Was die Parteien in der Wirtschaftspolitik wollen

Eine Erholung in der deutschen Wirtschaft ist weiterhin nicht in Sicht. Wie geht es weiter? Die Wirtschaftspolitik ist eines der zentralen Themen im Bundestagswahlkampf.

Am Sonntag wählt Deutschland einen neuen Bundestag. (Foto: picture alliance / Joko)

Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaftsleistung von Europas größter Volkswirtschaft das zweite Jahr in Folge. Auch für 2025 Jahr erwartet die Regierung nur ein Mini-Wachstum. Kommt es allerdings zum dritten Rezessionsjahr in Folge, dann wäre dies die längste Wirtschaftsflaute in der bundesdeutschen Geschichte. Ökonomen sehen nicht nur konjunkturelle Probleme, sondern vor allem strukturelle Schwierigkeiten in Deutschland.

Insgesamt sind die geopolitischen Herausforderungen groß, was die Unsicherheit bei Unternehmen und Verbrauchern noch erhöht. US-Präsident Donald Trump etwa droht nach Stahl und Aluminium ab April auch mit Zöllen von rund 25 Prozent auf importierte Autos. Ähnliche Maßnahmen plant er in der Chip- und Pharmabranche. Nicht nur die stark von Ausfuhren abhängige deutsche Industrie warnt vor einem Handelskonflikt.

Die Wirtschaft fürchtet eine Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen und hofft auf Deeskalation. Denn in den USA könnten Produkte aus Deutschland teurer werden, Marktanteile verloren gehen und weitere Produktionsverlagerungen in die USA folgen, warnen Wirtschaftsverbände. In Deutschland stehen damit viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die neue Bundesregierung muss sich daher rasch auf EU-Ebene über ein gemeinsames Vorgehen der Europäer abstimmen. Das betrifft auch die Frage, wie steigende Militärausgaben finanziert werden sollen.

Was also tun? Die SPD mit Kanzler und Kanzlerkandidat Olaf Scholz verspricht einen „neuen Aufschwung“, die Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) ein „neues Wohlstandsversprechen“. Bei der AfD heißt es: „Zeit für Wohlstand“. Die Grünen wollen Zukunftsblockaden lösen, die FDP Wohlstand und Aufstiegschancen für die Zukunft schaffen.

Die Parteien unterscheiden sich aber in ihren Lösungsvorschlägen: Während Union und FDP sich vor allem für milliardenschwere, breite Steuerentlastungen einsetzen, legen SPD und Grüne einen Fokus auf einen milliardenschweren, kreditfinanzierten „Deutschlandfonds“, um Investitionen zu mobilisieren. Die SPD will einen „Made in Germany“-Bonus, mit dem der Staat Unternehmen bei Investitionen in Maschinen oder Fahrzeuge zehn Prozent der Kosten abnehmen soll, auch die Grünen sind für eine Investitionsprämie.

Hohe Energiekosten

Seit langem beklagen vor allem energieintensive Unternehmen im internationalen Vergleich höhere Energiekosten – das gehe zulasten der Wettbewerbsfähigkeit und senke den Spielraum für Investitionen. Beim Strom sei für viele Unternehmen das Preisniveau noch höher als vor der Energiekrise 2022 nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, ergab eine Untersuchung der Denkfabrik Agora Energiewende.

Laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) sind die Gaspreise bis zu siebenmal und die Strompreise bis zu fünfmal so hoch wie an konkurrierenden Standorten anderer Länder. Die Folge: Immer mehr Unternehmen überlegten, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, wo Energie günstiger ist.

Die Energiekosten müssen runter: Dieses Ziel findet sich in allen Wahlprogrammen – von Union, SPD, Grünen, FDP, AfD und BSW. „Der Strom muss für alle schnell und spürbar günstiger werden“, heißt es zum Beispiel bei der Union. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört vor allem, dass die Netzentgelte sowie die Stromsteuer gesenkt werden sollen - das würde auch Entlastungen für private Haushalte bedeuten.

Kommen Steuersenkungen?

Union und FDP wollen die Unternehmenssteuerbelastung auf maximal 25 Prozent senken und den Rest-Soli abschaffen. CDU und CSU wollen zudem bei der Einkommensteuer vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen entlasten. Auch die FDP fordert, dass viele mehr Netto vom Brutto bekommen, die SPD will ebenfalls Entlastungen für Gering- und Normalverdiener bei der Einkommensteuer. Wie die Grünen will die SPD Superreiche stärker belasten.

Steuerliche Maßnahmen würden mehrere Milliarden kosten. Eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft ergab: Setze die Union ihre Vorschläge um, entlaste das Bürger und Unternehmen insgesamt um knapp 90 Milliarden Euro. Bei der Gegenfinanzierung aber gebe es ein großes Fragezeichen. Die Union setzt auf mehr Wirtschaftswachstum und damit ein Steuerplus.

Die von FDP, CDU/CSU und AfD vorgeschlagenen Steuersenkungen kämen vor allem Menschen mit höherem Einkommen zugute – SPD, Grüne, Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) würden besonders untere und mittlere Einkommen entlasten, wie aus Berechnungen des Mannheimer Leibniz-Instituts für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hervorgeht.

Umstritten: Die Schuldenbremse

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht neue Schulden nur in einem begrenzten Umfang vor. Die SPD macht sich dafür stark, die Schuldenregel so zu reformieren, dass Investitionen in die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und in den Wohlstand nicht behindert werden.

Eine Reform wollen auch die Grünen. Der Investitionsstau liege im dreistelligen Milliardenbereich, heißt es im Wahlprogramm mit Blick etwa auf marode Straßen und Brücken. Die Schuldenbremse verhindere Investitionen und andere Maßnahmen, um die stagnierende Volkswirtschaft wieder anzukurbeln.

Für eine Reform der Schuldenbremse ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erforderlich. Die Union will laut Wahlprogramm an der Schuldenbremse festhalten – allerdings gibt es auch in der Union Stimmen für eine Reform. Auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zeigte sich zuletzt zumindest kompromissbereit. Die FDP will an der Schuldenbremse festhalten, das war ein Hauptgrund für das Scheitern der Ampel.

Weniger Bürokratie haben sich alle Parteien auf die Fahne geschrieben. Im Visier haben Union und FDP etwa das Lieferkettengesetz, das die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in weltweiten Lieferketten garantieren soll. Der DGB dagegen sieht das Gesetz als Meilenstein für den Schutz von Arbeitnehmerrechten, es müsse aber praktikabler gestaltet werden.

Höherer Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn liegt derzeit bei 12,82 Euro pro Stunde. Zu wenig, finden SPD, Grüne und das BSW – sie wollen einen Mindestlohn von 15 Euro. Union und FDP sagen: Lohnfindung müsse weiterhin Sache der Sozialpartner sein und nicht der Politik. (dpa/cs)

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben