Wohin bei der Antriebswende?

Lkw-Hersteller fahren zweigleisig und entwickeln sowohl E-Lkw als auch Wasserstoff-Lkw. Das Votum eines Teils der Wirtschaftsweisen, auf Tankinfrastruktur für H2-Lkw zu verzichten, lehnen sie ab.

Ein Antriebssystem in einem wasserstoffbetriebenen Lkw: Ob dies eine wichtige Alternative oder eine Sackgasse ist, ist noch nicht klar. (Foto: dpa/Marijan Murat)

Das Interesse der Fahrzeughersteller an E-Lkw ist ungebrochen hoch“, sagte Sascha Pfeifer, Leiter Transportpolitik beim Verband der Automobilindustrie (VDA) der DVZ. Welche Technologie das Rennen mache, sei offen. „Die deutsche Automobilindustrie treibt die Entwicklung alternativ betriebener Lkw und Busse weiter entschlossen mit Innovationen und Investitionen voran. Sie setzt dabei auf den Wettbewerb der Technologien – batterieelektrische Antriebe sowie solche mit Wasserstoff werden in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Hinzu kommen erneuerbare Kraftstoffe, die schwere Nutzfahrzeuge im Bestand defossilisieren können“, so Pfeifer.

Differenzen über den richtigen Technologiepfad wurden in der vergangenen Woche deutlich, als die fünf Wirtschaftsweisen ihr Frühjahrsgutachten inklusive eines Kapitels zum Güterverkehr veröffentlichten. Vier von ihnen plädieren dafür, sich auf Ladeinfrastruktur für E-Lkw zu konzentrieren, und raten davon ab, in den Aufbau von Tankinfrastruktur für Wasserstoff zu investieren. Das sei ein Risiko und könnte sich später als Fehlinvestition herausstellen.

Die Fünfte, Veronika Grimm, Professorin an der Technischen Universität Nürnberg, argumentiert hingegen, dass Deutschland bei Wasserstoff die meisten Patente besitze und technologisch führend sei. „Wir brauchen langfristig beide Technologien oder sogar mehr“, sagte Grimm. „Wir sollten den Markt nicht den USA oder China überlassen.“

Die Abkehr von Wasserstoff hält auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, für fatal. „Es wäre ein folgenreicher Fehler, auf dem Weg in die klimaneutrale Mobilität eine Technologie vorab politisch auszuschließen“, sagte sie.

Unterschiedliche Signale der Hersteller

Simon Brück, Leiter Umwelt, Klima- und Energiepolitik beim DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, sieht indes ein schwindendes Interesse an der E-Mobilität. Der Daimler-Truck-Mutterkonzern Mercedes-Benz hat kürzlich seine E-Auto-Modellplattform eingestellt. Mietwagenunternehmen wie Sixt, Europe Car und Hertz stoßen ihre Elektrofahrzeuge ab. Bei Volkswagen brechen die Verkaufszahlen ein.

Auf der anderen Seite beobachtet Brück bei den Herstellern einen Trend zu Wasserstoff-Lkw. Daimler Truck will von Mitte 2024 an fünf Brennstoffzellen-Fahrzeuge testen, MAN entwickele eine Kleinstserie für 2025, und auch Volvo will sich nicht nur auf E-Lkw, sondern auch auf Brennstoffzellen-Fahrzeuge konzentrieren.

Sicher ist Pfeifer zufolge, dass die Hersteller Diesel-Lkw mit den gesetzten CO₂-Grenzwerten schrittweise aus dem Portfolio nehmen werden. Derzeit gilt, dass die CO₂-Emissionen für neu zugelassene Fahrzeuge ab 2025 um 15 Prozent niedriger sein müssen als in den Vergleichsjahren 2019 und 2020. Ab 2030 gelten dann 43 Prozent. „Die Branche geht in allen Bereichen voran: Technisch werden gerade alle Potenziale – auch jenseits des Antriebs – gehoben. Zum Beispiel lassen sich bei Lkw-Anhängern durch Leichtbau, geringeren Rollwiderstand und bessere Aerodynamik die CO₂-Emissionen des gesamten Gespanns nachhaltig reduzieren“, erklärt Pfeifer.

Mehr Ladeinfrastruktur notwendig

Entscheidend für den erfolgreichen Hochlauf der E-Mobilität im Bereich der Nutzfahrzeuge sei weiterhin die entsprechend ausgebaute Ladeinfrastruktur. Und dabei gehe es vor allem auch um die Kapazitäten und die Leistungsfähigkeit der Stromnetze. Spediteure, die auf eine elektrische Flotte umsteigen wollen, hörten viel zu oft, dass es Jahre dauern werde, bis man die entsprechenden Netzkapazitäten zur Verfügung stellen könne. Das hemmt den Hochlauf natürlich. Aktuell gebe es keine Elektrolade- und Wasserstoffbetankungsinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge – und das gilt leider für ganz Europa.

Pfeifer sieht die Kaufbereitschaft der Kunden, also der Transportunternehmen und Speditionen, als einen herausfordernden Aspekt. In der hart umkämpften Branche gehe es bei jedem Kilometer um jeden Cent. Nach dem Wegfall der Förderung für klimafreundliche Nutzfahrzeuge sieht der DSLV die Preise für E-Lkw sinken. Die Hersteller hätten zuvor wohl eine größere Handelsspanne eingepreist, vermutet DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Der E-Actros600, das neueste Modell des Fahrzeugherstellers Mercedes-Benz Trucks, soll nach DVZ-Informationen rund 250.000 Euro kosten, immerhin noch das Anderthalbfache eines Diesel-Lkw.

Die Wirtschaftlichkeit von E-Lkw ist häufig noch nicht gegeben. Wer lange Standzeiten habe oder Umwege fahren müsse, um sein Fahrzeug aufzuladen oder mit Wasserstoff zu betanken, der könne wirtschaftlich nicht bestehen, so Pfeifer. „Solange es keine flächendeckende und leistungsstarke Elektrolade- und Wasserstofftankinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge in ganz Europa gibt, wird sich CO₂-freier Schwerlastverkehr nicht durchsetzen können“, ist sich der VDA-Experte sicher.

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