Kristina Vogt: „Ich bin bereit, für die Logistik zu kämpfen“

Die Bremer Senatorin könnte ruhiger schlafen, wenn die Finanzierung der Häfen gesichert wäre. Im Interview spricht sie über den aktuellen Stand und die Probleme bei den Infrastrukturprojekten wie der Weservertiefung, der Kajensanierung und den Bau der Autobahn 281.

Kristina Vogt, Bremer Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation: „Der Bund muss mehr betonen, dass alle anderen Länder auch von funktionierenden Seehäfen abhängen.“ (Foto: IMAGO / Eibner)

DVZ: Frau Vogt, Sie sind jetzt fast ein Jahr im Amt. Wie ist denn der Job so?

Kristina Vogt: Er ist immer herausfordernd, aber das ist normal. In den Häfen stehen wir tatsächlich vor sehr großen Umstrukturierungen. Ich würde ein wenig ruhiger schlafen, wenn wir im Zusammenhang mit der Nationalen Hafenstrategie eine größere finanzielle Unterstützung des Bundes hätten erkennen können. Ich mache meinen Job gern, aber ich verzweifele manchmal daran, dass die Bundesregierung die Bedeutung der Häfen für die gesamte Bundesrepublik und für alle anderen Bundesländer nicht so richtig zur Kenntnis nimmt.

Wie erklären Sie sich, dass der Bund aus Ihrer Sicht zu wenig auf die Häfen schaut?

Wir stehen uns generell bei den großen Transformationsprozessen mit unserem Föderalismus im Weg. Die Haushaltslage im Bund ist angespannt. Wir erleben bei vielen Projekten, dass der Finanzierungsanteil der Länder immer höher wird. Die Bundesregierung möchte die schwarze Null einhalten, wälzt die Kosten auf die Länder ab und ist nicht bereit, mehr zu geben. Und wir merken bei den Hafenlasten, dass sich Bundesländer wie Bayern querstellen und die Hafenfinanzierung dem Norden überlassen. So kommt es zu einem föderalen Klein-Klein.

Wünschen Sie sich vom Bund eine Art Moderation?

Der Bund ist zuständig. Die Seehafenfinanzierung ist im Grundgesetz geregelt. Die Länder tragen die Hafenlasten, der Bund zahlt nur die 38,3 Millionen Euro für alle fünf Bundesländer an Nord- und Ostsee. Da bräuchte man eine Grundgesetzänderung oder eine einfachgesetzliche Änderung, der die Bundesländer zustimmen müssen. Dass das Bundeskabinett im März erstmalig eine Nationale Hafenstrategie beschlossen hat und klar gesagt wird: „Die Häfen sind eine nationale Aufgabe“, ist ein Fortschritt. Der Bund muss aber mehr betonen, dass alle anderen Länder auch von den funktionierenden Seehäfen abhängen. Da könnte durchaus mehr kommen, denn für mich bedeutet nationale Aufgabe auch nationale Verantwortung, und zwar auch beim Geld.

Sehen Sie Bewegung bei den Nichtanrainerstaaten?

Nein, sehe ich nicht. Vor zwei Jahren sind wir optimistischer gestartet. Damals war ich noch Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Wir waren heilfroh, dass die nationale Hafenstrategie kommen sollte. Zu Anfang hofften wir, dass die Seehafenfinanzierung angepasst wird. Wir fordern einen Hafenlastenausgleich in Höhe von 400 Millionen Euro. Die Summe orientiert sich an den Baupreissteigerungen. Wenn man die vor Jahren schon eingepreist hätte, wären wir heute weiter.

Die Fronten sind verhärtet. Welche Lösung sehen Sie?

Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat gesagt, dass er für einzelne Hafenprojekte, die für die Energiewende von besonderer Bedeutung sind, mit den Ländern über eine Projektfinanzierung sprechen möchte. Für den Hafen Cuxhaven hat das Land Niedersachsen Mittel aus dem Förderprogramm „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GWR) zur Verfügung gestellt. Das Bundeswirtschaftsministerium muss diese Mittel aber auch erhöhen können, das ist noch nicht gesichert. Auch für das Bundesverkehrsministerium haben die Staatssekretärinnen Susanne Henckel und Daniela Kluckert signalisiert, über Projektfinanzierung reden zu wollen. Die Hafenanlagen sind teilweise 70 Jahre alt. Und die Ertüchtigung ist sehr teuer.

Um welche Projekte handelt es sich?

Wir haben in Bremerhaven eine Drehbrücke, die vor ein paar Jahren zusammengebrochen ist. Außerdem müssen die Kajen CT1 bis CT3 im Containerterminal, einem der Top 10 in ganz Europa, saniert werden. Das sind Hafenprojekte, die die Versorgung Deutschlands sichern. Darüber sprechen wir mit dem Verkehrsministerium, über die Frage Energyport dann gegebenenfalls mit dem Wirtschaftsministerium. Wir haben jetzt auch Maßnahmen im Kaiserhafen zur Unterstützung des Konverterplattformbaus geplant. Diese sind notwendig für den Aufbau von Offshore-Windenergieanlagen. Das finanzieren wir mit Landesmitteln. Und wir werden natürlich auch für die Drehbrücke oder den CTB Mittel des Landes finden müssen.

Wie teuer ist die Drehbrücke?

Sie wird um die 160 Millionen Euro kosten. Für die Kajensanierung werden wir mindestens einen sehr hohen dreistelligen Millionenbetrag benötigen. Wir werden dafür Mittel im Haushalt bereitstellen müssen. Aber wir können diese hohen Summen nicht alleine tragen. Selbst das reiche Hamburg könnte das nicht stemmen.

Woran liegt es, dass nun allenthalben die Infrastruktur sanierungsbedürftig ist?

Infrastruktur, und noch dazu die in den Häfen, ist teuer. Aufgrund ihrer Lage am Wasser wirkt unaufhaltsam auch die Korrosion. Hafenbauwerke halten zwar lange, aber eben nicht unbegrenzt, und sie müssen immer wieder erneuert werden. 2004 wurde vereinbart, dass die Länder die Kosten für die Häfen tragen. Das funktioniert nicht. Bremen hat schon immer eine Haushaltsnotlage gehabt.

Hätte man das nicht schon vorher merken können? Jetzt ist richtig Druck auf dem Kessel.

Ja. Ich kann Ihnen die Frage aber nicht beantworten. Vor 20 Jahren war ich Rechtsanwaltsfachangestellte und noch nicht in der Politik. Wir erleben gerade einen Förderalismuswettbewerb. Der Bund spart auf Kosten der Länder. Ob das für uns gut ist, wenn gleichzeitig in anderen Ländern der Welt massiv investiert wird – da habe ich meine Zweifel. Wir geraten in einen großen Wettbewerbsnachteil. In einer Niedrigzinsphase hat die Republik einen Investitionsstau aufgebaut. Und nun befinden wir uns zudem in einem riesigen Transformationsprozess.

Das war doch mal anders…

Wir hatten den Vorteil, dass wir in Deutschland zuverlässig und pünktlich waren. Für Bremerhaven trifft das im operativen Hafengeschehen immer noch zu, auch wenn Häfen wie Rotterdam oder Antwerpen viel in die Digitalisierung investiert haben. Wir können immer noch flexibel reagieren, wenn das Digitale versagt. Aber unsere Infrastruktur spielt nicht mehr mit.

Halten Sie die Schuldenbremse für richtig?

Ich stelle sie nicht infrage, wenn es um konsumtive Mittel geht, bei den Investitionen schon. Sie bremst die Produktivität. Das führt zu einem Wettbewerbsnachteil. Im Containerterminal brauchen wir nicht nur die Sanierung, sondern auch die Weservertiefung. Denn sonst können die großen Schiffe mit mehr Tiefgang unsere Häfen nicht erreichen. Sie ist für uns eine zwingende Voraussetzung, damit wir auch in die Kaje investieren.

Kristina Vogt

Die Bremer Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation ist seit ihrem Eintritt in die Partei Die Linke in der Bremer Landespolitik aktiv. Bevor sie ihr derzeitiges Amt antrat, war sie Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Seit 2011 bekleidete sie mehrere Ämter, unter anderem war sie Sprecherin für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit, Vorsitzende der Fraktion Die Linke in der Bremischen Bürgerschaft und Sprecherin für Bildung und Inneres. Kristina Vogt wurde am 3. Juni 1965 in Münster geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten.

Die Weservertiefung ist doch auch so ein Dauerbrenner-Thema. Worum geht es da?

Es geht um zwei Projekte, und zwar um die Unter- und um die Außenweser, für die als Bundeswasserstraßen in beiden Fällen der Bund zuständig ist. Beide Projekte sollen im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung realisiert werden. Bremen hat bereits 2002 die Vertiefung der Außenweser beantragt, wobei es bei uns um die verbesserte Erreichbarkeit des Containerhafens geht, der Nummer zwei in Deutschland und das siebtgrößten Terminal Europas. Das Land Niedersachsen hat die Vertiefung der Unterweser zur selben Zeit bis zum Hafen Brake beantragt. Formal sind es zwei getrennte Verfahren. Diese unterliegen einem Klagerisiko. Deshalb legt die zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) hohen Wert auf rechtssichere Planung. Aber es liegen bisher keine Planungsunterlagen vor. Wir hoffen, dass das bald geschieht, damit ein formelles Planfeststellungsverfahren begonnen werden kann.

Wann soll das kommen?

Das ist unklar.

Wie tief und lang soll ausgebaggert werden?

Es geht bei der Außenweser um eine Vertiefung von 1 Meter auf einer Strecke von rund 50 Kilometern. Das würde ermöglichen, dass große Containerschiffe mit 13,50 Meter Tiefgang unabhängig von Ebbe und Flut in Bremerhaven einlaufen können. Bislang ist das ein zähes Verfahren. Niedersachsen hatte für seinen Abschnitt der Unterweser ein beschleunigtes Verfahren beantragt und es nun wieder zurückgezogen. Dort ist politisch nicht so eindeutig, dass es realisiert werden soll. Das Land diskutiert noch mit dem Bauernverband und Umweltverbänden.

Warum ist das wichtig, wenn es sich um zwei voneinander unabhängige Projekte handelt?

Am Ende des Planfeststellungsverfahrens müssen Niedersachsen und Bremen ihr Einvernehmen erklären. Aber da sind wir noch lange nicht, weil das Verfahren noch nicht einmal begonnen hat. Der Bund möchte die Projekte zeitgleich behandeln; in Niedersachsen ist es schwierig, wir möchten vorankommen. Deshalb wollen wir, dass der Bund die Verfahren endlich trennt. Wir kommen ohne die Außenweservertiefung in einen massiven Wettbewerbsnachteil.

Ich möchte noch auf den Logistikstandort Bremen und das Güterverkehrszentrum eingehen. Auch wenn es ein Top-Standort ist, sehen Sie Entwicklungsbedarf?

Das GVZ ist natürlich ein Hotspot für den Nordwesten, weil es trimodal zu erreichen ist. Zusammen mit den Gewerbegebieten Reedeich und Neustädter Hafen ist das schon ein wichtiger Punkt. Das GVZ ist sehr erfolgreich, kommt aber zunehmend an seine Kapazitätsgrenzen. Wir haben inzwischen nicht mehr so viele Erweiterungsflächen, und natürlich sind auch einige Logistikanlagen in die Jahre gekommen. In letztere müssen die Unternehmen investieren. Wir wollen zusätzliche Flächen finden. Dafür ist es für uns unendlich wichtig, dass es endlich den Ringschluss der A281 gibt.

Was ist daran so bedeutend?

Damit könnten wir das GVZ und den Neustädter Hafen mit dem Bremer Industriepark und dem Industriehafen auf der anderen Weserseite vernetzen. Der Beirat des GVZ wünscht sich noch mehr Flächen. Das ist aber schwierig, weil direkt angrenzend an das GVZ ein Naturschutzgebiet und ein Überschwemmungsgebiet liegen. Das geht natürlich nicht. Wir erleben gerade die Hochwasserkatastrophen. Ich bin dennoch immer bereit, für die Logistik zu kämpfen – auch für zusätzliche Flächen.

Warum dauert der Bau der A281 so lange?

Die Autobahn ist gar nicht strittig. Sie wurde nur viel zu oft beklagt, unter anderem wegen Planungsfehlern. Das hat alles schon lange vor meiner Zeit begonnen. Strittig war höchstens ein Teil des konkreten Verlaufs. An einigen Punkten hatte Bremen Abstimmungsprobleme mit Niedersachsen. Man braucht dann den nachbarschaftlichen Interessenausgleich.

Was folgt daraus?

Der Bau hat immer auch Auswirkungen auf die Nachbargemeinden. Man braucht die Zuführung über Bundesstraßen. Darüber muss man sich abstimmen. Das hat alles verzögert.

An welcher Stelle befindet sich jetzt das Projekt?

Die letzte Klage ist vom Tisch. Die Bauarbeiten beginnen gerade. Ich hoffe, dass wir keine Verzögerungen mehr haben.

Wann soll der Ringschluss der A281 fertig sein?

In dieser Legislaturperiode wird es wohl nicht mehr klappen, aber in diesem Jahrzehnt. Wir brauchen den Lückenschluss, weil derzeit der Verkehr komplett durch die Stadt fährt. Das ist eine große Belastung für die Anwohner und ein Risiko für die Logistikunternehmen, wenn sie nicht durchkommen. Wir müssen in Bremen auch unsere Weserbrücken sanieren.

Wie sieht Ihre Vision für den Hafen 2035 aus?

Der ideale Hafen wird natürlich jener sein, der die Wettbewerbsfähigkeit sicherstellt, aber auch die Fragen zur Energie mit einbezieht. Wir reden nicht nur über den Energyport, sondern auch über den Offshore-Windenergieausbau, über Wasserstoffimporte und die Speicherung und den Transport von CO2. Ich würde sagen: Der Hafen 2035 ist modern, digital, automatisiert, möglichst klimaneutral und schöpft sein Wachstumspotenzial aus. Die Seehäfen spielen nicht nur eine wichtige Rolle als Energyhubs. Ohne sie wird es die Energiewende gar nicht geben.

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