Wissing: „Wir wissen genau, was wir wollen“
Beim Schienengipfel am vergangenen Freitag erlebte die Verkehrsbranche viele Optimisten und einen fast euphorischen Bundesminister Volker Wissing (FDP). „Wir wissen genau, was wir wollen“, sagte er bei seiner Auftaktrede in Frankfurt/Main und gab die Reihenfolge für die Sanierung von 40 Hochleistungskorridoren bekannt. Mit dem ersten Korridor, der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, beginnt die DB Netz im Herbst 2024. Die Kosten für das Pilotprojekt bezifferte Bertold Huber, DB-Infrastrukturvorstand, auf rund 600 Millionen Euro, inklusive der Bahnhöfe sollen es 900 Millionen werden.
„Mit der neuen gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft werden wir den Sanierungsprozess transparent machen und genau kontrollieren“, sagte Wissing. Sie werde planmäßig zum 1. Januar 2024 an den Start gehen.
Schiene soll leistungsfähiger werden
Ziel der Generalsanierung ist es, die Schiene leistungsfähiger zu machen. „Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind bei einem Tiefpunkt angelangt“, sagte Wissing und fügte hinzu, dass er sich nicht lange mit den Versäumnissen aufhalten will. „Wir brauchen mehr Infrastruktur als andere, weil wir viel effizienter sein müssen. Wir sind ein Land mit großen Herausforderungen. Wir brauchen die Effizienz und die Logistik und die Mobilität, um einerseits Hochlohnland mit einem engen sozialen Netz sein zu können und andererseits international auf den großen Märkten wettbewerbsfähig zu sein“, betonte er. Die Menschen wollten wissen, wie es weitergeht und was passiert.
Dafür nimmt der Bund in den kommenden Jahren viel Geld in die Hand. Für die Sanierung der 40 Korridore sollen bis 2027 knapp 40 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. 11,5 Milliarden Euro aus dem Verkehrsetat, der sich teilweise aus der CO₂-Maut speist. Aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen laut Wissing nochmals 12,5 Milliarden Euro hinzu. Die DB will 3 Milliarden aus Eigenmitteln einbringen. Außerdem beantragt das Bundesverkehrsministerium bei der EU-Kommission derzeit eine Eigenkapitalerhöhung für die DB in Höhe von 12 Milliarden Euro.
BDI fordert Finanzierungssicherheit
Uta Maria Pfeiffer, Abteilungsleiterin Mobilität und Logistik beim Industrieverband BDI, bat den Minister und die Bahn während einer Paneldiskussion zu den Anforderungen an Finanzierungshochlauf, Hochleistungskorridore und Bahnhöfe: „Bitte stellen Sie sicher, dass das Geld langfristig zur Verfügung steht.“ Der Bundeshaushalt 2024 spiegele nicht wider, dass das Geld gesichert ist. Diesem Appell schloss sich die Bauwirtschaft an. „Wir müssen wissen, wann die Projekte in welchem Umfang kommen“, sagte der Präsident des Bauindustrieverbandes, Peter Hübner.
Der Bund müsse die Rahmenbedingungen bei den Ausschreibungen für die Riedbahn so attraktiv gestalten, dass sich viele Unternehmen daran beteiligen. So sei sichergestellt, dass jeder investierte Euro den größten Nutzen bringe. „Wir müssen uns gegenseitig vertrauen und Partnerschaftsverträge schließen“, fügte Hübner hinzu. Das durchzusetzen, sei jedoch eine „ganz harte Nummer“.
Henckel: „Aus Fehlern lernen“
„Wir müssen jetzt beweisen, dass wir mit den vielen Mitteln etwas bewirken können“, hob Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP), hervor. Die Riedbahn, da sind sich die Verkehrsexperten einig, ist eine Art Lakmustest. Verkehrsstaatssekretärin Susanne Henckel sagte, dass „wir aus den Fehlern 2024 lernen können, um es 2025 besser zu machen“. Der Bund sei bereit, die Mittel zu verstetigen.
„Die mittelständischen Bauunternehmen fühlen sich sauwohl“, brach es aus Präsidenten, Martin Steinbrecher, heraus. „Wir haben eine gesellschaftliche Aufgabe zu erledigen“, fügte er hinzu. Damit das gelinge, müsse man unter anderem eine Art Kümmerer haben, der die Arbeiten begleite und sich auch mal „zwischen die Fronten der Ministerien“ stelle. Die Bauunternehmen investierten mit der nötigen Planungssicherheit und der Finanzierung in Maschinen und Personal.
Zusammenarbeit und Dialog waren häufig verwendete Begriffe während des zweieinhalbstündigen Schienengipfels mit zwei Paneldiskussionen. Trotz der großen Harmonie und Freude über die bisher erreichten Ziele machten die Teilnehmer einige kritische Anmerkungen. BDI-Verkehrsexpertin Pfeiffer warnte, dass das Ziel von 25 Prozent Marktanteil im Schienengüterverkehr bis 2030 nicht zu halten sei, wenn der Zugang zum Schienennetz über Gleisanschlüsse nicht gewährleistet werde.
Tipps aus der Branche
Martin Henke, Geschäftsführer Eisenbahnverkehr beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), merkte an, dass im Rahmen der Generalsanierung große Transportaufträge für 2026 heute vergeben werden müssten. Und Birgit Millius, Präsidentin des Verbandes Deutscher Eisenbahn-Ingenieure, sagte, dass es nicht genügend Ingenieure gebe. Ein Weg für Verbesserungen sei, ein Bewusstsein in der Bevölkerung geschaffen werde, dass es in der Bahnindustrie und bei der Deutschen Bahn sehr attraktive Aufgaben gebe.
In der Branche fand sich wenig Verständnis dafür, dass der Schienengipfel recht kurzfristig und ausgerechnet parallel zur Maritimen Konferenz in Bremen organisiert wurde. Auch die Größe und Zahl der Teilnehmer entsprach laut Beobachtern nicht der Bedeutung des Events. Gerne sähe man auch die Präsenz des Bundeskanzlers.