Versandverpackung: Mehrweg statt Müll

Die Händler Tchibo, Otto und Avocadostore haben Mehrwegtüten getestet – und ziehen ein positives Fazit. Doch noch gibt es einige Hürden für den größeren Einsatz.

Tchibo-Projektmanagerin Sina-Maria Schoenlein mit der Mehrwegversandtasche aus dem Test. (Foto: Tchibo)

Der Verpackungsmüll ist seit jeher ein Problem des E-Commerce. Wie wäre es also mit einem Mehrwegsystem? Das haben sich Otto, Tchibo und Avocadostore gefragt. Die drei Händler haben im vergangenen Jahr im Projekt Praxpack faltbare Mehrwegversandtaschen des finnischen Start-ups Repack getestet.

„Der Pilottest ist extrem positiv verlaufen, und wir haben nicht mit dieser sehr guten Kundenresonanz gerechnet“, sagt Benjamin Köhler, Leiter des Nachhaltigkeitsteams bei Otto. „Das Projekt war auch für uns sehr erfolgreich und ist bei Kunden sowie in der Öffentlichkeit sehr gut angekommen“, bestätigt Sina-Maria Schoenlein, Projektmanagerin Logistik bei Tchibo. Und auch beim Marktplatz Avocadostore haben die Kunden großes Interesse gezeigt.

Tchibo hat 81 Prozent der 7.500 Mehrwegtüten zurückbekommen. Die meisten davon per Briefpost. „Das ist eine sehr gute Quote“, sagt Schoenlein. Bei Otto lag die Rücksendequote der 4.859 versendeten Tüten bei 74 Prozent. Kunden sollten für die Rückgabe die Hermes-Paketshops nutzen. Bei Avocadostore kamen 78 Prozent der 1.451 Repack-Taschen zurück. Allerdings sind in diesen Quoten auch die Retouren enthalten. Wie hoch der Anteil daran war, hat keiner der drei Testhändler ausgewertet. Bei Avocadostore haben darüber hinaus 38 Prozent der Onlineshopper sogar den optionalen Mehrwegaufpreis von 3,95 Euro bezahlt.

Doch auch die Kunden der anderen Händler würden ein Pfand hinterlegen oder sich an den Mehrkosten beteiligen, wie Befragungen ergeben haben. „Wir müssen erreichen, dass der Kunde die Tüte auf jeden Fall schnell zurückschickt, und entscheiden, welches System sinnvoller ist“, sagt Schoenlein. Ein Pfandsystem bedeutet mehr Aufwand. Ein Aufpreis beziehungsweise dem Kunden das Material in Rechnung zu stellen, sofern er es nicht binnen einer festgelegten Frist zurücksendet, wäre einfacher.

Bis zu 20 Mal verwendbar

Die Versandtüte besteht aus recyceltem robusten Polypropylen-Material (Standardkunststoff) und kann bis zu 20 Mal verwendet werden. Die Tasche verfüge über eine gute Schutzwirkung. „Selbst wenn die Verpackung mal nass wird, bleibt die Ware trocken“, sagt Köhler. Und zum Teil ist die Ware ohne weitere Umverpackung zum Kunden gelangt.

In der Testphase hat sich Repack um die Aufarbeitung der Versandtaschen gekümmert, da das Unternehmen bereits über ein funktionierendes Logistiksystem verfügt. Manko aus Sicht der Kunden: Die Tüten werden in Tallinn (Estland) gereinigt. Die dadurch entstehenden Transporte und Logistikkosten sorgten bei Umfragen für einige Irritation. „Es lässt sich schwer vermitteln, dass das ökologisch sein soll, obwohl es das im Vergleich zu einer Einweglösung definitiv ist“, versichert Köhler. „Die Ökobilanz wird mit jedem Umlauf sogar noch besser, zudem erfolgte der Transport zum Reinigen stets gebündelt.“

Noch seien Otto und Tchibo nicht in der Lage, ein Mehrwegsystem einzuführen – und das liege nicht allein an den höheren Kosten für die Verpackung. Erst müsse der Bestellprozess IT-seitig mehrwegfähig gemacht werden. Kunden sollen zunächst auswählen können, ob sie ihre Ware in einer Mehrwegverpackung haben möchten. Es sei zudem zu prüfen, welche Waren überhaupt für die Versandtüten geeignet sind. Lagerstandorte müssen so umgebaut werden, dass zurückkommende Verpackungen gereinigt, aufbereitet und gelagert werden können. „Und wir müssen den Kunden die Vorteile deutlich kommunizieren, damit wir eine höhere Rücklaufquote als die erreichten 74 Prozent schaffen“, ergänzt Karla Jabben, die beim Test bei Otto federführend involviert war.

Die Akteure der Händler sind sich auch darin einig, dass es einen Standard braucht. „Wir müssen uns dabei das Pfandautomatensystem aus den Supermärkten zum Vorbild nehmen“, sagt Köhler. Und es müsse auch möglich sein, dass die Kunden auf verschiedenen Wegen die Verpackung von Otto auch an Tchibo oder andere Onlinehändler zurücksenden können. „Langfristig muss der Onlineversand mit Mehrweg natürlich günstiger werden“, ergänzt Schoenlein.

Memo nutzt Mehrwegbox

Dass Mehrweg im E-Commerce möglich ist, beweist die Firma Memo, die ihre Erfahrungen im Praxpack-Projekt eingebracht hat. Der Versandhändler setzt seit zwölf Jahren eigene Mehrwegboxen in drei Größen ein. Derzeit sind circa 20.000 davon im Umlauf. Rund ein Viertel aller Waren verschickt Memo damit, jährlich etwa 65.000 Sendungen. „Fast alle Boxen kommen zurück“, sagt Memo-Chef Frank Schmähling. Wer die Box nicht zurücksendet, bekommt nach 14 Tagen eine Rechnung. Fällig werden je nach Größe zwischen 19 und 31 Euro.

Über DPD oder DHL kommen die Boxen zurück. Sie werden im Wareneingang in Augenschein genommen. Da in der Regel Büromaterialien versendet werden, ist das Reinigen nicht jedes Mal erforderlich. „Sind die Boxen nicht mehr sauber zu bekommen, nehmen wir sie aus dem Kreislauf“, sagt Schmähling. Viele Waren lassen sich unverpackt in der Box verschicken. Vorteil: Der Kunde kann das Verpackungsmaterial und auch leere Druckerpatronen oder alte CDs mit der Box an Memo zurücksenden. Den Aufwand und die Mehrkosten nimmt der Händler der Umwelt zuliebe in Kauf. (cs)

Verpackungstrends

Der Dienstleister Arvato Supply Chain Solutions hat die Verpackungstrends im Textil-Onlinehandel untersucht. Ein Großteil der Fashion-Unternehmen setzt beim Versand auf Tüten, da sie in den Briefkasten zugestellt werden können und im Vergleich zu Kartons günstiger sind. Der Studie zufolge dienen Verpackungen aber nicht nur dem Schutz der Ware beim Versand, sondern auch der Kundenansprache und Markenbildung. Viele Unternehmen branden ihre Verpackungen mit Logos oder Slogans und platzieren Social Media Icons. Daneben muss Verpackung auch Convenience bieten, also das Öffnen erleichtern etwa mithilfe von Perforation. Da die Retourenquote im Textilbereich sehr hoch ist und um Kunden die Abwicklung zu erleichtern, sollte sie außerdem leicht wiederzuverschließen sein und das Retourenlabel enthalten. Und natürlich steht auch die Nachhaltigkeit der Verpackung im Fokus der Händler. Durch die Umstellung auf den Tütenversand können Onlineplayer der Studie zufolge das Paketvolumen um 20 bis 24 Prozent reduzieren und es entsteht insgesamt weniger Verpackungsmüll. Häufig sind die Tüten aus recyceltem Material. Es gilt immer, Prozesse und Kosten im Blick zu halten. Mehrwegverpackung kommen den Studienergebnissen zufolge bislang nicht zum Einsatz.

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