„Die Logistik muss sich als Arbeitgeber neu erfinden“
Der Wettbewerb um die klugen Köpfe von morgen läuft auf Hochtouren. Wie mittelständische Logistikunternehmen punkten können, erklärt Lara Wilke, Personalexpertin bei Saco Shipping.
DVZ: Mittlerweile tun sich viele Logistikunternehmen schwer damit, Azubis für ihr Unternehmen zu gewinnen. Nimmt die Branche das Problem nicht ernst genug?
Lara Wilke: Das Thema beschäftigt die Branche, aber in Zeiten von Covid-19 stand die Gewinnung von Auszubildenden bei vielen Unternehmen nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. Zuerst einmal kosten Auszubildende Zeit und vor allem finanzielle Mittel, ohne dass direkt ein Mehrwert entsteht. Doch aufgrund des akuten Fachkräftemangels sowie des Wandels vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt ist es von enormer Wichtigkeit, sich mit dem Thema Ausbildung sehr intensiv zu beschäftigen. Und man muss realisieren, dass das Recruiting von Fach- und Nachwuchskräften heutzutage eines deutlich höheren Aufwandes bedarf als noch vor ein paar Jahren.
Was macht Saco Shipping anders – und vielleicht auch besser – als andere Unternehmen?
Aufgrund unserer besonderen Rolle in der Logistik ist es für uns besonders wichtig, passgenaue Kandidatinnen und Kandidaten für unsere Vakanzen zu finden. Und genau deshalb genießt die Ausbildung im eigenen Hause einen so hohen Stellenwert – wir schaffen damit die Voraussetzungen, unsere offenen Positionen ideal besetzen zu können. Aber natürlich muss man die potenziellen Azubis erst einmal für sich interessieren und gewinnen. Dabei spielen wir die großen Vorteile eines Familienunternehmens aus: Obwohl wir weiter wachsen, halten wir an dem familiären Gedanken fest, indem wir uns über alle Ebenen duzen und natürlich auch unsere Auszubildenden als gleichgestellte Kolleginnen und Kollegen ansehen und behandeln. Damit verbunden ist auch eine Nahbarkeit in der täglichen Arbeit, die bereits im Bewerbungsprozess spürbar ist. Und letztlich gehört immer der Gemeinschaftsgedanke dazu: Teamevents finden bei uns nicht nur einmal im Jahr statt, sondern sind fester Bestandteil der Unternehmenskultur.
Die Lebensrealität der Azubis scheint mitunter nicht mehr mit den Rahmenbedingungen der Logistikausbildung zusammenzupassen. Wo bemerken Sie eine spürbare Diskrepanz?
Nicht nur die Lebensrealität der Auszubildenden, sondern die von uns allen hat sich besonders in den letzten Jahren grundlegend verändert. Zwar hat die Pandemie dabei eine große Rolle gespielt, aber unabhängig davon sind Elemente wie Work-Life-Balance und mobiles Arbeiten immer mehr in den Fokus gerückt. Arbeit bestimmt nicht mehr den Alltag, sondern muss sich harmonisch in diesen integrieren lassen. Auch die Traditionsbranche Logistik mit ihren über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen, die sie zu dem gemacht haben, was sie heute ist, muss sich daran anpassen und vielleicht sogar ein Stück weit als Arbeitgeber neu erfinden. Denn nach wie vor gilt die Branche besonders im Zusammenhang mit dem Hamburger Hafen als rau, verbunden mit harter Arbeit und daher wenig einladend.
Wie kann man diesem Umstand am besten begegnen?
Wir müssen schon beim ersten Kennenlernen und im Recruiting-Prozess klarmachen, dass dieses hergebrachte Image so gar nicht mehr zutrifft. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich junge Menschen zunehmend eine sichere berufliche Perspektive wünschen, muss viel stärker als bisher hervorgehoben werden, wie zukunftsträchtig die Logistikbranche ist – gerade in dieser Welt mit globalen Lieferketten. Darüber hinaus muss man den angehenden Auszubildenden sehr deutlich vermitteln, dass die Arbeitsbedingungen in der Branche zeitgemäß sind: Die Arbeitsplätze sind also nicht nur sicher, sie sind auch attraktiv und modern.
Attraktive und sichere Arbeitsplätze gibt es auch in anderen Branchen. Was kann ein Logistikunternehmen tun, um sich abzuheben und für potenzielle Azubis interessant zu machen?
Das Unternehmen muss vor allem offen sein. Offen für neue Einflüsse, aber auch offen für unterschiedlichste Lebenswege. Den klassischen Azubi oder die klassische Azubine, der/die eine Ausbildung in der Logistikbranche macht, gibt es nicht. Um als Unternehmen attraktiv zu sein, ist es daher sinnvoll, flexibel und vielfältig aufzutreten. Ein Beispiel dafür sind die Benefits, mit denen wir als Saco Shipping die unterschiedlichsten Bedürfnisse ansprechen und die zum Großteil auch bereits in der Ausbildung in Anspruch genommen werden können. Ganz wichtig ist zum Beispiel, dass unsere Auszubildenden bereits ab dem ersten Lehrjahr den EGYM-Wellpass bekommen und damit Fitnessstudios, Schwimmbäder und andere Angebote nutzen können.
Solche Benefits machen ein Unternehmen attraktiv, sind aber sicher nichts alles.
Richtig. Abseits davon entwerfen wir für jeden Auszubildenden einen individuellen Ausbildungsplan. Dabei berücksichtigen wir den Wohnort sowie die persönlichen Interessen und Stärken. Interessieren sich unsere Nachwuchslogistiker für die Luftfracht, können sie bei unserer Tochterfirma Saco Groupair in Norderstedt einen Teil ihrer Ausbildung absolvieren. Liegt das Interesse eher im Bereich der Lagerhaltung, bietet sich eine Ausbildungsstation beim PCH Packing Center Hamburg an. Darüber hinaus können wir – und das ist eine echte Stärke der Logistikbranche – auch Auslandsaufenthalte bei unseren internationalen Niederlassungen anbieten. Ebenfalls ein Teil des Ausbildungsplans ist der wöchentliche Englischunterricht mit einer Muttersprachlerin. Dieser findet angepasst an das Sprachniveau des Auszubildenden statt.
Es geht also darum, sich intensiv mit den Fähigkeiten und Neigungen des Einzelnen auseinanderzusetzen. Wo liegen die Grenzen?
Bei all der Vielfalt und Flexibilität, die wir bieten wollen, gibt es natürlich auch Grenzen. Eine Ausbildung soll nach wie vor ein solides Fundament für die berufliche Zukunft sein. Damit dieses Fundament solide ist, müssen alle wichtigen Inhalte vermittelt werden. Bei der Ausbildung kann es daher nicht nur allein darum gehen, den eigenen Vorlieben zu folgen, sondern sie muss ein umfangreiches Wissen in allen Bereichen abdecken.
Eine große Herausforderung ist, den Auszubildenden nach ihrem Abschluss eine passende Perspektive zu bieten. Wird in den Logistikunternehmen zu kurz gedacht?
Welche Perspektive passend ist, kristallisiert sich meist erst während der Ausbildung heraus. So kann zum Beispiel jemand bei uns mit dem Ziel anfangen, im Anschluss an die Ausbildung ein Studium zu absolvieren. Doch möglicherweise stellt er oder sie während der Ausbildung fest, dass die eigenen Stärken in der Praxis liegen. Wieder andere sind zuerst vom Exportgeschäft fasziniert, merken aber dann, dass sie das Miteinander im Import mehr mögen. So vielfältig wie die Auszubildenden sind, so vielfältig sind auch die Perspektiven. Ob aber eine der Vakanzen im Unternehmen zu dem oder der Auszubildenden passt, lässt sich anfangs oft nicht genau absehen. Wichtig ist aber, mit den Auszubildenden deren Interessen und Bedürfnisse regelmäßig zu besprechen und mit den Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens abzugleichen. Aufgrund des Wachstums der Branche sollte es für alle Auszubildenden, die ihre Zukunft in der Logistik sehen, einen passenden Platz geben.