„Apps können komplexe Anwendungen nicht ersetzen“
DVZ: Wie steht die Transport- und Logistikbranche grundsätzlich bei der Umsetzung von IT-Projekten da?
Olaf Zöftig: Die meisten Unternehmen der Transportbranche sind hinsichtlich ihrer Erfahrung bei IT-Projekten und der Umsetzung von Fachanforderungen insgesamt gut aufgestellt. Der Innovationsgrad und die Offenheit bei der Nutzung von IT-Lösungen halten mit denen anderer Branchen mit. Meist fehlt aber Know-how, wie man IT-Projekte, die eben nicht zum Tagesgeschäft zählen, professionell angeht und umsetzt, so dass Qualität, Zeit und Kosten in einem optimalen Verhältnis stehen.
Welches sind die häufigsten Fehler, die gemacht werden?
Der Wert eines professionellen Projekt-Setups wird oft unterschätzt. Die Auswirkungen eines IT-Projektes auch auf die Organisation und die Prozesse werden eher unterbewertet. Auch das Change Management, also das Informieren und Mitnehmen der Mitarbeiter, wird eher vernachlässigt. Von den zu erwartenden Kosten eines IT-Projektes haben dagegen viele Verantwortliche angemessene Vorstellungen.
Wie macht man es besser?
Ob es um die Einführung von SAP, eines Navision-Systems oder einer Logistiksoftware geht: Meist lassen sich Unternehmen zunächst extern beraten. Ist-Analyse, Soll-Prozesse, Anforderungskatalog und schließlich die Entscheidung für eine Lösung. Doch auch danach ist eine externe Beratung oder Begleitung sehr sinnvoll. Denn wie eben beschrieben, werden wichtige Erfolgsfaktoren für die Einführung oft vernachlässigt. Darüber hinaus sind die Entwicklungen innerhalb eines Unternehmens und in der Softwareentwicklung heute so schnell, dass eine getroffene Entscheidung nach einem halben Jahr veraltet sein kann. Weil so viele Faktoren größere IT-Projekte beeinträchtigen können, ist es sinnvoll, dass eine Person ausschließlich den kritischen Blick hierauf hat. Laufen die Prozesse in der richtigen Reihenfolge ab? Sind die entscheidenden Personen integriert? Unterstützen alle das Projekt? Weichen wir vom Weg ab? Ist der gewählte Weg weiterhin richtig?
Inwiefern sind in Zeiten von Apps und Cloud-Diensten große IT-Investitionen überhaupt noch sinnvoll?
Dass investiert werden sollte, steht außer Frage. Es ist nur die Frage, wofür. Entweder können Unternehmen über die Betriebskosten der Laufzeit in einen Cloud-Dienst investieren oder sie entscheiden sich für eine spezielle Nutzer-Lösung. Viele Cloud-Services, zum Beispiel für die Kommunikationsabwicklung mit Partnern, sind sehr gut. Andere Bereiche sind per se weniger geeignet für die Cloud, beispielsweise aus Datenschutz-Aspekten. Hier kommen dann als Alternative zu On-Premise-Installationen oder deren Abbildung als Housing- beziehungsweise Hosting-Lösungen infrage. Apps selbst haben nur einen bestimmten Funktionsinhalt und können komplexere Anwendungen nicht ernsthaft ersetzen, sondern ergänzen diese.
Wie findet ein Unternehmen überhaupt heraus, welche IT und Software es braucht?
Üblicherweise wissen Unternehmen, welche IT-Anwendungen ihre Marktbegleiter nutzen. Viele davon sind bekannte Branchenstandards. Auf Veranstaltungen wie Verbandstreffen findet ein reger Austausch zu Software-Erfahrungen statt. Auch die Kunden zeigen, welche neue Software sinnvoll ist oder geben sogar Anforderungen vor. Und auch hier sind externe Berater eine Möglichkeit, sich zu informieren. Lohnenswert ist zudem der Blick über die eigene Branche hinaus. Einige Themen sind ja für fast alle Branchen interessant, wie beispielsweise die Visualisierung von Unternehmenskennzahlen oder die IT-Sicherheit.
Was müssen Dienstleister beachten, um sich problemlos mit den Systemen ihrer Auftraggeber vernetzen zu können?
Sie müssen die Industriestandards bedienen können, ansonsten droht ihnen eine Kostenexplosion.
Ist es besser, Standardlösungen zu installieren, oder sollten sich Unternehmen eine IT-Landschaft zulegen, die speziell auf ihr Geschäftsmodell ausgelegt ist?
Unternehmen sollten Standardlösungen so weit einsetzen, wie sie für das Unternehmen sinnvoll sind. Man sollte sich immer erinnern: Sie sind Standard geworden, weil sie gut sind. Sie werden von vielen verwendet, weil sie einen hohen Grad der Abdeckung haben. Zudem ist bei Sonderlösungen oder Eigenentwicklungen immer zu überdenken, welche meist enorm hohen Folgekosten durch Wartung, Weiterentwicklungen und Anpassungen an andere Systeme entstehen werden. Trotzdem gibt es Situationen, in denen eine individuelle IT-Lösung sinnvoll ist. Falls eine Eigenentwicklung sinnvoll erscheint, sollte dies vorab durch eine „Make or Buy“-Analyse genau überprüft werden.
Wie wichtig ist es für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens, eigene Softwarelösungen zu entwickeln?
Eigenentwicklungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie einen elementaren Marktvorteil verschaffen, also mindestens mittelfristig einen USP sichern. Im Logistikumfeld könnten dies beispielsweise Entwicklungen zu Ortungssystemen sein. Meiner Erfahrung nach tritt eine solche Situation aber in der Transportbranche eher selten ein. Viele neue Software-Ideen bringen weder tatsächliche Alleinstellungsmerkmale noch entscheidende Geschäftsvorteile, so dass sich das Investment in den meisten Fällen nicht rechnet.
Mit welchem Investitionsumfang muss ein mittelständisches Logistikunternehmen rechnen, um IT-technisch up to date zu sein?
Der Investitionsumfang hängt von zu vielen Faktoren ab, um ihn allgemein beziffern zu können. Faktoren sind zum Beispiel die momentane Softwareausstattung, die Ziele des Unternehmens und Zielgruppen, die Menge an Dienstleistern und die Mitarbeiterzahl des Unternehmens. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Olaf Zöftig
Der studierte Maschinenbauer ist seit 20 Jahren in Logistik und internationalem Handel tätig. Im Fokus seiner Tätigkeit stehen Unternehmensorganisation, Geschäftsprozessunterstützung und IT-Umsetzung. Seit 2012 ist er Geschäftsführer beim Hamburger IT-Dienstleister Akquinet, der Softwareinstallationen unterstützt. Darüber hinaus ist Zöftig Geschäftsführer des Instituts für Softwaretechnik und Outsourcing an der FH Wedel.