Transport: Wie die Netze Daten selbst austauschen

Bei der 7. DVZ-Konferenz TMS & Co. haben Experten neue Chancen zur Automatisierung aufgezeigt. Mit Hilfe von Datenstandards, künstlicher Intelligenz und der Bereitschaft zur Kooperation erfüllen Logistikdienstleister regulatorische Vorgaben und erschließen neue Geschäfte.

Von links nach rechts: Steffen Hauptmann (Mile Incube), Nico Hossain (Lobster) und Stefan Seufert (Eikona) sind sich im Gespräch mit DVZ-Chefredakteur Sebastian Reimann einig darüber, dass digitaler Datenaustausch grundlegend für effizientes Transportmanagement ist. (Foto: Alexander Stoll)

Logistikdienstleister und ihre Prozesse profitieren besonders stark von den Fähigkeiten großer Sprachmodelle. Davon zeigten sich die meisten Referenten der 7. DVZ-Konferenz TMS &. Co. in Frankfurt überzeugt. So lasse sich die Logistik beispielsweise als neuronales Netzwerk von Knotenpunkten betrachten, die auf unterschiedlichen Wegen immer wieder neu miteinander verknüpft werden, erklärte Philipp Pfister, Chief Customer Experience Officer von Transporeon, in seiner Keynote – und könne aufgrund dieser strukturellen Ähnlichkeit ideal von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt werden.

In einer Welt, die sich im technologischen, makroökonomischen und politischen Wandel befinde, komme es sehr darauf an, dass die Akteure auch den kulturellen Wandel zu einer engeren Zusammenarbeit vollziehen. „Wir haben Probleme, die wir nur miteinander lösen können, es geht nicht ohne ein Netzwerk“, so Pfister. „Wir müssen Standards schaffen, die es uns ermöglichen, Aufgaben zu automatisieren und so Verbesserungen für alle Beteiligten zu schaffen“, betonte der IT-Manager.

Die gemeinsame Herausforderung liege dabei, Interoperabilität zu schaffen, die es erlaube, dass alle Parteien in dem neuronalen Netzwerk mit Daten von hoher Qualität zusammenarbeiten können. Absender, Empfänger und Spediteure müssten sich über die grundlegenden Daten wie Adressen hinaus reichere Informationen zur Verfügung stellen, wie beispielsweise Zeitfenster und Entlademöglichkeiten.

Die Kernaufgabe in der Kommunikation untereinander liege dabei darin, den Fokus auf relevante Prozessschritte und Störungen zu legen, die unmittelbar bearbeitet werden müssen. Als ein Beispiel dafür, wie KI diese wichtigen Aufgaben beschleunigen könne, nannte Pfister den Frachteinkauf eines polnischen Transportunternehmens, der anhand vordefinierter Regeln so effizient erfolge, dass der Dienstleister seinen Umsatz am Spotmarkt um 150 Prozent gesteigert habe und dort inzwischen rund um die Uhr Ladungen akquirieren könne.

Wir haben Probleme, die wir nur miteinander lösen können. Philipp Pfister, Chief Customer Experience Officer, Transporeon

Auch Niko Hossain, Geschäftsführer der Lobster Logistics Cloud, betonte, dass es im zwischen Kontinenten und Verkehrsträgern stark fragmentierten Logistikmarkt zur Kollaboration kommen müsse, um die Daten aus ihren Silos zu befreien und durch den übergreifenden Austausch für mehr Effizienz sorgen zu können.

Das Ziel aller Beteiligten müsse die Verknüpfung mit sämtlichen Partnern in ihrer Supply Chain sein; dafür sei es auch erforderlich, Plattformen wie Transporeon, Timocom, Shipster und andere miteinander zu verknüpfen. Dann werde ein automatischer Datenfluss zu Transportaufträgen und Sendungen möglich, der nahtloses Arbeiten in den Systemen der Dienstleister erlaube, beispielsweise zur Steuerung und Abrechnung.

Dafür arbeite die Lobster Logistics Cloud mit stark standardisierten Templates entlang der gesamten Lieferkette zur Unternehmens- und Prozesssteuerung, dem Produktmanagement sowie der Überwachung und Berichterstattung im Bereich Nachhaltigkeit. „Über unseren Netzknoten sind rund 700 Unternehmen miteinander verbunden, die rund eine Million Jobs am Tag untereinander austauschen“, berichtet Hossain.

Dieses riesige Netzwerk sei als digitales Ökosystem ausgerichtet, in dem sich die Teilnehmer benötigte Services aufgabenbezogen hinzubuchen könnten, beispielsweise den Labeldruck für Pakete, Apps zur Fahrerkommunikation oder Lösungen zur digitalen Verarbeitung von Eingangsrechnungen. „Das alles dient dem Ziel, Geschäftsprozesse elektronisch standardisiert abzubilden“, erklärt der Geschäftsführer des Datenaustauschspezialisten.

Klaus Pietack kann mit Heayboost Aufträge automatisch austauschen. (Foto: Alexander Stoll)
Die Teilnehmer der 7. DVZ-Konferenz TMS & Co. diskutierten eifrig mit den Referenten. (Foto: Alexander Stoll)
Ingo Müller (Dachser) will nach dem Frachtbrief weitere Transportdokumente digitalisieren. (Foto: Alexander Stoll)
(Foto: Alexander Stoll)
Von Links: Luca Ballesteros (ISI GmbH) und Steffen Landsiedel (NG.Network) plädieren für eine regelmäßige Kennzahlenauswertung mit dem DVZ-Speditionsmonitor Prozesse/IT. (Foto: Alexander Stoll)
Christian Hammacher (Nosta Group) nutzt eine automatische CO₂-Reporting-Lösung von Shipzero. (Foto: Alexander Stoll)
Philipp Langhanke (Osapiens) kennt Wege, um das Compliance Management zu automatisieren. (Foto: Alexander Stoll)
Lothar Harings (Graf von Westphalen) rät Speditionen dazu, ihre Compliance-Aufgaben mit IT-Unterstützung zu erfüllen. (Foto: Alexander Stoll)
(Foto: Alexander Stoll)
Michael Zehmisch (MAN) kalkuliert die Wirtschaftlichkeit von E-Lkw IT-basiert. (Foto: Alexander Stoll)

KI ersetzt Schnittstellen

Einen innovativen Weg, manuell erfasste Daten niederschwellig zu digitalisieren, stellten Stefan Seufert, Vorstand der Eikona AG, und Steffen Hauptmann, CEO von Mile Incube, gemeinsam vor. Das System verwendet die Druckschnittstelle von Endgeräten mit beliebigem Betriebssystem, um Daten digital zu übertragen. Eine KI-Anwendung auf dem Cloud- System von Mile Incube extrahiert die relevanten Daten und überträgt sie automatisch an die angeschlossenen Systeme, wie etwa das Transportmanagementsystem (TMS) einer Spedition oder den Labeldrucker eines Versenders.

„Dafür ist kein Trainingsprozess erforderlich, ein Large Language Model weiß etwa genauso wie ein Mensch, was eine Adresse ist“, erklärt Hauptmann. Stattdessen könne ein Nutzer einfach über den Prompt seine Anweisungen an die KI verändern, „ganz ähnlich, wie er beispielsweise einen Auszubildenden anlernen würde“, unterstreicht Seufert; dafür sei keinerlei Programmierung erforderlich.

Wie Speditionen sorgenfrei Aufträge untereinander austauschen können, ohne Kunden zu verlieren, erläuterte Klaus Pietack, Gründer und Gesellschafter der Plattform Heavy Boost. Das für Großraum- und Schwerlasttransporte entwickelte System werde per Schnittstelle mit dem TMS verbunden, fungiere als Hub für Logistikdaten und erlaube so, die Fahrzeuge einer Spedition besser auszulasten, Leerfahrten zu vermeiden und mit derselben Fahrerzahl mehr Transportaufträge zu bewältigen.

Dafür seien lediglich rudimentäre Informationen wie die Postleitzahl einer Ladestelle, Länge, Breite, Höhe und Gewicht der Ladung sowie der Transportzeitraum erforderlich, die zusätzlich anonymisiert und verfremdet würden. Weil die Plattform anders als Frachtenbörsen sämtliche Aufträge auswerte, erhöhe sie zudem die Planbarkeit und entlaste Disponenten wie Fahrer gleichermaßen.

Das System werte dann aus, wie sich die Leerkilometer eines Dienstleisters am stärksten verringern lassen. „Alle Transportbereiche, die Spezialfahrzeuge einsetzen, wie beispielsweise auch Tank- und Silo-Lkw, können von unserem Matching besonders stark profitieren“, zeigt Pietack den Nutzen des Konzepts auf.

Wie sich mit dem elektronischen Frachtbrief (eCMR) Begleitdokumente digital ersetzen lassen, stellten Boris Jeggle, Chief Digital Officer von Rhenus Home Delivery, und Ingo Müller, Abteilungsleiter Prototyping and Testing bei Dachser, gemeinsam vor. Als Teil der Open Logistics Foundation, die Softwarelösungen für Basisanforderungen von vielen Akteuren in der Supply Chain entwickelt, haben die beiden Unternehmen seit Mai 2022 ein System aufgesetzt, mit dem sich die elektronischen Begleitdokumente rechtssicher verwenden lassen.

„Für den eCMR ist keine weitere Plattform als Informationsbroker erforderlich, sondern es genügt ein digitaler Knoten. Die Daten verarbeitet dann das Netzwerk an sich“, beschreibt Jeggle die Funktionsweise. Der Austausch zwischen zwei Instanzen erfolge auch ohne Schnittstelle und Frachtführer könnten beispielsweise den Knoten der Spedition verwenden, für die sie unterwegs sind. Die Open Logistics Foundation habe inzwischen das Datenmodell für den eCMR verabschiedet und mit dem elektronischen Siegel eine digitale Absicherung eingeführt, die mit deutlich kleineren Datenmengen auskomme als eine elektronische Unterschrift. Das Format stelle inzwischen in 24 EU-Ländern eine rechtssichere Lösung dar.

Nächster Entwicklungsschritt für das Projekt werde nun ein großes Pilotprojekt mit Logistikdienstleistern, Verladern und externen Teilnehmern wie Subunternehmern und Kunden. Anschließend solle das System sowohl bei Dachser als auch bei Rhenus ausgerollt werden, um Papiere aus dem Prozess zu eliminieren. Geplant sei zudem, anschließend weitere Transportdokumente zu digitalisieren.

Über uns tauschen Unternehmen rund 1 Million Jobs täglich aus. Niko Hossain, CEO Lobster Logistics Cloud

Nachhaltige IT-Lösungen

Zu einem großen Digitalisierungstreiber entwickele sich derzeit auch die europäische Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), berichteten Tobias Bohnhoff, Gründer und Chief Executive Officer von Shipzero, und Christian Hammacher, Chief Operating Officer Road der Nosta Group. Der Logistikdienstleister nutzt die Emissionstransparenz- und Emissionsmanagement-Lösung, um seinen Pflichten zum CO₂-Reporting nachzukommen, die sich aus der EU-Regelung ergeben. Dabei bestand die Herausforderung im Transportbereich vor allem darin, automatisch Daten mit hoher Qualität zu erheben, um damit die Compliance-Anforderungen zu erfüllen.

„Für Einkäufer aus Handel und Industrie sind die Scope-3-Emissionen aus dem Transportbereich nicht messbar und stellen aus der Ende-zu-Ende-Perspektive bislang eine Black Box dar“, betont Bohnhoff. Deshalb habe Nosta als Dekarbonisierungspartner seiner Kunden einen Mehrwertservice aufgebaut, der die Treibhausgasemissionen aus der gesamten Transportkette anhand eines präzise modellierten Modells errechne. Dafür betreibe der Dienstleister einen Daten-Hub, in dem die Informationen von den Verkehrsträgern Straße, Schiene, Luft und See sowie aus der Fahrzeugtelematik und von Energienachweisen zusammenlaufen.

Ausgehend von diesen Informationen arbeite Nosta gemeinsam mit seinen Kunden in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess an der Verringerung der Emissionen entlang der gesamten Transportkette. So nutze der Transportdienstleister beispielsweise bereits überwiegend kranbare Auflieger, die sich für kombinierte Verkehre zwischen Straße und Schiene verwenden lassen. Mit dem IT-gestützten Energie-Accounting erfasse er außerdem die Daten sämtlicher Transporte auf Sendungsebene und könne sie sowohl für interne Reports als auch für Kunden und Behörden bereitstellen.

Wie sich weitergehende regulatorische Vorschriften sowohl aus der CSRD als auch aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), dem europäischen Lieferkettengesetz (CSDDD), der Entwaldungsrichtlinie (CBAM) und weiteren Rechtsakten digital überwachen lassen, stellte Philipp Langhanke, Lösungsberater Logistik, gemeinsam mit Rechtsanwalt Lothar Harings, Lieferkettenexperte und Partner in der Hamburger Kanzlei Graf von Westphalen, vor.

Harings empfahl, die unterschiedlichen Berichtspflichten in einem ganzheitlichen Ansatz zu bearbeiten, der gemäß der CSRD den Schutz der Rechtsgüter Gesundheit, Leben und Umwelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachte. Für die Dienstleister komme es darauf an, ihre Risiken bezüglich Nachhaltigkeit, der für den Markteintritt geforderten Zuverlässigkeit sowie der Sanktionslisten wie etwa des Russland-Embargos mit einem Überblick zum Vorgehen ihrer Partner zu verknüpfen.

Wie sich die Unternehmen mit dem Compliance-Hub von Osapiens ein pflichtgemäßes Risikomanagement aufbauen können, stellte Langhanke anschließend dar. Er zeigte darüber hinaus die Möglichkeit auf, den Workflow für einen Kabotage-Check zu implementieren. Technisch sei die Lösung binnen vier Wochen einsatzfähig; der Aufbau eigener Prüfregeln könne dagegen bis zu drei Monate dauern. Zur Bewertung von Lieferanten könnten die Dienstleister zudem auf ein KI-gestütztes Newsmonitoring mit eigenen Filtern zurückgreifen.

Ein Planungsinstrument, das den Aufbau einer batterieelektrischen Lkw-Flotte parallel zur Weiterentwicklung einer öffentlichen Ladeinfrastruktur über mehrere Jahre anhand der Transporttouren eines Unternehmens anleiten kann, präsentierte Michael Zehmisch, Leiter E-Solution Development beim Lkw-Hersteller MAN. Aufgrund technischer Einschränkungen müssten die Fahrzeuge derzeit noch mit Priorität auf ihrer Reichweite, die sich im Laufe der Zeit zudem signifikant verringern werde, disponiert werden.

„Inzwischen gibt es aber keine Transportkonstellation mehr, die wir angesichts der im Aufbau befindlichen öffentlichen Ladeinfrastruktur nicht abbilden können“, betont Zehmisch. MAN betreibe ein aktives Monitoring der für Lkw geeigneten Ladesäulen in Europa, das der Fahrzeughersteller zudem regelmäßig aktualisiere.

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