Wie neue Technologien bei der Otto Group die Arbeitswelt ändern
Digitalisierung und Automatisierung durch künstliche Intelligenz (KI) verändern die Arbeitswelt rasant. Kleine wie große Unternehmen müssen Wege finden, KI-Technologien nicht nur effektiv einzusetzen, sondern auch ihre Belegschaft auf die Veränderungen vorzubereiten und die Menschen in der neuen Arbeitsrealität nicht allein zu lassen. Kay Schiebur, Vorstand Services der Otto Group, erläutert, wie der Konzern mit seinen unterschiedlichen Unternehmen und Marken KI einsetzt und welche Maßnahmen er ergreift, um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen.
Der Einsatz von Anwendungen mit KI hat bei der Otto Group bereits deutliche Auswirkungen auf verschiedene Arbeitsprozesse. „Das Thema KI zieht sich durch das gesamte Unternehmen“, berichtet Schiebur. Sowohl im kaufmännischen als auch im gewerblichen Bereich werden KI-Anwendungen eingesetzt, um Effizienz und Produktivität zu steigern. Ein praktisches Beispiel ist der Einsatz eines unternehmensinternen, sicheren Chatbots basierend auf einem konzerninternen und datenschutzkonformen KI-Arbeitsbereich. Damit finden Mitarbeitende schnell Antworten auf administrative Fragen oder erhalten erste Textvorschläge.
Neue Berufsbilder
In der Logistik werden KI-gesteuerte Systeme eingesetzt, um Lagerhaltung und Versandprozesse zu optimieren. Dazu gehören auch Automatisierung und Robotik. So hat die Otto Group Partnerschaften mit den Technologieunternehmen Covariant und Boston Dynamics geschlossen, um verschiedene Robotertechnologien in den Logistikzentren einzusetzen. Diese Roboter übernehmen Aufgaben wie die Bestandskontrolle oder die Überwachung von Sicherheitsbereichen.
Die Belegschaft in den Logistikzentren wird schrittweise an die neuen Kollegen herangeführt. „Wir lassen zum Beispiel den Roboterhund ‚Spot‘ von Boston Dynamics zunächst ohne Einsatzzweck in den Lagern mitlaufen, damit die Menschen ihre Berührungsängste verlieren“, erklärt Schiebur. Ziel sei es auch, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem die Roboter körperlich anstrengende Tätigkeiten wie das Entladen von Seecontainern übernehmen. „Wenn es uns gelingt, repetitive Tätigkeiten durch Roboter zu ersetzen, können wir die Mitarbeiter so schulen, dass sie die Maschinen an einem Standort als Supervisor betreuen und steuern können“, sagt Schiebur. Mit dem Wandel der Arbeitswelt entstehen also neue Berufsbilder.
Es geht darum, Neugier zu wecken und die Potenziale von KI verständlich zu machen. Kay Schiebur, Vorstand Services, Otto Group
Der Einsatz von KI-Technologien und deren Integration in die Arbeitsprozesse erfordert eine umfassende Begleitung der Beschäftigten, um Hemmschwellen und Ängste abzubauen. Schulung und Kommunikation spielen dabei eine entscheidende Rolle. „Es geht darum, Neugier zu wecken und die Potenziale von KI verständlich zu machen“, unterstreicht Schiebur. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den neuen Technologien vertraut zu machen, organisiert das Unternehmen interne Veranstaltungen wie Hackathons und Workshops. Diese niederschwelligen Angebote ermöglichen es allen, sich mit KI auseinanderzusetzen und erste praktische Erfahrungen zu sammeln. Sie sollen den Mitarbeitenden zeigen, wie einfach der Umgang mit den Anwendungen oft ist. In speziell eingerichteten Schulungsräumen können sich die Mitarbeitenden abseits von Lärm und Hektik des Arbeitsalltags in Ruhe mit den neuen Werkzeugen vertraut machen.
Denn die Einführung solcher Technologien ist oft mit Unsicherheit und Vorbehalten verbunden. Die Otto Group hat deshalb das Konzept „TechUcation“ entwickelt – eine Wortschöpfung aus Technologie und Bildung. Der Ansatz zielt darauf ab, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systematisch an neue technische Rahmenbedingungen heranzuführen. „Wir glauben, dass selbst entwickelte Schulungsinhalte dafür ein gutes Vehikel sind“, betont Schiebur. Handelt es sich um logistische Inhalte, werden diese von Logistikern vermittelt. So könnte zum Beispiel eine Mitarbeiterin aus dem Wareneingang erklären, wie ein Stretchkommissionierer funktioniert. „Wenn wir Inhalte produzieren, die nah an der Arbeitswelt der Menschen sind, erreichen wir die größtmögliche Relevanz“, ist der Manager überzeugt.
Offene Feedback-Kultur
Vorbehalte gegenüber neuen Technologien sind normal und dürfen nicht ignoriert werden. Die Otto Group will diesen Bedenken offen und transparent begegnen. „Wir haben frühzeitig angekündigt, dass der Einsatz von KI und Robotik nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen führen wird“, betont Schiebur. Vielmehr gehe es darum, dem demografischen Wandel zu begegnen, Arbeitsprozesse zu verbessern und neue Berufsbilder zu schaffen. Um diese Botschaft glaubwürdig erscheinen zu lassen, sei eine offene Feedback-Kultur entscheidend, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Bedenken und Anregungen einbringen können.
Dieses Feedback ist für den Versandhandelskonzern vor allem im Anschluss an Schulungen sehr wichtig. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen und informelle Rückmeldungen helfen dem Unternehmen, seine Qualifizierungsangebote und Arbeitsprozesse kontinuierlich zu verbessern. Diese Rückmeldungen fließen direkt in die Weiterentwicklung der Programme ein und tragen dazu bei, dass die Mitarbeiter Veränderungen akzeptieren und mitgestalten.
Attraktivität für Fachkräfte
Der Einsatz von KI-Anwendungen trägt auch dazu bei, die Otto Group für Fachkräfte attraktiver zu machen. „Viele junge Menschen interessieren sich für die Themen Digitalisierung und KI und wollen Teil dieser Entwicklung sein“, ist Schiebur überzeugt. Die Möglichkeit, in einem innovativen Umfeld zu arbeiten und die Zukunft aktiv mitzugestalten, ziehe Talente an. Dann noch einen Veränderungsprozess mitzugestalten, ist gerade für die jüngere Generation attraktiv. Hinzu kommen langfristige Karriereperspektiven.
Das Unternehmen nutzt gezielt Rekrutierungskanäle, um sowohl junge Talente als auch erfahrene Fachkräfte anzusprechen. „Wir suchen aktiv nach den richtigen Köpfen, indem wir auf verschiedenen Kanälen präsent sind“, sagt der Otto-Group-Vorstand. Dies beinhaltet die Nutzung von Social Media, gezielte PR-Kampagnen und die Teilnahme an Messen und Konferenzen. Diese Maßnahmen helfen dem Unternehmen, als zukunftsorientierter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden und mit potenziellen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen.
Das kann dann schon mal sehr spontan geschehen, wie Schiebur kürzlich erfahren hat. So kam am Standort Haldensleben ein junger Mann auf ihn zu, der gerade sein Studium abgeschlossen hatte. Er stellte sich vor und sagte, er wolle Teil der Reise werden, auf die sich die Otto Group im Bereich KI und Robotik begibt. Wobei Schiebur einräumt: „Es ist eine Reise, von der wir heute noch nicht im Detail sagen können, wohin sie uns in ein paar Jahren führen wird.