachvollziehbarer Frustration, eröffnet aber Chancen, wenn man die Prozesse entsprechend umstellt. Leider gehört auch dazu, dass man beispielsweise mehrfach Kandidaten anrufen muss, bevor es zum Kennenlerngespräch kommt. In diesem wollen die Kandidaten überzeugt werden. Geld ist wichtig, aber bei weitem nicht das letztlich entscheidende Kriterium. Ich empfehle stark nicht mehr von Bewerbern zu sprechen und vor allem in diesen Kategorien zu denken. Diese Zeiten kommen so schnell nicht wieder. Überwindet man das, hat man große Chancen, Menschen für sich und sein Unternehmen zu gewinnen.

Nach wie vor sind exzellent ausgestattete LKW das beste Argument, um Fahrer von der eigenen Firma zu überzeugen.

Falsch. Aber es hilft natürlich. Schließlich ist der Lkw quasi das rollende Büro der Fahrenden. Auch zum Thema Gesundheit ist die Investition in gut ausgestattete Lkw sehr hilfreich. Der überdurchschnittlich hohe Krankenstand verursacht schließlich pro Fahrer Mehrkosten von über 2.000 Euro pro Jahr – konservativ gerechnet.

In wenigen Jahren hat sich das Thema Fahrermangel erledigt, weil autonome Systeme ihre Marktreife erlangen.

Falsch. Hier kommen wir in den Bereich der Glaubensfragen. Dennoch: Erfahrungsgemäß dauert technologischer Fortschritt in der Regel erheblich länger als gedacht. Allein der Austausch der deutschen Lkw-Flotte würde etliche Jahre dauern. Die HR-Abteilungen sollten sich nicht darauf verlassen, sondern müssen ihre Prozesse umstellen. Ohne Fahrer keine Firma. Das wird auf absehbare Zeit so bleiben.

Fuhrunternehmer, die sich gegenüber ihren Auftraggebern für ihre Fahrer stark machen, werden immer Personal finden.

Richtig. Wie üblich ist das nicht ausreichend, aber auf jeden Fall ein starkes Signal. Der Umgang mit den eigenen Mitarbeitern gerade auch im Außenverhältnis spricht sich überall herum. Wir haben immer wieder Meldungen in unserer 27.000 Mitglieder großen Social Media Community von stolzen Berichten, wenn sich Fahrende von den Chefinnen und Chefs unterstützt fühlen.

Daniel Stancke

Der CEO der digitalen Jobvermittlungsplattform Jobmatch.me startete seine Karriere 2007 als Trainer für interkulturelle Kompetenzen und Deutsch bei Volkswagen Mexiko. Nach einem kurzen Ausflug an die University of Connecticut übernahm er zuerst die Leitung der Abteilung für Interkulturelle Kompetenzen und stieg schließlich zum Manager at Policy Governance HR bei der Volkswagen Group auf. Im Jahr 2016 gründete Stancke die Jobmatchme GmBH und übernahm die Funktion des CEO.

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