Niedersachsens Häfen auf der Suche nach Fachkräften
Fachkräfte fehlen vielerorts. Auch in Niedersachsens Seehäfen sind Stellen frei. Von einem Fachkräftemangel wollen dort aber nicht alle sprechen. Und Ideen zum Werben und Halten von Beschäftigten gibt es auch.
Der Fachkräftemangel in der Logistikbranche mache vor der Hafenwirtschaft nicht halt, erklärt der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). Für die Firmen sei es „deutlich herausfordernder“ geworden, freie Arbeits- und Ausbildungsplätze zu besetzen, so Torben Seebold, Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses des ZDS. Er führt die Lage auf Veränderungen am Arbeitsmarkt, auf die demografische Entwicklung in den Belegschaften und auf die technologische Transformation zurück.
Auch Holger Banik bestätigt einen Fachkräftemangel. Besonders schwer seien Ingenieure und Nautiker zu bekommen, stellt der Geschäftsführer von Niedersachsen Ports (NPorts) fest. Ein Grund sei, dass der landeseigene Hafenbetreiber nach Tarifvertrag der Länder vergüte. Das sei „zwar eine zuverlässige, allerdings nicht die attraktivste Bezahlung“, räumt er ein. Davon abgesehen sei die Fachkräftelage je nach Standort von NPorts unterschiedlich, etwa in Oldenburg besser als in Wilhelmshaven. Insgesamt sieht Banik die niedersächsischen Standorte im Wettbewerb mit Hamburg und Bremen.
„In den niedersächsischen Seehäfen ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Fachkräftemangel bekannt“, erklärt hingegen Carina Menkens von Verdi. Diese Situation sei unter anderem durch die wirtschaftliche Lage bedingt, die wiederum die Inflation und der Krieg in Europa beeinflussten, erklärt die Gewerkschaftssekretärin.
Welche Jobs bietet der Hafen?
Manuela Drews, Geschäftsführerin des Terminalbetreibers und Logistikdienstleisters J. Müller Weser aus Brake, will nicht von einem „Fachkräftemangel“ reden, doch von einer „Herausforderung“. Früher seien auf Stellenausschreibungen im Hafen „waschkörbeweise Bewerbungen“ erfolgt, das sei heute anders, erklärt Drews, die bis 2020 Chefin des Eurogate Container Terminals in Bremerhaven war. Zum Beispiel werde für das im August beginnende Ausbildungsjahr teils noch im Juli eingestellt. Und um einen IT-Systementwickler zu finden, habe J. Müller Weser sogar einen Headhunter beauftragt. Manch andere Stelle werde aber nur infolge von Mundpropaganda oder schon nach einer Woche besetzt, so Drews. Allein vergangenes Jahr habe die Firma knapp 100 Beschäftigte eingestellt, vor allem um einen neuen Liniendienst abfertigen zu können.
Hafenunternehmen sind wie andere Arbeitgeber auf sozialen Netzwerken aktiv. J. Müller Weser lässt beispielsweise Azubis in Youtube-Filmen ihre Arbeit vorstellen. Tatsächlich müssen Fachkräfte erst einmal erfahren, wo sie gebraucht werden. „Die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen selbst an den großen niedersächsischen Hafenstandorten wie Emden, Wilhelmshaven, Stade oder Cuxhaven häufig schlicht nicht wissen, welche Jobs es in den Häfen überhaupt gibt“, stellt Christian Budde vom Wirtschaftsministerium in Hannover fest. Erst dann können Maßnahmen greifen, um Kandidaten anzulocken und Beschäftigte zu halten.
Abwechslungsreiche Aufgaben
Banik spricht unter anderem von Elternzeit-Modellen, Kurzzeit-Sabbatical und Weiterbildungs-Möglichkeiten; Drews nennt etwa gemeinsame soziale und sportliche Aktivitäten. Beiden ist wichtig, dass Beschäftigte Ideen ins Unternehmen einbringen können und die Möglichkeit haben, im Homeoffice zu arbeiten. Das ist im Hafen natürlich eher im kaufmännischen Bereich und der Verwaltung möglich als in gewerblichen Berufen.
Eine Win-Win-Situation scheint auch die Strategie von J. Müller Weser zu bieten, Mitarbeiter breit zu qualifizieren, so dass sie beispielsweise ebenso Lasten anschlagen könnten wie Radlader oder Stapler fahren. Wenn das gelinge, seien die Leute zufrieden, nicht jeden Tag das Gleiche zu machen. Und das Unternehmen gewinne Flexibilität, argumentiert Geschäftsführerin Drews.
Umgekehrt machen fehlende Fachkräfte sogar den Beschäftigten das Leben schwerer. Der Fachkräftemangel dürfe nicht zur Überlastung der Kollegen führen, sagt NPorts-Chef Banik. Zwar bleibe von den großen Projekten wie beispielsweise dem LNG-Anlieger in Wilhelmshaven „nichts liegen“. Aber kleinere Arbeiten oder Schönheitsreparaturen würden verschoben. Problematisch ist für Banik, dass Wissen nicht weitergegeben wird, wenn ein Beschäftigter das Unternehmen verlässt, bevor der Nachfolger gefunden ist.
Stichwort Finden: Manuela Drews wünscht sich, dass Betriebe, Verbände, Politik und Schulen an einem Strang ziehen, um Menschen einen Einstieg in die Arbeit im Hafen zu erleichtern. Denn sie ist überzeugt, dass es noch „schlummernde Ressourcen“ für Fachkräfte gibt: „Wie kriegen wir diese Ressourcen geweckt?“ (alb)