Es wird mächtig eng auf dem Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt hat den Kipppunkt fast erreicht: 50 Prozent der Unternehmen in Deutschland haben laut dem Ifo Institut große Schwierigkeiten, neue Mitarbeiter zu finden. Und bei den Azubis sieht es genauso schlecht aus. Wenn Logistikdienstleister nicht noch mehr ins Hintertreffen geraten wollen, müssen sie sich jetzt einiges einfallen lassen. Dabei dürfen sie die wichtige Lohnfrage nicht mehr außen vor lassen - weder bei Fahrern, noch Gewerblichen, noch kaufmännischen Angestellten.
Fehler der Vergangenheit
Dass gerade der Entlohnungsaspekt in Deutschland eine wichtige Rolle spielt, ist nicht erst seit gestern bekannt. Doch in der Vergangenheit hat der Wettbewerb um die Kunden aus der verladenden Wirtschaft oft genug dazu geführt, dass Transportunternehmen zu nicht auskömmlichen Preisen unterwegs waren und demzufolge auch nur miserabel zahlen konnten.
Das aber funktionierte nur so lange, wie ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung standen oder einheimisches Personal durch Menschen aus EU-Ländern ersetzt werden konnte. Diese Zeiten sind jetzt endgültig passé. Auch in Polen, Ungarn, Litauen und anderen Staaten werden mittlerweile Mitarbeiter händeringend gesucht und mit deutlich besseren Löhnen gelockt.
Einen spannenden Ansatz, zumindest für den Azubi-Nachwuchs attraktiver zu werden, verfolgt Jürgen Greiwing, Chef des gleichnamigen Lkw-Unternehmens: Er hat entschieden, den drei besten Azubis eines Abschlussjahrgangs künftig nicht nur Urkunden, sondern auch Schecks zu überreichen. Prämien während der Ausbildung bekommen die Nachwuchslogistiker sowieso – bei entsprechenden Leistungen.
Spricht sich das Ganze herum, wird das Unternehmen auch in den kommenden Jahren weniger Probleme haben, Ausbildungsplätze zu besetzen, als der lokale Wettbewerb. Nur muss sich Greiwing dann darauf einstellen, dass irgendwann die „Kopfgeldjäger“ vor seiner Tür lauern, um die jungen Talente abzuwerben.
Vielleicht aber macht das Beispiel Schule, und auch andere Transportunternehmer widmen ihre „Fangprämien“ entsprechend um. Das würde die Branche zumindest im Kampf um den dringend benötigten Nachwuchs stärken.
Doch das ist nur ein Aspekt von mehreren. Sicherlich gibt es auch andere Möglichkeiten für die Branche, sich zeitgemäßer aufzustellen. Zum Beispiel indem man die Arbeitsbedingungen verbessert. Das würde den bereits Beschäftigten eine gewisse Erleichterung bringen und vielleicht verhindern, dass sie in andere Branche abwandern.
Für potenzielle Interessenten ist das allerdings nur mittelbar entscheidend. Viel mehr zählt, dass der Beruf auch angesichts der stark steigenden Lebenshaltungskosten noch ein gutes Auskommen ermöglicht. Womit wir wieder bei der Lohnfrage wären: Nicht von ungefähr fordern zum Beispiel die Hafenlogistiker 14 Prozent mehr Lohn.
Das ist natürlich ein gewaltiger Brocken, den es für die Unternehmer zu schlucken gilt. Aber letztlich muss auch der Logistikmarkt dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgen: Sind die Transportkapazitäten – auch aufgrund von Personalmangel – knapp, werden Auftraggeber durchaus bereit sein, über höhere Preise nachzudenken, wenn sich keine andere Möglichkeit bietet, die Waren verlässlich ausliefern zu können.
Halbherzige Arbeitsmigration
Gibt es dazu eine Alternative? Kurzfristig wohl kaum, denn auch wenn das Thema Arbeitsmigration – also die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus Drittländern – immer wieder mal diskutiert wird, so werden die Ansätze eher halbherzig verfolgt. Schließlich ist der Aufwand, fremdsprachige Menschen in ein Unternehmen zu integrieren, enorm. Allein die Sprachbarriere ist schon schwer genug zu überwinden, unter dem Niveau B2 geht da kaum etwas. Und hier auf die Welthandels- und Logistiksprache Englisch auszuweichen, scheint für viele kaum denkbar. Vielleicht muss die Not am Arbeitsmarkt noch größer werden.