Pappe ist das neue Holz
Slave-Paletten kommen seit Jahren erfolgreich beim Transport von Containern und Paletten, sogenannten Unit Load Devices (ULD), in der Luftfracht zum Einsatz. Sie sind mit ein paar Reihen an Rollen ausgestattet, auf die die ULDs geschoben werden. Das macht die Verladung schwerer Luftfrachtgüter schneller und flexibler. Um die Ware mit Netzen sichern zu können, sind seitlich Haken angebracht. Damit die Haken zugänglich bleiben, werden beim Ladungsaufbau von ULDs bislang Holzbalken als Unterbau verwendet. Obwohl die Balken zusätzliches Gewicht beim Transport per Luftfracht verursachen, gibt es keine Alternative. Bis jetzt.
Das deutsche Unternehmen Trilatec mit Sitz im saarländischen Merzig hat Unterbohlmaterial (Balken) aus einem Kartonfaserverbundstoff entwickelt. Das Squair-timber genannte Produkt besteht laut Unternehmensangaben ausschließlich aus nachhaltigen Rohstoffen, ist wesentlich leichter als Holz, aber ebenso tragkräftig und robust wie herkömmliche Balken. Ersetzt man also die Holzbalken durch Squair-timber spart das pro ULD 100 bis 120 kg. „Da reden wir von 250 bis 500 EUR pro ULD“, erläutert Trilatec-Geschäftsführer Andreas Langemann. Hochgerechnet auf den klassischen Frachter, eine Boing 747, ergibt das rund 4 t. „Man kann demnach eine ULD komplett umsonst mitnehmen“, betont er.
Kufen sind belastbar und robust
Grundlage für die große Druck-, Stoß- und Zugfestigkeit des Materials sei die Herstellung nach dem Carbon-Prinzip. Dabei wird das Material unter Druck mit Leimverbindungen zusammenlaminiert – es entsteht ein carbonartiger Stoff, der enorm belastbar und widerstandsfähig ist. „Deswegen ist das Material auch wasserbeständig und kann genauso oft wie Holz benutzt werden“, fügt Langemann hinzu. Gleichzeitig sei das Material zu 100 Prozent recyclingfähig und lasse sich nach mehrfacher Nutzung über das Altpapier entsorgen. Entsorgungskosten wie etwa für Holz entstehen damit keine.
„Eine große Airline hat Squair-timber getestet und mit 5,8 t aufgebaut“, sagt er. Das ULD stand zu Testzwecken monatelange draußen, war Wind und Wetter ausgesetzt und sah danach genauso aus wie vorher. „Selbst ohne Schutzfolie könnte unser Produkt im Wasser stehen und würde nicht kaputtgehen“, fügt er hinzu. Die Squair-timber-Balken sind in allen Wunschgrößen erhältlich und lassen sich individuell bedrucken, etwa mit dem Namen der Airline. Flächig belastet trägt ein Meter des neuen Materials bis zu 5 t mit einem Eigengewicht von nur 1,2 kg/m. Bei Holz liegt das Eigengewicht bei 3 bis 4 kg/m.
Cargolux ist erster Nutzer
DB Schenker beispielweise hat sich aus sechs Längs- und zwei Querbalken Gitterkonstruktionen gebaut. Dieses feststehende Gitter wird bis zum Gebrauch zwischengelagert. Da die Konstruktion so leicht ist, kann der Mitarbeiter sie mit zwei Händen tragen und braucht keinen Gabelstapler mehr. „Durch die vorbereiteten Gitterkonstruktionen spart sich Schenker pro ULD-Aufbau rund 15 Minuten Zeit und natürlich jede Menge Gewicht“, erläutert Langemann.
Die luxemburgische Luftfrachtgesellschaft Cargolux nutzt die Squair-timber-Kufen von der ersten Stunde an und verzeichnete schon im ersten Jahr eine Gewichtseinsparung von 1.200 t. Das bedeutet, dass das Unternehmen allein dadurch einen deutlichen Millionen-Euro-Betrag an Kosten einspart. Vor dem Hintergrund, dass ein Kilo in der Luftfracht zwischen 2 und 4 EUR wert ist, ist das eine beträchtliche Summe. Das eingesparte Gewicht könnte Cargolux zusätzlich in seine Flugzeuge laden oder eben als Treibstoffeinsparung verbuchen.
Weiterer Vorteil der Squair-timber-Balken: Sie lassen sich leicht bedrucken, etwa mit der Anweisung, dass sie nach Frankfurt zurückgesendet werden sollen. Dadurch können sie immer wieder genutzt werden. Das gilt auch für als Gitterkonstruktionen verklebte Kufen. Das funktioniert laut Langemann auch gut. Holzbalken zurückzubekommen, sei eher schwierig. Diese werden zwar am Zielflughafen gelagert, verschwinden aber häufig, weil jemand sie als Baumaterial gebrauchen kann. Größtes Plus des Kartonverbundstoffes: Beim Entsorgen bekommt man pro Tonne sogar einen dreistelligen Geldbetrag ausgezahlt.
„Natürlich kann man aus unserem Produkt auch Europaletten fertigen“, sagt Langemann. Eine Palette besteht aus der Squair-timber-Deckplatte und den Squair-timber-Kufen. Die Deckplatte hat eine Tragkraft von standardmäßig bis zu 800 kg, in der sogenannten Heavy-duty-Ausführung bis zu 1.200 kg. Werden die Kufen einzeln beispielsweise als Kantholzersatz genutzt, haben sie eine Tragkraft von bis zu 10.000 kg. Zur Nutzung als Palettenkufe sind sie wahlweise mit selbstklebender Hotmelt-Beschichtung erhältlich, einer speziellen Beschichtungstechnik. Eine Palette besteht aus neun Kufen und einer Wabenplatte. Durch die Eigenmontage von Deckplatte und Kufen sind die Paletten sofort verfügbar. Je nach Bedarf können sie auch auf Reserve montiert werden. „Vorrangig haben wir Squair-timber aber als Unterbohlmaterial für die Luftfracht entwickelt und so wird es derzeit vor allem auch genutzt“, erläutert er.
Kooperation mit Jettainer
Das auf Luftfracht und Logistik spezialisierte Unternehmen Trilatec hat nun die Freigabe für sein Produkt von 24 Airlines. Seit kurzem vermarktet es Squair-timber zudem gemeinsam mit Jettainer, einem Tochterunternehmen der Lufthansa Cargo, die derzeit rund 90.000 ULD für 26 Airlines an 450 Flughäfen überall auf der Welt managt. Die Palettenlösung Squair-timber ergänze das Lademittel-Portfolio von Jettainer, Trilatec profitiere von den Kontakten der Lufthansa-Tochter zu den weltweit tätigen Airlines. Die Produktion der Kufen ist in Ginsheim-Gustavsburg angesiedelt. „Wir haben uns bewusst für einen Standort in der Nähe des Frankfurter Flughafens, also nahe am Kunden entschieden, um die Transportkosten möglichst gering zu halten“, sagt Geschäftsführer Langemann.
Wir reden von 250 bis 500 EUR Einsparung pro Ladeeinheit.
Andreas Langemann, Geschäftsführer Trilatec
Die Vorteile
- 80 Prozent leichter als Holz
- 125 kg Gewichtsersparnis/ULD
- 15 Minuten Zeitersparnis/ULD durch Vormontage
- 10.000 kg statische Traglast
- 1,2 kg/m Eigengewicht
- aus Kartonfaserverbundstoff nach Art der Carbon-Herstellung gefertigt
- aus 100 Prozent recyceltem Material und 100 Prozent recycelbar
- mehrfach nutzbar, wasserbeständig
- Made in Germany