Pro und Kontra zur Cosco-Beteiligung an HHLA-Terminal
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PRO: Kommt der Deal nicht zustande, droht ein signifikanter Ladungsverlust
Als die HHLA im Sommer 2021 zunächst über den geplanten Einstieg von Cosco Shipping Ports beim Terminal Tollerort und schließlich im September vergangenen Jahres über die Einigung bezüglich einer „strategischen Minderheitsbeteiligung“ berichtete, war dies ein Vorgang, der in der Hafenwirtschaft weitgehende Normalität ist. Und es war ein Geschäft, welches in Summe recht positiv aufgenommen wurde. Ein Jahr später und nach der Zäsur des russischen Einmarsches in der Ukraine kann davon keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Dieses kleinste der Hamburger Terminals wird von einigen zu einer Art letzter Bastion gegen die vermeintlich einfallenden chinesischen Horden gemacht. Dies ist eine Umkehr der Fakten und vor allem parteipolitischen Interessen geschuldet.
Um es noch einmal klarzustellen: Es geht nicht um eine Beteiligung von Cosco an der HHLA, geschweige denn eine Übernahme des ganzen Hafens durch die Chinesen, wie so häufig zu lesen ist. Es geht um eine – voraussichtlich – 24,9-prozentige Beteiligung am Terminal Tollerort, an dem schon seit Jahrzehnten Cosco-Schiffe abgefertigt werden. Der Tollerort würde damit zu einem „Preferred Hub“ – ein Konstrukt, das es schon im Hamburger Hafen, vor allem aber auch in vielen Wettbewerbshäfen in der Nordrange gibt – übrigens auch mit Beteiligungen von Cosco. Der geplante Einstieg ist damit auch eine notwendige Anpassung an das veränderte Marktumfeld, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass Linienreedereien generell deutlich stärker auf „eigene Terminals“ setzen als früher. Das mag man bedauern, es ist aber Realität.
Viel zu wenig wird in der aktuellen Debatte denn auch das Risiko eines Neins zu dem geplanten Einstieg thematisiert. Dieses besteht darin, dass Hamburg künftig dann nicht ein präferierter Anlaufhafen für Cosco in Europa ist, sondern das Unternehmen stattdessen Ladung abzieht. Der ohnehin unter Druck stehende Elbe-Hafen würde damit erheblich weiter geschwächt.
Dabei ist es nicht falsch, die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China zu reduzieren. Falsch ist aber die Einschätzung, dies gelinge über ein einzelnes Veto, wie es manch einer offenbar aktuell glaubt. Sich breiter aufzustellen, ist vielmehr ein gradueller Prozess, der danach verlangt, neue Beschaffungs- und Absatzmärkte zu entwickeln. Bestehende Geschäftsbeziehungen im klassischen Warenverkehr zu gefährden, ist hingegen kontraproduktiv.
Daher muss der geplante Deal zwischen HHLA und Cosco wieder als das betrachtet werden, was er unter dem Strich ist: ein sinnvolles Geschäft zwischen zwei Unternehmen – welches folglich auch genehmigt werden sollte.
KONTRA: Zuverlässigkeit wird immer wichtiger – aber China ist kein verlässlicher Partner
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat gerade seine Alleinherrschaft zementiert. Ein Ende ist nicht mehr absehbar. Aber es gibt noch viele andere Gründe der jüngeren Vergangenheit, die belegen, dass China kein verlässlicher Partner ist, zumindest aus Sicht von Ländern mit einem demokratischen Grundverständnis.
Da wären das harte Durchgreifen bei den Protesten in Hongkong, die strikte Null-Covid-Politik, die fehlende klare Positionierung gegen Russlands Angriffskrieg oder die Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren. Und über allem schwebt eine mögliche Invasion in Taiwan, die massive Folgen für die globalen Lieferketten und die Beziehungen mit dem Westen hätte. Hier nicht zu vergessen: die Handelssanktionen gegen das EU-Mitglied Litauen wegen eines Streits um eine Taiwan-Repräsentanz.
Nun war China noch nie wirklich ein verlässlicher Partner. Doch bis zum 24. Februar 2022 ging es für Europa und allen voran Deutschland vor allem darum, möglichst viele lukrative Geschäfte zu machen. Die Geopolitik wurde mehr oder weniger ausgeblendet.
Doch die Zeiten haben sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine geändert. Zuverlässige Lieferketten sowie geopolitische Einflüsse werden immer wichtiger. Europa wird sich laut Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Claudia Major künftig wahrscheinlich in einer permanenten Auseinandersetzung mit Russland und auch mit China befinden. Längst machen Begriffe wie Friendshoring die Runde.
Das Prinzip „Wandel durch Handel“ hat weder mit Russland noch mit China funktioniert – ganz im Gegenteil: Chinas Kontrolle hat längst auch die globalen Lieferketten erreicht, unter anderem mit zahlreichen Beteiligungen an europäischen Hafenterminals, also an strategisch wichtigen Punkten. Über allem steht letztlich das politische Ziel, langfristig den globalen Führungsanspruch durchzusetzen.
Dieses Streben nach immer mehr globalem Einfluss eines autokratisch regierten Landes wie China muss dringend auf ein Minimum begrenzt werden. Die USA haben bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt. Europa und vor allem Deutschland werden sich damit schwerer tun, aber nachziehen müssen. Die Risiken einseitiger Abhängigkeiten von China oder einer ökonomischen Erpressung durch China gilt es einzudämmen, auch wenn dadurch zunächst wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden müssen. Langfristig ergeben sich mit Sicherheit neue Chancen.
Die Macht Chinas als Deutschlands wichtigster Handelspartner ist schon beängstigend groß geworden. Allein deshalb wäre der nun offenbar geplante Kompromiss, der noch eine Cosco-Beteiligung von 24,9 Prozent am HHLA Container Terminal Tollerort vorsieht, besser als 35 Prozent. Aber es sind immer noch 24,9 Prozentpunkte zu viel.