Branche bangt um Finanzierung

Der zweite Nachtragshaushalt 2021 ist verfassungswidrig. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fürchtet die Transportbranche um die Finanzierung wichtiger Verkehrsprojekte.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts,(v.l.n.r.) Thomas Offenloch, Astrid Wallrabenstein, Ulrich Maidowski, Sibylle Kessal-Wulf, Doris König (Vorsitzende), Peter Müller, Christine Langenfeld und Rhona Fetzer, verkündet das Urteil in Sachen „Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021“. (Foto: picture alliance/dpa | Uli Deck)

Das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 ist verfassungswidrig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden. Gelder, die ursprünglich zur Bewältigung der Corona-Krise vorgesehen waren, dürfen somit nicht für den Klimaschutz eingesetzt werden.

Mit dem Nachtragshaushalt hatte die Ampelregierung eine Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro in den Energie- und Klimafonds (EKF) – den heutigen Klima- und Transformationsfonds (KTF) – überführt. Dieses Geld hat die Regierung dann aber nicht für Ausgaben im Rahmen der Pandemie verwendet.

Der KTF sieht derzeit Ausgaben in Höhe von gut 99 Milliarden Euro vor. Für Programme wie die Tank- und Ladeinfrastruktur sind allein 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. In der Bereinigungsunterlage hatte das Bundesfinanzministerium die Zuschüsse noch einmal um 900 Millionen Euro aufgestockt.

Auch Schienenprojekte werden durch den Fonds finanziert, darunter die Digitale Schiene Deutschland sowie Investitionen in die Infrastruktur. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehlten Milliarden Euro im KTF, aus dem bis 2027 rund 12,5 Milliarden Euro in die Sanierung und Digitalisierung des Schienennetzes fließen sollten. Der Investitionsbedarf bleibt derselbe, urteilt der Verband der Bahnindustrie, VDB.

Das Gericht führt drei wesentliche Gründe für sein Urteil an:

  • Der Gesetzgeber hat den notwendigen Zusammenhang zwischen der Notsituation und den Krisenbewältigungsmaßnahmen nicht ausreichend dargelegt.
  • Es ist unzulässig, die Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse bei gleichzeitiger Anrechnung als Schulden im Haushaltsjahr weiter zu nutzen.
  • Die Ampel hätte den zweiten Nachtragshaushalt nicht nach dem Ablauf des Haushaltsjahres 2021 verabschieden dürfen.

„Die Entscheidung hat zur Folge, dass sich der Umfang des KTF um 60 Milliarden Euro reduziert. Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren“, so das Gericht.

Lindner sperrt KTF-Wirtschaftsplan

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Mittwoch, dass die Bundesregierung das Urteil akzeptiere. Es habe aber Auswirkungen auf die Haushaltsaufstellungen von Bund und Ländern. Er kündigte an, dass die 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen gelöscht würden. Außerdem habe er eine Haushaltssperre über den Wirtschaftsplan des KTF verfügt. Davon betroffen seien alle Verpflichtungsermächtigungen, die 2024 und in den folgenden Jahre wirksam werden. Ausnahmen seien Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich. „Wir werden umgehend damit beginnen, einen neuen Wirtschaftsplan für den KTF für die Jahre 2024 folgende aufzustellen“, versprach der Minister.

Die Beratungen über den Haushalt 2024 seien seiner Einschätzung nach von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht betroffen. Wirtschaftsminister Robert Habeck fügte hinzu, dass alle zugesagten Verpflichtungen eingehalten würden. Er nannte Beispiele, die aus dem KTF finanziert würden, darunter die Förderung von E-Mobilität inklusive der Ladeinfrastruktur.

„Wir müssen uns die Frage stellen, was das bedeutet, wenn wir jetzt nicht in die Zukunft investieren“, sagte Olaf Lies (SPD), Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung in Niedersachsen, der DVZ. Da haben wir, glaube ich, ein Riesenproblem. Und man müsse sich fragen, was die Opposition mit Klagen erreichen will, wenn sie sich so die eigene Zukunft nimmt.

„Der Bund muss sich jetzt überlegen, wie er die Finanzierung verfassungskonform abbilden kann“, so Lies weiter. An zusätzlichen Mitteln führe kein Weg vorbei. „Wir haben einen Rieseninvestitionsbedarf in allen Bereichen der Transformation, beim Ausbau der erneuerbaren Energien und erst recht in der Infrastruktur.“

Verbände mahnen auskömmliche Finanzierung an

„Wenn jetzt 60 Milliarden aus dem KTF entfallen sollten, dann muss die Bundesregierung für Ausgleich sorgen“, kommentiert Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums, die Entscheidung. Denn eins sei klar: Jeder Euro sei nötig, um die Zukunftsinvestitionen zu realisieren und die Infrastrukturen zu sanieren, „sonst können wir die Klimaziele und die Zukunft unserer Volkswirtschaft abschreiben“. Planungssicherheit über Verpflichtungsermächtigungen und Finanzierungsvereinbarungen sei nötig, damit die Transformation von Verkehrs-, Energie- und Digitalsektor gelinge. Grundsätzlich hält er es für richtig, dass das Bundesverfassungsgericht den Finger hebt und einschreitet, wenn Begründungen für Kreditermächtigungen unzureichend sind, Zuschreibungen zu einzelnen Haushaltsjahren nicht passen und die Schuldenbremse verletzt wird. Die Situation mache auch deutlich, dass die Finanzierungsstrukturen dringend reformbedürftig seien.

„Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts leert die Klimaschutzkiste der Bundesregierung. Es ist jetzt wichtig, dass Klimaschutzförderungen nicht noch weiter abgesenkt und bestehende Förderzusagen jetzt nicht nichtig werden“, urteilt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. „Bereits ausgestellte Förderbescheide aus dem KsNI-Programm müssen finanziell abgesichert werden. Der Finanzminister muss nun schnellstmöglich eine Lösung für den Haushalt vorlegen“, mahnt er.

„Je nachdem, wie die Ampelregierung jetzt mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgeht, können dessen Auswirkungen fatal für die klimafreundliche Transformation des Straßengüterverkehrs sein. Denn wenn jetzt nicht klug innerhalb der Grenzen der Schuldenbremse priorisiert und umgeschichtet wird, fehlt für Klimaschutzmaßnahmen schlicht das Geld“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung.

Hier räche sich, dass die Ampel den Klimaschutz auf derart wackelige Füße gebaut hab. Anstatt die Mehreinnahmen aus der CO₂-Maut in die Schiene zu stecken, wären sie für Förderprogramme, Ladesäulenausbau, aber auch für Anreize zum Einsatz alternativer Kraftstoffe sehr viel besser investiert gewesen. Jetzt gelte es, diesen Fehler zu korrigieren, Gelder für Schienenprojekte in ferner Zukunft umzuschichten und auf Maßnahmen zu setzen, mit denen bis 2030 tatsächlich ein Mehrwert für das Klima erzielt werden könne.

Auch der Verband die Güterbahnen äußert sich besorgt. „Es fällt ein Finanzierungsweg aus, aber die Aufgaben sind alle noch da“, sagt Verbandsgeschäftsführerin Neele Wesseln. Die Situation auf dem Schienennetz rechtfertigte ohne weiteres ein eigenes Sondervermögen, das in einem überjährigen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild gesichert werden könnte. Die Diskussionen darüber dürften nicht länger aufgeschoben werden.

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