„Wir als Arbeitgeber müssen maximal flexibel sein“

Der Innovationshub Startport und der Personaldienstleister Avitea wollen HR-Innovationen in der Logistik sichtbarer machen. Im Interview sprechen die Geschäftsführer Alessandro Benassi und Markus Humpert über aktuelle Trends wie KI.

Avitea-Geschäftsführer Markus Humpert (links) und Startport-Geschäftsführer Alessandro Benassi. (Foto: Startport; Avitea)

DVZ: Herr Benassi, seit Januar 2024 bilden Sie gemeinsam mit Johannes Franke die Geschäftsführung von Startport. Welche Bilanz ziehen Sie ein Jahr später?

Alessandro Benassi: Das Jahr war sehr intensiv, aber im positiven Sinne. Natürlich ist die Logistik wie andere Branchen auch von den konjunkturellen Schwankungen betroffen. Dennoch gibt es nach wie vor sehr gute Möglichkeiten, Innovationen zu treiben, und das ist uns letztes Jahr unter anderem mit neuen Themenschwerpunkten auch gelungen.

2022 ist Startport mit seinem Inkubator-Programm zur regionalen Förderung des Standorts Rhein-Ruhr zurückgekehrt. Die Partnerschaft mit Avitea soll nun das Thema HR-Innovation in den Fokus rücken. Wieso?

Benassi: Wir sind in der Vergangenheit sehr stark aus dem Bereich Technologie gekommen. Auch wenn wir in der Logistik viel über Automatisierung und Digitalisierung sprechen, wird es aber immer auch einen Fokus auf den Faktor Mensch geben und geben müssen. Im Austausch mit Avitea haben wir sehr schnell gemerkt, dass wir dieses Verständnis über die zentrale Rolle des Menschen in der Logistik teilen. Innovation, Digitalisierung und Technologie sind am Ende des Tages dazu da, den Menschen zu befähigen. Aus meiner Sicht wurde diese Perspektive in den letzten Jahren zu sehr in der Start-up-Welt ausgeklammert.

Markus Humpert: Das Startport-Team hat uns schon bei unserem ersten Kennenlernen Anfang letzten Jahres mit seiner Innovationslust angesteckt. Zum einen wollen wir die Brücke in die lokale Logistikbranche rund um den Duisburger Hafen schlagen, das ist für uns ein sehr interessantes Geschäftsfeld. Zudem wollen wir mit den Start-ups vor Ort Innovationen in unsere Dienstleistungen integrieren und gemeinsam mit Startport auf den Markt zugehen und Lösungen sichtbar machen.

Alessandro Benassi

Seit Januar 2024 bildet Benassi gemeinsam mit Johannes Franke das Führungsduo der Innovationsplattform Startport. Zuvor war er seit Dezember 2020 als Prokurist und Innovationsmanager bei der 2017 gegründeten Duisport-Tochter tätig. Zu seinen Aufgaben gehört die Betreuung der Startport-Partner, Franke leitet den Veranstaltungsbereich.

Mit welcher Herausforderung haben Logistiker im Personalbereich derzeit mehr zu kämpfen: mit dem Fachkräftemangel oder der Einführung neuer Technologien wie KI?

Humpert: Schwer zu sagen. Beides sind ohne Frage Herausforderungen der Branche. In der HR-Prozesskette geht es zunächst mit der Frage los: Wo bekomme ich als Unternehmen die Menschen her, die ich brauche? Jene Mitarbeiter dann so auszubilden, dass sie in der Lage sind, mit den jeweiligen digitalen Tools im Arbeitsalltag umzugehen, ist eine zweite große Herausforderung. Diese Flexibilität ist entscheidend, denn wir werden nicht die Möglichkeit haben, unendlich viele Menschen zu rekrutieren. Stattdessen müssen wir die vorhandenen Personalressourcen möglichst flexibel an ganz vielen Stellen im Unternehmen einsetzen können. Wir stehen also vor einer Bandbreite an Herausforderungen, mit denen wir umgehen und für die wir kluge Lösungen finden müssen.

Benassi: Dieses ,Nicht-klar-benennen-Können‘ verdeutlicht aus meiner Sicht auch die Komplexität, in der wir uns befinden. Wir sehen Start-ups, die für ganz unterschiedliche HR-Bereiche Lösungen entwickeln – und jeder davon liegt ein Problem zugrunde. Umso wichtiger ist es, dass dieses Thema noch mehr an Bedeutung und Wahrnehmung gewinnt.

Wie muss zukunftsorientierte Personalarbeit vor dem Hintergrund jener Herausforderungen denn aussehen?

Humpert: Wir als Arbeitgeber müssen maximal flexibel sein. Das bedeutet: Flexibilisierung unserer Mitarbeiter, offen sein für nicht geradlinige Lebensläufe sowie andere berufliche und kulturelle Hintergründe, um quantitativ die Menge an Mitarbeitern zu rekrutieren, die wir brauchen. Auf den Faktor Mensch werden wir in der Logistik nicht verzichten können, also müssen wir uns gut um ihn kümmern – unter anderem durch ein Arbeitsumfeld, in dem sich Mitarbeiter wohlfühlen und in dem sie bleiben wollen. Fluktuation können wir uns nicht erlauben. Eine Möglichkeit wäre auch, Personal unternehmensübergreifend einzusetzen.

Benassi: Schon der Begriff Human Resources macht deutlich: Es handelt sich um eine Ressource, ein nur bedingt verfügbares Gut. Und das muss geschützt und entwickelt werden.

Sind Logistikunternehmen denn schon bereit, Ansätze wie das Teilen von Personal auszuprobieren? Oft geht es eher darum, Personal von der Konkurrenz abzuwerben.

Humpert: Ich nehme wahr, dass sich die Unternehmen schrittweise für innovative Ansätze öffnen. Auch dafür, solche Dinge wenigstens zu diskutieren vor dem Hintergrund, dass die Anzahl potenzieller Mitarbeiter durch den demografischen Wandel nicht größer wird.

Markus Humpert

Der 49-jährige Familienvater ist Geschäftsführer des Personaldienstleisters Avitea und des 2016 gegründeten Tochterunternehmens Avitea Industrieservice, welches unter anderem Dienstleistungen im Bereich Logistik-Outsourcing anbietet. Humpert ist bereits seit 2008 für die Avitea Gruppe mit Sitz in Lippstadt in NRW tätig, ursprünglich als Niederlassungsleiter.

Werden HR-Strategien künftig überwiegend von KI-Technologien geprägt sein?

Benassi: Am Ende des Tages werden sie eine Unterstützung sein. Ich bin davon überzeugt, dass die beste Entscheidung immer das eigene Bauchgefühl ist – und das kann keine KI ersetzen. Sie kann aber eine Entscheidungsgrundlage bieten und Prozesse automatisieren.

Humpert: Ich glaube auch nicht, dass die KI in Zukunft völlig autark Menschen einstellt oder entlässt. Wir als Avitea wollen sie künftig aber beispielsweise für unseren Bewerberpool nutzen. Dieser enthält mehrere Tausend Jobinteressierte, bei denen wir regelmäßig herausfinden müssen, ob sie zurzeit auf Jobsuche sind oder nicht – das ist ein riesiger Aufwand, den eine KI gut übernehmen kann.

Die Logistikbranche gilt nicht als Vorreiter, wenn es um die Implementierung digitaler Lösungen geht. Ist das eine Chance für Start-ups, die HR-Zukunft der Branche aktiv mitzugestalten?

Benassi: Ich glaube, die Logistik macht viel mehr im Bereich Digitalisierung, als es öffentlich sichtbar ist. Wir haben in der Branche einfach eine extrem hohe Komplexität, die es auch Start-ups nicht immer leicht macht, Prozesse zu automatisieren und smarte Lösungen zu finden, die schnell implementierbar sind. Im Bereich HR sehe ich noch wahnsinnig viel Marktpotenzial, weil Logistik in Summe eine sehr personalintensive Branche ist. Aufholbedarf gibt es aus meiner Sicht, wenn es darum geht, den Mitarbeitern Zugang zu Technologien zu geben und sie darin zu befähigen, diese in ihrem Arbeitsalltag zu nutzen.

Welche Trends werden die Personalarbeit in den kommenden Jahren entscheidend beeinflussen?

Humpert: Internationale Rekrutierung ist auf jeden Fall ein Riesenthema, genauso wie Candidate Experience, also der Umgang mit Bewerbern. Dass sich heute jemand bewirbt und drei Wochen keine Antwort bekommt, ist ein absolutes No-Go. Zudem wird die Unterstützung durch KI an einzelnen Punkten des Rekrutierungsprozesses und die Flexibilisierung von Mitarbeitern zunehmen.

Benassi: Aus meiner Sicht ist auch das Thema Werte ein sehr wichtiges Feld. Wir merken, dass viele Start-ups junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anziehen, weil sie in ihrer Geschäftstätigkeit sehr werteorientiert sind. Diese Orientierung müssen wir weiterhin auch in großen Unternehmen fördern und leben.

Veranstaltung: Zu Gast auf Schalke

Startport und Avitea richten am 18. März 2025 ein Event mit dem Titel „Innovations-Arena: HR und Logistik in Bestform“ in der Veltins Arena in Gelsenkirchen aus. Die Veranstaltung soll innovative Ansätze und Technologien im HR-Bereich der Logistikbranche aufzeigen und Start-ups eine Plattform bieten, um ihre Lösungen vorzustellen. Mit dabei sind unter anderem Redner von Microsoft Deutschland, Forvia Hella und Duisport sowie Olaf Thon vom FC Schalke 04.

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