Schenker-IT-Chefin über Bitergo-Zukauf: „Unsere Vision kann schneller Realität werden“

Im Mai hat DB Schenker die Dortmunder
 Softwarefirma Bitergo übernommen.
 Christa Koenen, Digital-Vorständin bei der Bahntochter, beantwortet Fragen zu den Hintergründen und
 strategischen Zielen.

Christa Koenen, CIO und Chief Digital Officer (CDO) im Vorstand von DB Schenker. (Foto: DB Schenker)

Im Mai hat DB Schenker die Dortmunder
 Softwarefirma Bitergo übernommen.
 Christa Koenen, Digital-Vorständin bei der Bahntochter, beantwortet Fragen zu den Hintergründen und
 strategischen Zielen.
 

DVZ: Frau Koenen, welche Lösungen und Funktionen deckt DB Schenker im Einzelnen mit Bitergo ab?

Christa Koenen: Bitergo bietet umfangreiche Softwarelösungen im Bereich Logistik an, die sich durch hohe Standardisierung und Individualisierung auszeichnen. Auf einer Plattform werden zum Beispiel im Bereich „Warehouse Management“ sämtliche Warenbewegungen und Bestände in der Supply Chain erfasst und gesteuert. Die cloudbasierte Software kann weltweit eingesetzt werden und vereint Apps und Webanwendungen.

Was ist das strategische Ziel der Übernahme?

Bitergo ist der ideale Partner, um einen Baustein unserer Digitalstrategie, nämlich Software-as-a-Service, weiterzuentwickeln. Unsere Vision der digitalen Supply Chain, die End-to-End gesteuert wird, kann durch Partnerschaften und Portfolio-Erweiterungen deutlich schneller Realität werden. Schenker bringt dabei die 150-jährige Erfahrung, das globale Netzwerk und die Kompetenz der Logistik und Technologie mit. Bitergos Expertise und Erfahrung im Markt für Software-as-a-Service sind eine perfekte Ergänzung. Wir wollen Bitergos Eigenständigkeit bewusst unverändert lassen und planen, das Lösungsportfolio von Bitergo weiter auszubauen. Das wollen wir einerseits mit der Weiterverfolgung der bisherigen Produktpipeline von Bitergo erreichen, darüber hinaus möchten wir aber auch ausgewählte Softwarekomponenten, die DB Schenker bereits entwickelt hat und erfolgreich in der Zusammenarbeit mit Kunden nutzt, auf den Markt bringen.

Wie wird das Unternehmen in die Supply-Chain-Steuerung von Schenker integriert?

Wir arbeiten eng mit der Bitergo-Geschäftsführung zusammen, um die erwarteten Synergien und Kooperationspotenziale schnellstmöglich zu erreichen. Die standardisierten Module der Bitergo-Software haben den Vorteil, sehr individuell und zügig spezifische Anforderungen zu bedienen – auch unsere eigenen. Deshalb werden wir schrittweise die Bitergo-Module in unsere eigene Lösungsarchitektur einfügen.

Inwieweit bietet das Unternehmen für Schenker Möglichkeiten, bestimmte digitale Tools auch kleinen und mittleren Logistikdienstleistern im Rahmen von Kooperationen anzubieten, wie beispielsweise Fulfillment oder Visibility as a Service?

Mit „Warehouse Star“ bietet Bitergo eine vollständig auf Apps basierte Warehouse-Management-System-Lösung an, die innerhalb kürzester Zeit in Betrieb genommen werden kann. Dank der Integration in die Cloud kommt Warehouse Star sowohl an großen Logistikstandorten als auch bei kleinen, aber stark wachsenden E-Commerce-Fulfillment-Anbietern erfolgreich zum Einsatz – und das zu einem außergewöhnlichen Preis-Leistungsverhältnis und besten Erweiterungs- und Integrationsmöglichkeiten. Die Software eignet sich dementsprechend auch bestens für kleine oder mittlere Logistikdienstleister, die ihre Supply Chain effizienter und digitaler gestalten wollen. Im Bereich Visibilty-as-a-Service hat DB Schenker eine eigene Lösung, die wir vor allem intern nutzen. Unsere „IoT-Plattform“ steht aber auch schon seit vielen Jahren externen Kunden zur Verfügung, die sie vor allem für die Überwachung besonders sensitiver Transporte nutzen – ohne dass sie dafür DB Schenker für den Transport beauftragen müssen. Ob Bitergo zum jetzigen Zeitpunkt die geeignete technische Basis für diese Lösung ist, ist Teil unserer nun weiter ins Detail gehenden strategischen Überlegungen.

Schenker beteiligt sich auch an der Open Logistics Foundation, die im Oktober vergangenen Jahres gestartet ist. Wie bringt sich Schenker dabei ein?

DB Schenker ist Gründungsmitglied der Open Logistics Foundation und engagiert sich aktiv für die Initiative – sowohl personell als auch inhaltlich: Mein Vorstandskollege und CEO Jochen Thewes ist in den Stiftungsvorstand gewählt worden und Christian Bockelt (EVP Global IT Land & Digital Solutions) ist Mitglied des Vereinsvorstandes. Wir sind aber nicht nur im Management der Foundation sehr aktiv, sondern sind auch in der ersten operativen Arbeitsgruppe, die sich das Ziel gesetzt hat, gemeinsam eine Lösung für elektronische Frachtbriefe zu entwickeln, den eCMR. Durch die Open Logistics License wurde ein rechtlicher Rahmen für neue Entwicklungen geschaffen, und ich bin sehr gespannt auf die ersten Ergebnisse des Open-Source-eCMR.

Wie wird die Initiative in der Logistikwirtschaft bislang angenommen?

Die Gründung der Stiftung durch DB Schenker, Dachser, Rhenus und Duisport hat branchenweit für Aufsehen gesorgt, und wir wurden von sehr interessierten Kunden, Partnern und Wettbewerbern auf die Initiative angesprochen. Nicht wenige haben Gespräche mit uns aufgenommen oder sich direkt angeschlossen, und ich denke, dass schon sehr bald weitere bekannte Unternehmen mit Bezug zur Logistikbranche Teil der Foundation werden.

Will Schenker künftig Softwarelösungen eher selbst entwickeln oder halten Sie Ausschau nach Software- und IT-Start-ups, um durch Übernahmen oder Kooperationen Entwicklungsarbeit und -kosten zu vermeiden?

Als weltweit agierendes Unternehmen verstehen wir es, unseren Kunden mit hoch integrierten, an globale Geschäftsprozesse angepassten IT-Lösungen die bestmögliche Kundenerfahrung zu bieten. Hierbei greifen wir einerseits auf unsere langjährige Erfahrung in der Inhouse-Entwicklung und Kooperationspartner zurück. Gleichzeitig screenen und scouten wir kontinuierlich das Start-up-Ökosystem nach geeigneten Partnern – hierzu haben wir im letzten Jahr Schenker Ventures ins Leben gerufen.

Wie scannen Sie bei Schenker die Start-up-Landschaft, um geeignete Kooperationspartner oder Übernahmekandidaten zu identifizieren?

Schon heute arbeiten wir weltweit mit mehr als 50 Start-ups und Tech-Unternehmen aus verschiedenen Geschäftsbereichen und funktionalen Einheiten zusammen. Mit Schenker Ventures unterstützen wir Entrepreneure beim Aufbau branchenverändernder Unternehmen in den Bereichen Logistik und Supply Chain Management. Über Kapital hinaus profitieren Gründerinnen von einem Höchstmaß an unternehmerischer Freiheit, fachlichem Know-how und Zugang zu dem globalen Netzwerk von DB Schenker. Auf der Suche nach Lösungen für unsere Kernorganisation, potenziellen Investments wie auch Ergänzungen und Erweiterung zum Kerngeschäft beobachten wir das weltweite Start-up-Ökosystem sehr genau. Neben bekannten Datenbanken ist ein entsprechendes Netzwerk der Schlüssel zum Erfolg, welches wir gezielt über unsere Events, Kongresse, Partnerschaften entwickeln und pflegen.

Zur Person

Christa Koenen ist seit September 2021 CIO und Chief Digital Officer (CDO) im Vorstand von DB Schenker. Die Volkswirtin kam 2004 zur Deutschen Bahn. Sie arbeitete unter anderem für die IT-Tochter DB Systel, von 2014 an zunächst als Finanz-Chefin und seit 2015 als Vorsitzende der Geschäftsführung. Zusätzlich war Koenen seit 2018 Chief Information Officer (CIO) der Deutschen Bahn AG.

 

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