„Wir müssen den Leuten reinen Wein einschenken“
DVZ: Herr Eisenkopf, welche Bilanz ziehen Sie nach drei Jahren Ampelregierung?
Alexander Eisenkopf: Ich sehe Licht und Schatten.
Welche positiven Entwicklungen sehen Sie zum Beispiel bei der Bahn?
Das Verkehrsministerium hat sich mehr mit der Eisenbahninfrastruktur beschäftigt und Mittel bereitgestellt, um die notwendige Sanierung des Netzes vorzunehmen. Das Bundesschienenwegeausbaugesetz gehört auch dazu. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat allerdings versäumt zu überlegen, wie das Bahnsystem künftig aussehen soll.
Was hätte er tun müssen?
Sie brauchen einen Plan. Es geht um die Frage, wie das System in 10 oder 15 Jahren aussehen soll. Die Situation beispielsweise bei DB Cargo widerspricht jeglichen Grundsätzen verantwortungsvoller Unternehmensführung. Wenn ich das schleifen lasse, habe ich als Eigentümer komplett versagt. Außerdem hat man die DB InfraGo mit großem Tamtam und Millionen von Beraterhonoraren gegründet. Und was ist dabei herausgekommen? Die Struktur unterscheidet sich nur in einem Punkt: Bahnhöfe gehören jetzt zum Netz. Die großen Baustellen hat man nicht angepackt.
Welche wären das?
Die Reform, die 1994 begonnen wurde, endete in einer Sackgasse. Die Bahn ist aktuell kein Instrument, das man sinnvoll in Richtung einer Verkehrswende einsetzen kann. Es ist schön und sicherlich dringend notwendig, wenn Korridorsanierungen finanziert werden. Das allein reicht aber nicht, um die Bahn so aufzustellen, wie sie in Zukunft gebraucht wird.
Würde die Trennung von Netz und Betrieb zur Zukunftsfähigkeit beitragen?
Ich bin überzeugt, dass das ein sinnvoller Ansatz ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Infrastruktur weiterhin staatliche Zuwendungen benötigen wird. Die Unternehmen auf dem Schienennetz sind nicht in der Lage, ihre Wegekosten zu decken. Im Schienengüterverkehr ist die Deckung sogar gleich null. Man muss den Leuten reinen Wein einschenken. Wenn ich ein Bahnsystem aus Klimaschutzgründen oder aus sozialen Gründen haben will, dann muss der Staat die Infrastruktur finanzieren. Das lässt sich sinnvoll nur im getrennten Modell machen.
Hätte Wissing eine echte Reform anstoßen können?
Ja, natürlich. Das ist allerdings ein Projekt für zwei Legislaturperioden. Aber man muss ja mal starten. Ich zitiere immer gerne meinen Doktorvater Gerd Aberle, seinerzeit Mitglied der Regierungskommission Bahnstrukturreform. Der sagte gerne, die Bahn sei ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse. Jeder mache, was er will. Es braucht einen langen Atem, solche dysfunktionalen Anreizstrukturen zu überwinden.
Zum Straßengüterverkehr: Hat die Ampelregierung dort etwas Positives geleistet?
Ja, Planungsbeschleunigung für Infrastrukturvorhaben. Und beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektro-Pkw und -Lkw hat die Ampel zumindest einige Schritte unternommen.
Und wo sehen Sie hier einen Schatten?
Ich wundere mich, dass sich die Lobbyisten des Straßengüterverkehrs so ruhig verhalten. Dabei sind sie sauer – zu Recht, wie ich finde –, weil sie die Schiene über die Lkw-Mautmittel mitfinanzieren und gleichzeitig die Förderung elektrischer Lkw beendet wurde. Wissing hätte den Finanzierungskreislauf Straße nicht aufheben sollen. Gleichzeitig führt er eine CO2-Maut mit dem Höchstsatz von 200 Euro pro Tonne CO2 ein. Für mich ist die Maut ohnehin eine Zeitbombe. Das Verfahren über zu viel gezahlte Maut für die Verkehrspolizei ist immer noch nicht abgeschlossen. Außerdem laufen weitere Musterklagen wegen rechtswidrig erhobener Maut. Wenn die Kläger auch nur teilweise Recht bekommen, können auf den Staat Milliarden an Erstattung zukommen.
Was hätten Sie sich gewünscht?
Die Regierung hätte mit den Mindestsätzen anfangen und diese dann langsam anheben können. Die Straßengüterverkehrsbranche zahlt auch noch den CO2-Preis im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes, und der Verkehr wird ab 2027 Teil des europäischen Emissionshandels. Es muss eine Regelung gefunden werden, damit die Unternehmen nicht doppelt belastet werden. Ich hätte mir darüber hinaus gewünscht, dass die Flottengrenzwerte für Lkw nicht so restriktiv ausfallen. Die FDP steht für Technologieoffenheit und wollte auch mehr mit synthetischen Kraftstoffen erreichen. Auch HVO100 ist jetzt als Kraftstoff zugelassen. Doch was Wissing gemacht hat, war mehr eine Showveranstaltung.
Inwiefern?
Die E-Fuels-only-Klausel bei den Flottengrenzwerten für Pkw, die er in letzter Minute noch hineinverhandelt hat, wird völlig belanglos bleiben. Bei den Lkw-Grenzwerten frage ich mich, wie das faktisch umgesetzt werden soll.
Finanzierung ist ein großes Thema. Was halten Sie von einem Investitionsfonds für die Verkehrsinfrastruktur?
Gegenfrage: Welches Problem löst ein solcher Fonds? Im Moment kann der Bundeshaushalt keine überjährigen Verpflichtungen darstellen. Das könnte man aber auch anders lösen.
Wie?
Indem man die Bundeshaushaltsordnung ändert. Derzeit haben Unternehmen keine Planungssicherheit, weil alles vom Haushalt abhängt. Ich will den Fonds nicht verdammen, die Schweiz hat auch einen. Ich halte es aber für problematisch, dass gleich privates Kapital akquiriert werden soll.
Warum?
Private wollen – übrigens völlig berechtigt– Gewinne aus dem eingesetzten Kapital schöpfen. Und das Modell ist nicht risikofest. Geraten Projekte in eine Schieflage, wie zum Beispiel während der Finanzkrise von 2009, ist der Staat am Ende doch gefordert. Ich kann mich für die sogenannte Goldene Regel erwärmen. Danach darf der Staat so viele Schulden machen, wie er investiert. Das ist derzeit aber kein Thema. Wenn wir alles finanzieren wollen – Verteidigung, soziale Sicherung, Renten, Infrastruktur –, dann geht das an den Geldbeutel von uns allen. Das muss man den Leuten ehrlich sagen.
Uns alle betrifft auch der Klimaschutz. War die Ampel hier erfolgreich?
Nein, denn wir haben heute eine viel zu kleinteilige Klimapolitik mit Flottengrenzwerten, dem Energieeffizienzgesetz und sonstigen Maßnahmen. Der Straßengüterverkehr fährt 70 Prozent der Transporte. Keine Autobahnen mehr zu bauen, ist falsch. Die Kollateralschäden einer Politik, die sagt, „Klimaschutz über alles“, sind immens. Ich wünsche mir eine Politik, die das alles realistischer sieht. Die neue Regierung sollte sich auf den Emissionshandel konzentrieren. Er offenbart die tatsächlichen Kosten. Meine Position ist politisch nicht mehrheitsfähig. Aber das ist mir egal, ich halte sie trotzdem für richtig.