Niedersachsens Häfen auf der Suche nach Fachkräften

Die Akteure spüren den Fachkräftemangel und werben mit attraktiven Bedingungen und flexiblen Einsatzmöglichkeiten um Personal.

Begehrter Nachwuchs:
die angehende Bauingenieurin
Lena Claus in Cuxhaven. (Foto: Phillipp Steiner)

Fachkräfte fehlen vielerorts. Auch in Niedersachsens Seehäfen sind Stellen frei. Von einem Fachkräftemangel wollen dort aber nicht alle sprechen. Und Ideen zum Werben und Halten von Beschäftigten gibt es auch.

Der Fachkräftemangel in der Logistikbranche mache vor der Hafenwirtschaft nicht halt, erklärt der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). Für die Firmen sei es „deutlich herausfordernder“ geworden, freie Arbeits- und Ausbildungsplätze zu besetzen, so Torben Seebold, Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses des ZDS. Er führt die Lage auf Veränderungen am Arbeitsmarkt, auf die demografische Entwicklung in den Belegschaften und auf die technologische Transformation zurück.­­­­­

Auch Holger Banik bestätigt einen Fachkräftemangel. Besonders schwer seien Ingenieure und Nautiker zu bekommen, stellt der Geschäftsführer von Niedersachsen Ports (NPorts) fest. Ein Grund sei, dass der landeseigene Hafenbetreiber nach Tarifvertrag der Länder vergüte. Das sei „zwar eine zuverlässige, allerdings nicht die attraktivste Bezahlung“, räumt er ein. Davon abgesehen sei die Fachkräftelage je nach Standort von NPorts unterschiedlich, etwa in Oldenburg besser als in Wilhelmshaven. Insgesamt sieht Banik die niedersächsischen Standorte im Wettbewerb mit Hamburg und Bremen. 

„In den niedersächsischen Seehäfen ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Fachkräftemangel bekannt“, erklärt hingegen Carina Menkens von ­Verdi. Diese Situation sei unter anderem durch die wirtschaftliche Lage bedingt, die wiederum die Inflation und der Krieg in Europa beeinflussten, erklärt die Gewerkschaftssekretärin.

Welche Jobs bietet der Hafen?

Manuela Drews, Geschäftsführerin des Terminalbetreibers und Logistikdienstleisters J. Müller Weser aus Brake, will nicht von einem „Fachkräftemangel“ reden, doch von einer „Herausforderung“. Früher seien auf Stellenausschreibungen im ­Hafen „waschkörbeweise Bewerbungen­“ erfolgt, das sei heute anders, erklärt Drews, die bis 2020 Chefin des Eurogate Container Terminals in Bremerhaven war. Zum Beispiel werde für das im August beginnende Ausbildungsjahr teils noch im Juli eingestellt. Und um einen IT-System­entwickler zu finden, habe J. Müller Weser sogar einen Headhunter beauftragt. Manch andere Stelle werde aber nur infolge von Mundpropaganda oder schon nach einer Woche besetzt, so Drews. Allein vergangenes Jahr habe die Firma knapp 100 Beschäftigte eingestellt, vor allem um einen neuen Liniendienst abfertigen zu können.

Hafenunternehmen sind wie ­andere Arbeitgeber auf sozialen Netzwerken aktiv. J. Müller Weser lässt beispielsweise Azubis in Youtube-Filmen ihre Arbeit vorstellen. Tatsächlich müssen Fachkräfte erst einmal erfahren, wo sie gebraucht werden. „Die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen selbst an den großen niedersächsischen Hafenstandorten wie Emden, Wilhelmshaven, Stade oder Cuxhaven häufig schlicht nicht wissen, welche Jobs es in den Häfen überhaupt gibt“, stellt Christian Budde vom Wirtschaftsministerium in Hannover fest. Erst dann können Maßnahmen greifen, um Kandidaten anzulocken und Beschäftigte zu halten. 

Abwechslungsreiche Aufgaben

Banik spricht unter anderem von Elternzeit-Modellen, Kurzzeit-Sabbatical und Weiterbildungs-Möglichkeiten; Drews nennt etwa gemeinsame soziale und sportliche Aktivitäten. Beiden ist wichtig, dass Beschäftigte Ideen ins Unternehmen einbringen können und die Möglichkeit haben, im Homeoffice zu arbeiten. Das ist im Hafen natürlich eher im kaufmännischen Bereich und der Verwaltung möglich als in gewerblichen Berufen. 

Eine Win-Win-Situation scheint auch die Strategie von J. Müller Weser zu bieten, Mitarbeiter breit zu qualifizieren, so dass sie beispielsweise ebenso Lasten anschlagen könnten wie Radlader oder Stapler fahren. Wenn das gelinge, seien die Leute zufrieden, nicht jeden Tag das Gleiche zu machen. Und das Unternehmen gewinne Flexibilität, argumentiert Geschäftsführerin Drews.

Umgekehrt machen fehlende Fachkräfte sogar den Beschäftigten das Leben schwerer. Der Fachkräftemangel dürfe nicht zur Überlastung der Kollegen führen, sagt NPorts-Chef Banik. Zwar bleibe von den großen Projekten wie beispielsweise dem LNG-Anlieger in Wilhelmshaven „nichts liegen“. Aber kleinere Arbeiten oder Schönheitsreparaturen würden verschoben. Pro­blematisch ist für Banik, dass Wissen nicht weitergegeben wird, wenn ein Beschäftigter das Unternehmen verlässt, bevor der Nachfolger gefunden ist.

Stichwort Finden: Manuela Drews wünscht sich, dass Betriebe, Ver­bände, Politik und Schulen an einem Strang ziehen, um Menschen einen Einstieg in die Arbeit im Hafen zu erleichtern. Denn sie ist überzeugt, dass es noch „schlummernde Ressourcen“ für Fachkräfte gibt: „Wie kriegen wir diese Ressourcen geweckt?“ (alb)

Arbeitsvertrag vor dem Abitur

Lena Claus aus Otterndorf an der Elbe ist angehende Bauingenieurin. Dass sie damit zu den gefragten Fachkräften zählt, ist der 22-Jährigen klar: „Man merkt schon, dass auf jeden Fall viele Unternehmen suchen“, sagt Claus im Gespräch mit der DVZ. Sie selbst hatte noch vor dem Abitur einen Arbeitsvertrag mit Niedersachsen Ports (NPorts) in der Tasche. Aufmerksam geworden sei sie auf die Stelle auf altmodische Art, nämlich über eine Zeitungsanzeige. 

Im dualen Studium lernt sie nun je drei Monate an ihrer Hochschule in Buxtehude und arbeitet dann drei Monate für den Landeshafenbetreiber. Bei NPorts gehört sie zur Niederlassung Cuxhaven und kann dort schon mehrere Projekte zeigen, die sie mitgeplant beziehungsweise beaufsichtigt hat, beispielsweise Pfähle für das Fundament einer Halle und Poller zum Festmachen von Schiffen an einem Kai. 

Aber auch in Wilhelmshaven hat sie mitgearbeitet beim Bau des LNG-Terminals, und diesen Sommer ist sie in Stade bei der Errichtung des dortigen Flüssiggasanlegers dabei. Diese Vielfalt an Tätigkeiten und Standorten schätzt die Studentin. Zugleich liegt ihr Stammplatz in Cuxhaven nah am Wohnort.
Das Gehalt spiele für sie als Studentin eine Rolle, sei aber nicht ausschlaggebend, sagt Claus. Wichtiger sei ihr das Arbeitsklima, schon im Vorstellungsgespräch habe sie von NPorts einen guten Eindruck gehabt. 

Ob sie nach Auslaufen ihres aktuellen Vertrags bleibt, der zwei Jahre nach dem Studienabschluss endet, weiß Claus allerdings noch nicht. Einen anderen Arbeitgeber zu finden, dürfte dann jedenfalls nicht schwer sein: „Man muss keine Angst haben, keinen Platz zu finden.“

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