Strafzölle statt strategischer Industriepolitik: Es droht ein Desaster

Die Konkurrenz aus China würde den europäischen Autobauern guttun. Antisubventionszölle schwächen diesen Wettbewerbsdruck ab. China wird auf die EU-Handelspolitik reagieren. Dafür steht ein breites Arsenal zur Verfügung. Ein Gastkommentar des Automobilexperten Prof. Werner Olle.

Automobilexperte Prof. Werner Olle vom Chemnitz Automotive Institute. (Foto: CATI)

Die von der EU-Kommission angekündigten Antisubventionsmaßnahmen gegen Importe von E-Autos aus China sind ausschließlich politisch motiviert. Denn die Automobilindustrie und die europäischen Automobilhersteller, die geschützt werden sollen, haben sich explizit gegen diese Zölle ausgesprochen. Das eigentliche Problem besteht darin, dass China einen seit Jahren bekannten Masterplan zur Elektromobilität hat und diesen auch umsetzt. In Europa und in Deutschland ist das nicht der Fall.

Mit dem 2015 verabschiedeten Masterplan ‚Made in China 2025‘ wurden zehn Hightech-Zukunftsbranchen für den Aufstieg Chinas zur Industriemacht ausgewählt, darunter die Branche „New Energy Vehicles“, die technologieoffen aufgestellt ist. Hauptziel war ein Marktanteil chinesischer Hersteller von 80 Prozent auf dem heimischen Markt bis 2025 – und das wird erreicht. Aber das ist nur der erste Schritt. Dem Erfolg auf dem Binnenmarkt folgt die Expansion in ausländische Märkte, zunächst durch Export, dann durch Produktion im Ausland. Diese Strategie haben die westlichen Automobilhersteller selbst über Jahrzehnte erfolgreich praktiziert.

Trendwende wird immer wieder ausgebremst

Demgegenüber hat Europa im Rahmen des „Green Deal“ zwar terminierte Ziele zur schrittweisen Ablösung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren formuliert. Ein Masterplan zur Umsetzung und zur Schaffung der dafür erforderlichen Rahmenbedingungen existiert jedoch bis heute nicht. Mangelnde Technologieoffenheit – anders als in China –, fehlende Kohärenz zwischen dem geforderten Volumen an E-Fahrzeugen und der Ladeinfrastruktur, halbherzige Förderung des Kaufs von E-Fahrzeugen für eine Übergangszeit: All dies sind Hemmschuhe, die die Trendwende zur Elektromobilität immer wieder ausbremsen.

Die Einführung von Ausgleichszöllen auf Importe von E-Autos aus China droht zu einem industriepolitischen Desaster zu werden, das im Ergebnis mehr Arbeitsplätze vernichtet als sichert.

Eines der Haupthindernisse für eine nachhaltige Trendwende zur Elektromobilität in Europa sind die hohen Anschaffungskosten von E-Fahrzeugen. Durch Ausgleichszölle auf chinesische Importe wird die Nachfrage eher noch reduziert, wobei die Marktanteile von E-Autos aus China in Europa und in Deutschland noch verschwindend gering sind.

Den europäischen Herstellern hat der Tesla-Schock gutgetan, um ihre E-Mobilitätsstrategien zu konkretisieren und zu beschleunigen. Auch die Konkurrenz durch chinesische Marken wie BYD, MG oder Nio täte Europas Herstellern – und damit auch den Kunden – gut, da diese Unternehmen in einigen Bereichen über technologische Vorteile verfügen, etwa bei Batterien und Software. Ausgleichszölle schwächen diesen Wettbewerbsdruck ab.

Viele Reaktionsmöglichkeiten

China wird, wie bereits angekündigt, auf diese Handelspolitik der EU reagieren. Dafür steht ein breites Arsenal an Möglichkeiten zur Verfügung. Von Zöllen auf importierte Fahrzeuge aus der EU bis hin zur Verteuerung von Rohstoffen, Materialien und Komponenten aus China, die für die Fertigung von E-Autos in Europa dringend benötigt werden.

Sollten sich die Maßnahmen Chinas auf Zulieferungen für die Produktion von E-Autos erstrecken, wäre das Desaster komplett: erst die abrupte Wende in der Förderpolitik – zumindest in Deutschland –, dann die künstliche Verteuerung von E-Autos. Erinnert sei nur an das Desaster der Förder- und Zollpolitik in der Solarindustrie. (cs)

Autor: Prof. Werner Olle ist Automobilexperte mit langjähriger Branchenerfahrung und Mitbegründer des Chemnitz Automotive Institute (CATI).

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben