Lkw-Maut: Viele verpasste Chancen
Paket versus Trippelschritte – das waren die Enden der beiden Argumentationsstränge in der vergangenen Woche, als der Verkehrsausschuss zu einer Anhörung über die anstehende Lkw-Mautanpassung geladen hatte. Ein Paket wünschen sich jene, die die Mautanpassung für Luft und Lärm, den CO2-Aufschlag und die Maut für Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen gern später und dann in einem Rutsch gehabt hätten.
Doch das ist ausgeschlossen. Denn die EU-Eurovignetten-Richtlinie gibt die Schritte vor, angefangen mit dem 1. Januar 2023. Dann zahlen Lkw für Lärmbelastung und Luftverschmutzung mehr, für die Infrastruktur weniger. Handelt der Bund jetzt nicht, erwartet er Klagen für zu viel gezahlte Maut. Im Laufe des Jahres 2023 folgen die beiden anderen Mautanpassungen.
Die Regierung kommt mit der novellierten Mautgesetzgebung sehr spät an den Start. Zugrunde liegen der Diskussion die Themen Klimaschutz und Straßeninfrastruktur. Beide stehen schon lange auf der Agenda, nicht erst bei der Ampel, sondern schon zuvor bei Schwarz-Rot. Geschehen ist herzlich wenig. Die Emissionen steigen Jahr um Jahr, die Klimaziele hat der Verkehrssektor 2022 abermals gerissen. Zugleich fehlen für Erhalt, Aus- und Neubau die Mittel.
Die Mauterhebung in Deutschland ist eine Aneinanderreihung verpasster Chancen. Das gilt für Lkw und Pkw. Die Forderungen nach einer Maut ab 3,5 Tonnen stehen schon seit Jahren im Raum. Immer wieder hieß es, Handwerker und Kleinunternehmer müssten geschont werden. Dabei nutzen auch sie die mautpflichtigen Autobahnen und Bundesstraßen. Eine Differenzierung nach Euroklassen wäre sinnvoll, um bei den leichteren Lkw ein Umsteigen auf alternative Antriebe anzustoßen.
Auch an einen CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut, den die Ampelkoalition im kommenden Jahr einführen will, hätte sich die Vorgängerregierung schon machen können. Der Staat kassiert seit dem 1. Januar 2021 einen CO2-Preis. Anfangs waren es 25 Euro je Tonne, in diesem Jahr sind es 30 Euro. Eine Maut und der CO2-Preis wären für die Branche zu viel. Das Ministerium laboriert deshalb an einem sogenannten Kompensationsmechanismus herum. Wie er aussehen soll, ist auch nach Jahren nicht klar.
Ebenso eine verpasste Chance ist die Pkw-Maut. Der größte Fehler vom ehemaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) war, die Einführung der Pkw-Maut abzublasen, als Brüssel sein Veto gegen das Konstrukt – Maut gegen Streichung der Kfz-Steuer für Inländer – einlegte. Statt jahrelanger Rechtsstreits und möglicherweise nur geringer Mauteinnahmen wäre heute in den Köpfen der Autofahrer verankert, dass die Abnutzung von Straßen kostet. Vor dem Hintergrund immenser Schulden für Hilfspakete zählt jeder Cent, um die Infrastruktur fit zu halten.
Ob eine flächendeckende und hohe Maut zu mehr Verlagerung führt, ist fraglich. Die Bahnlobby wünscht es sich, der Schiene fehlen derzeit aber Kapazität und Personal. Bis sie fit ist, vergehen Jahre. Da hilft auch nicht die Forderung, den sogenannten Finanzierungskreislauf Straße aus dem Mautgesetz zu streichen. Damit ist der Staat verpflichtet, die Mautmittel wieder in die Straßeninfrastruktur zu stecken. Die Ampelkoalition will dieses Prinzip allerdings aufbrechen, schrieb sie in ihrem Koalitionsvertrag. Im Gesetzentwurf ist der Passus bisher noch nicht enthalten.
Bei aller Kritik an der schrittweisen Mautanpassung sind aber auch die Lkw-Unternehmer selbst gefragt. Warum nehmen sie sich nicht ein Beispiel an der Seeschifffahrt? Sie gibt schon heute schwankende Kostenpositionen weiter, die sie nicht selbst beeinflussen kann. Treibstoff-, Währungs- oder Stauzuschläge sind lange etabliert.
Auch im Straßengüterverkehr ist der Dieselfloater bereits etabliert. Für die Maut könnten Transportvereinbarungen einen Automatismus enthalten, der nicht bei jeder Mautänderung Nachverhandlungen erfordert. Die Binnenschiffer erheben einen Kleinwasserzuschlag, der KV-Anbieter Transfracht verlangt einen Trucking-Zuschlag wegen der hohen Treibstoffpreise. Dieses Prinzip kann auch bei der Maut funktionieren.