Wirtschaft drängt auf handlungsfähige Regierung
Nach dem Zusammenbruch der Regierungskoalition drängt die Opposition auf schnelle Neuwahlen. Es gehe nicht an, „irgendwelche Ampel-Projekte, die nicht mal in der Ampel eine Mehrheit haben, künstlich durchzuwinken“, sagte Söder in der ARD-Sendung „Maischberger“. Merz bekräftigte in einem ARD-„Brennpunkt“, vor einer Vertrauensfrage werde die Union mit Scholz' Minderheitsregierung nicht über gemeinsame Beschlüsse sprechen. „Wir werden uns hier vom Bundeskanzler nicht vorführen lassen. Wir lassen uns auch nicht für das Versagen dieser Regierung in die Mitverantwortung nehmen.“
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Mittwoch angekündigt, erst am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Geht es nach Union und AfD müsste Scholz den Weg für Neuwahlen eigentlich schon in der kommenden Woche freimachen. Am Mittwoch plant der Kanzler eine Regierungserklärung im Bundestag.
BGL: Gutes Zeichen, dass Wissing bleibt
Die Transportwirtschaft wünscht sich ebenfalls schnelle Entscheidungen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) zeigt sich vom „abrupten Ende der Ampelregierung“ überrascht. BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt betonte gegenüber der DVZ: „Wichtig ist, dass das politische Berlin handlungsfähig bleibt.“ Deshalb sei Volker Wissings Ankündigung, Bundesverkehrsminister zu bleiben, ein gutes Zeichen. „Er ist für uns ein verlässlicher Ansprechpartner, mit dem wir konstruktiv zusammenarbeiten“, so Engelhardt weiter.
Jetzt seien Stabilität und Verlässlichkeit gefragt, die durch eine lange Hängepartie bis zur Auflösung der Ampel infrage geraten seien. „Wir brauchen mutige Entscheidungen zur Entlastung und Stärkung der Wirtschaft. Dazu gehören für uns eine echte Bürokratiebremse, eine Fachkräftewende, realistisch umsetzbare Klimaschutzmaßnahmen sowie eine Wiedereinführung des Finanzierungskreislaufs Straße“, forderte der BGL-Chef. Aktuell seien Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur besonders dringend, um Straßen erhalten, Brücken sanieren und das E-Ladenetz ausbauen zu können. Durch Wissings Verbleib im Amt hoffe der Verband bei den laufenden Haushaltsverhandlungen auf Kontinuität im Verkehrsbereich.
Angesichts der Wahl des Republikaners Donald Trump zum neuen US-Präsidenten betont Engelhardt, dass die künftige Kommunikationsstrategie der Bundesregierung gegenüber den USA berücksichtigen solle, dass diese mit großem Abstand vor Frankreich, den Niederlanden und China der größte deutsche Exportpartner seien. „Ein Handelskrieg dürfte nachvollziehbarerweise zu sinkenden Transportvolumina führen, was naturgemäß nicht im Interesse unserer Mitgliedsunternehmen sein kann“, unterstreicht der Vorstandssprecher des Verbands.
Güterbahnen fordern Lösung für Haushaltsprobleme
Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands „Die Güterbahnen“ forderte den designierten Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) zur Prüfung auf, ob durch einen Nachtragshaushalt Ziele im Bereich Eisenbahn gesichert und Finanzprobleme durch einen fehlenden Haushalt 2025 abgewendet werden können. „Die Finanzierung zugesagter und eingeplanter Mittel darf nicht in Gefahr geraten. Gibt es keinen Haushalt oder Nachtragshaushalt, könnte die gesamte Branche von Unterbrechungen bei fest eingeplanten Förderungen hart getroffen werden“, erklärte Westenberger. Die Entwicklung der Bahninfrastruktur könne um Jahre zurückgeworfen werden. Ein „monatelanger Stillstand, aus dem jahrelange Narben entstehen“ müsse vermieden werden. „Die überwiegend mittelständische Güterbahnen-Branche könnte dabei unter die Räder kommen“, warnte Westenberger.
DIHK fordert wachstumsfördernde Reformen
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hofft auf eine möglichst kurze Übergangsphase bis zur Bildung einer „handlungsfähigen Regierung“ mit einer Mehrheit im Parlament. „Nichts braucht unsere Wirtschaft derzeit mehr als das Vertrauen in einen wirtschaftspolitischen Kurs, der die Bedingungen für Investitionen und Wachstum endlich wieder verbessert“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Die Energiekosten müssten gesenkt, Steuern investitionsfreundlich gestaltet, Auflagen und vielfältige Berichtspflichten müssten gestrichen, Planungs- und Genehmigungsverfahren schnell vereinfacht werden. „Denn nur mit Wachstum können wir dauerhaft entsprechende Staatsausgaben finanzieren“, erklärte Adrian. „Das gilt für die innere und äußere Sicherheit ebenso wie für unsere Sozialsysteme sowie einen ambitionierten Klimaschutz.“
VDA wünscht sich starke deutsche Stimme in Europa
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) findet es richtig, dass die Koalitionäre ihre Konsequenzen aus dem schwindenden Zusammenhalt in der Ampel gezogen haben. „National, europäisch und international konnten wichtige Interessen Deutschlands nicht mehr ausreichend durchgesetzt werden“, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Jetzt müsse so rasch wie möglich neu gewählt werden. „Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, der Wahlsieg von Donald Trump, eine neue Europäische Kommission, offene Handelsfragen mit China und der nicht wettbewerbsfähige Zustand des Wirtschaftsstandorts Deutschland erfordern schnellstmöglich eine maximal handlungsfähige und entschlossene Bundesregierung“, sagte Müller. „Eine starke deutsche Stimme in Europa ist ebenso zwingend notwendig – auch hier war Berlin zuletzt alles andere als ein führender Akteur.“
DSLV mahnt Deutschlandpakt an
„Durch den Ampel-Bruch steht nicht nur der Nachtragshaushalt 2024 auf dem Spiel. Wenn sich im Bundestag keine Mehrheiten finden, könnte auch der Bundeshaushalt 2025 nur als vorläufiger Etat geführt werden, das heißt, die Aussichten auf eine langfristige Finanzierung von Infrastrukturprojekten sind akut gefährdet“, kommentiert Frank Huster, Hauptgeschäftführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik das politische Geschehen in Berlin. Sein Festhalten am Amt könne Volker Wissing einerseits als Pflichterfüllung ausgelegt werden, andererseits sei offen, ob er ohne den Rückhalt der FDP überhaupt noch finanzielle Mittel und Entlastungsmaßnahmen für den Logistiksektor im Bundeskabinett durchsetzen könne. Mehr denn je bedürfe es jetzt eines echten Deutschlandpakts, damit die Verkehrsinfrastruktur und damit der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht endgültig kollabieren.
Sorgen um die Finanzierung der Infrastruktur macht sich auch Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums (DVF). „Die angekündigten zusätzlichen Zukunftsinvestitionen im Nachtragshaushalt 2024 und im Bundeshaushalt 2025 werden dringend benötigt“, so Eck. Die Vertreter der Bundespolitik stehen seiner Ansicht nach in der Verantwortung und in der Pflicht, im Sinne eines Investitionspaktes gemeinsam eine Lösung zu finden, wie diese Mittel verbindlich fließen können. Die Unsicherheit bei Schlüsselinvestitionen könne sich Deutschland angesichts der globalen Situation schlichtweg nicht leisten. „Die Situation zeigt auch, dass die Finanzierungsstrukturen dringend reformiert werden müssen, an planungssicheren Finanzierungsvereinbarungen und Fonds führt kein Weg vorbei“, fordert Eck. Das werde dann eine der ersten Aufgaben in der neuen Legislaturperiode sein.
„Das Aus der Ampel-Koalition bietet eine Chance, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand in Deutschland substanziell zu verbessern“, sagt Marten Bosselmann, Vorsitzender des Bundesverbandes Paket- und Expresslogistik (BPEX). Aktuell stünden viele Unternehmen vor enormen Herausforderungen: Steigende Energie- und Personalkosten, wachsende Finanzierungshürden, eine stetig wachsende Bürokratielast sowie zusätzliche Berichtspflichten bremsten die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die Konsumfreude in Deutschland, wie sich am Paketversand als Indikator deutlich zeige.
BME fordert stabile und entschlossene Wirtschaftspolitik
Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) fordert die Politik auf, die Handlungsfähigkeit schnell wiederherzustellen. Nach dem Ampel-Aus solle die neue Regierung ihren Fokus auf eine stabile und entschlossene Wirtschaftspolitik richten. Nach zwei Jahren Rezession kämpften die Unternehmen mit hoher Bürokratie, hoher Steuerlast und hohen Energiekosten. „Hinzu kommen mögliche Handelshemmnisse, die zu Störungen in der Lieferkette führen können – eine toxische Mischung für export- und importorientierte Betriebe“, heißt es in einem Statement. Der BME betont darin die Rolle der USA als Deutschlands wichtigster Wirtschafts- und Verteidigungspartner. „Die Unternehmen müssen schon jetzt einkalkulieren, dass der Wettbewerbsdruck danach weiter wachsen wird. Hierfür muss der Standort Deutschland wieder an Stärke gewinnen, damit er seiner Rolle in einem starken Europa gerecht werden kann.“ (fh/loe/sl/cs)