Mitarbeitersuche: „Ein bisschen so wie Parship“

Der Arbeitsmarkt durchläuft einen grundlegenden Wandel - immer weniger Bewerber kommen auf immer mehr freie Plätze. Das gilt auch besonders für die Transport- und Logistikbranche. Doch wie agieren die Unternehmen in diesem Umfeld? Die DVZ hat sich umgehört.


Die wichtigste Frage im ­Personalmanagement lautet: Wie passen Mensch und ­Unternehmen zusammen? (ILLUSTRATION: Istock; Carsten Lüdemann)

Es wird eng auf dem deutschen Arbeitsmarkt, richtig eng. Zwar herrschen noch keine britischen Verhältnisse mit einer Million unbesetzter Stellen, aber der Fachkräftemangel ist spürbar – trotz der Corona-Wellen, die durchs Land schwappen, und der Versorgungsengpässe von Industrie und Handel. Auch die jüngst veröffentlichte Arbeitsmarktanalyse des Jobportals Stepstone gibt hier keine Entwarnung. Im Gegenteil: Im Jahr 2021 legte die Zahl der Stellenausschreibungen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit um ein Drittel zu. Besonders gesucht sind in diesen Zeiten auch Logistikexperten auf jedem Level – und natürlich Auszubildende.

Für wen ist Logistik attraktiv?

Ermutigend ist, dass es viele Transport- und Logistikunternehmen schaffen, qualifizierte Auszubildende für sich zu gewinnen. Wie zum Beispiel der Hamburger Mittelständler A. Hartrodt, der bereits im dritten Jahr hintereinander den besten Azubi Deutschlands stellt. Doch was machte für die 21-jährige Anna Helene Gessen den Reiz aus, nach dem Abitur eine Ausbildung zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung zu beginnen? Sie selbst sagt: „Ich organisiere gerne, und mir macht es Spaß, Lösungen zu finden, wenn etwas mal nicht so glatt läuft.“

Das Beispiel zeigt, dass die Aufgaben in der Logistik Menschen ansprechen, die etwas bewegen wollen und die sich rasch auf neue Situationen einstellen können. „In der Logistik geht es um Flexibilität, Neugierde, Lernwillen – und auch darum, das Unerwartete managen zu können“, bringt es Christa Stienen, die bei Hellmann Worldwide Logistics weltweit für den Personalbereich verantwortlich zeichnet, auf den Punkt. Allerdings brauche man in der Logistik weniger die zartbesaiteten Menschen, sondern eher robuste Typen, fügt sie hinzu. „Wer das pralle Leben will, ist in der Logistik gut aufgehoben.“

Suche nach Future Skills

„Wir legen den Fokus bei der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verstärkt auf die sogenannten ‚Future Skills‘. Dabei geht es zum Beispiel um technologische Kompetenz und digitale Gewandtheit, um Resilienz und Anpassungsfähigkeit, um interkulturelle Kompetenz, Eigenverantwortung und kreatives Denken ‚out of the box‘“, skizziert Vera Komorek, Leiterin der Personalentwicklung bei Duisport, den Ansatz in ihrem Unternehmen. Doch damit ist auch ganz klar vorgezeichnet, was potenzielle Kandidaten bei dem Binnenhafenbetreiber erwartet. „Wir fordern und fördern die Entwicklung digitaler Kompetenzen, erwarten diese aber auch schon bei den jüngeren Generationen, den ‚Digital Natives‘“, erklärt Komorek dazu.

Das Interkulturelle zählt

Auch bei Hapag-Lloyd steht die Affinität zu digitalen Themen weit oben auf der Agenda. Darüber hinaus schätzt Joachim Schlotfeldt, Chief Personnel and Global Procurement Officer der Hamburger Containerreederei, einen positiv-kritischen Umgang mit Themen, die kreative Ideen und Lösungen voranbringen. Und noch etwas ist wichtig: ein besonderes Maß an interkultureller Offenheit – schließlich arbeiten bei Hapag-Lloyd Menschen aus über 100 Nationen zusammen. Ganz klar, dass das Unternehmen bereits den Auszubildenden die Möglichkeit bietet, diese Soft Skills zu erwerben. „Wir fördern die Vernetzung und bieten Auslandsaufenthalte, um andere Kulturen zu erfahren“, erklärt Schlotfeldt. Das ist Teil eines Konzepts, welches auf die Persönlichkeiten der Auszubildenden eingeht. „Jeder Mensch ist einmalig und hat deshalb sicherlich auch ganz individuelle Vorstellungen von seinem Leben. Dies ist für unsere Auszubildenden enorm wichtig – sie möchten als Individuum gesehen werden, sich austauschen und ihre Meinung platzieren“, sagt Schlotfeldt.

Der menschliche Aspekt

Und tatsächlich ändert sich die Sicht auf die Mitarbeiter auch in anderen Unternehmen deutlich. So sagt zum Beispiel Claudia Scheins, Head of Learning & Development bei Fiege: „Wir glauben daran, dass der Mensch mit all seinen persönlichen Kompetenzen zunehmend in den Vordergrund rücken wird. Der Bereich ‚People‘ ist nicht ohne Grund eine unserer zentralen strategischen Prioritäten im Unternehmen.“

Das aber ist keine Einbahnstraße, auf der Bewerberinnen und Bewerber ihren Weg in das Unternehmen finden. Ganz klar achten die Personalabteilungen sehr darauf, dass potenzielle Mitarbeitende nicht nur das Unternehmen, sondern auch sich selbst auf den Prüfstand stellen. Scheins geht ins Detail: „Es geht darum, sich zu hinterfragen: Wie ist es um die kommunikativen Fähigkeiten bestellt? Wie steht’s ums kaufmännische Denken? Wie um die Lernbereitschaft? Engagement? Innovatives Denken? Verantwortung? Teamfähigkeit? Die Liste der Attribute, die für uns wichtig sind, ist vermutlich länger als Listen mit guten Vorsätzen in der Silvesternacht.“

Auf der anderen Seite stehen auch bei Fiege die fachlichen Kompetenzen hoch im Kurs. Die Frage ist allerdings, welche Fähigkeiten für die Logistik von morgen benötigt werden. Für Scheins ist das ein Problem: „Fakt ist, dass wir heute teilweise noch gar nicht wissen, welche Berufsfelder wir morgen benötigen werden.“ Sicher sei allerdings, dass in Zukunft andere Kompetenzen als heute benötigt werden – und es könne nie zu früh sein, die Aus- und Weiterbildung im Unternehmen darauf auszurichten.

Welche Generation soll es sein?

Eine der Schwierigkeiten der modernen Personalentwicklung in der Logistik besteht darin, dass die aktuellen und potenziellen Mitarbeitenden nicht mehr aus einem einzigen Pool kommen. „Es gibt derzeit fünf Generationen auf dem Arbeitsmarkt – von den Traditionalisten bis hin zur Generation Z. Jede spricht ihre eigene Sprache und hat eigene Vorstellungen. Für diese verschiedenen Generationen müssen wir verschiedene, individuelle Antworten haben“, sagt Hellmann-Personalchefin Stienen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels und des sich ändernden Bewerbermarktes sieht sie zudem die Unternehmen im Zugzwang, sich für potenzielle Mitarbeitende auf allen Ebenen attraktiv zu machen. „Es wird von beiden Seiten abgeglichen, ob es passt – das ist ein wenig so wie bei Parship.“ Und genauso wie bei einer Partnerbörse komme es nicht nur darauf an, ins Gespräch zu kommen. Man müsse sich auch mit dem auseinandersetzen, was den jeweiligen Menschen antreibt und wo seine Stärken liegen.

Neue Inhalte für die Ausbildung

Zwei Drittel der DSLV-Mitgliedsunternehmen bilden unter anderem in den verschiedenen Logistikberufen aus. Doch um eine zielgerichtete und kompetente Ausbildung der Fachkräfte von morgen sicherzustellen, muss das Berufsbild der Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung auf aktuellem Stand gehalten werden. Die Frage ist, inwieweit die bestehende Ausbildungsverordnung noch zur aktuellen Branchenentwicklung passt?

Eine Umfrage des DSLV hat ergeben, dass ein Teil der Speditionsunternehmen es befürwortet, künftig das für die Spedition relevante Thema Digitalisierung in der Ausbildungsverordnung direkt zu berücksichtigen. Allerdings folgt die Anpassung einer Ausbildungsordnung an eine veränderte Berufspraxis nicht umsonst einem streng geregelten Verfahren, an dem der Bund, die Länder, Arbeitgeber und Gewerkschaften beteiligt sind. Die unterschiedlichen Vorstellungen der Sozialpartner müssen bei einer Anpassung der Ausbildungsinhalte gründlich abgewogen werden. Denn die Inhalte müssen offen, praxisnah und verständlich bleiben, damit sie auf alle Unternehmen übertragbar sind und auch kleinere Firmen ausbildungsfähig bleiben.

Die Autorin Tatjana Kronenbürger ist Leiterin Qualifikation und Berufliche Bildung im DSLV Bundesverband Spedition und Logistik.

(ben)

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