Fahrerlos auf der Wasserstraße

Das Projekt DigitalSOW, ein Testfeld für die autonome Binnenschifffahrt in Berlin
und Brandenburg, ist beendet. Eine 
Fortsetzung folgt - dann mit der Logistik.

Die Forschungsschiffe „Boris Kluge“ und „Bernhard Lampe“ liegen im Berliner Westhafen. Die Forscher erklären und demonstrieren, wie sie funktionieren. (Foto: Skwvideo)

Die Citylogistik hat viele Gesichter. Klassische Lkw, E-Fahrzeuge oder Lastenräder sind überall zu sehen. Was in der Region Berlin-Brandenburg bisher fehlt, ist die Zustellung von Waren per Binnenschiff – und das auch noch ganz autonom. Wie das funktionieren kann, hat ein Konsortium aus Unternehmern, Universitäten, einem Forschungsinstitut und Verbänden drei Jahre lang untersucht.

DigitalSOW heißt das Projekt. SOW steht für Spree-Oder-Wasserstraße. Gefördert wurde es seit 2021 vom Bundesverkehrsministerium (BMDV) mit rund 4,5 Millionen Euro. Vor zehn Tagen feierten die Beteiligten den Abschluss des Vorhabens oder besser gesagt: den vorläufigen Abschluss. Denn Projektleiter Jürgen Alberding, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens mit Sitz in Wildau bei Berlin, will sich für eine weitere dreijährige Förderung bewerben.

Im Berliner Westhafen hatten sich rund 50 Teilnehmer zu Fachvorträgen eingefunden. Die Projektpartner informierten über Themen zu Transportlogistikkonzepten für Metropolregionen, zum automatisierten Umschlag und Energieversorgung sowie Positionierung und Umwelterfassung für das automatisierte Anlegen.

Bewegende Schiffstaufe

Außerdem stand eine bewegende Schiffstaufe an. Das Versuchsschiff erhielt in Gedenken an den ehemaligen Geschäftsführer des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB)den Namen „Boris Kluge“. Er war vor knapp fünf Jahren plötzlich mit 44 Jahren gestorben. „Boris Kluge hatte das Projekt digitale Binnenschifffahrt in der Region Berlin-Brandenburg mit initiiert und vorangetrieben“, sagte Alberding.

Ende September 2020 stellte Alberding einen Förderantrag beim BMDV. Er erinnert sich, dass das Papier innerhalb von zwei Monaten fertig sein musste. Als die Zeit knapp wurde, fuhr er nach Aurich zur Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen, um die Unterlagen persönlich abzugeben. Dann wartete er ein Dreivierteljahr auf den Zuschlag. Ziel des Projektes DigitalSOW war es, ein neues Transportmodell zu kreieren.

Und das ist nicht trivial. Die Forscher mussten viele offene Fragen klären. Zunächst benötigten sie ein Schiff. Die Schiffbau-Versuchsanstalt in Potsdam übernahm die Konstruktion, weil sie sich schon länger mit autonomen Binnenschiffen im Projekt A-SWARM beschäftigt hatte. Die Werft SET in Genthin übernahm den Bau. Der modular aufgebaute Versuchsträger, gestrichen in hellem Gelb, besteht aus einem Bug- und einem Heckteil, die sowohl einzeln als auch im Verbund agieren können. Sie lassen sich zu größeren Einheiten koppeln und wieder entkoppeln und sind mit moderner Sensorik für die Positionierung und Umfelderfassung ausgestattet.

Allerdings kam das Schiff erst später an den Start, weil die komplette Fertigung des Versuchsträgers zunächst zusammen ausgeschrieben wurde. Als sich wiederholt keine Interessenten fanden, wurde die Ausschreibung Ende 2023 in kleinere Lose aufgeteilt. Unterschiedliche Partner steuerten den Schiffskörper, die Antriebstechnik, die Batterietechnik und die Verkabelung bei. Außerdem gab es ein Los für die Projektkoordinierung. Das alles dauerte allerdings so lange, dass das Versuchsschiff erst im Frühjahr 2024 fertig wurde und somit nur wenig Zeit für die Erprobung blieb. Bis dahin arbeiteten die Forscher mit den Versuchsschiffen „Bernhard Lampe“ der Uni Rostock und „Aurora“ des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt.

Andere Projektpartner konnten mit ihrer Forschung sofort nach der Bewilligung im Juni 2021 starten. Sie untersuchten, wie Positionsdaten des Versuchsschiffes ermittelt und verwendet werden können. Zugleich stellte sich die Frage nach Umschlags- und Ladeinfrastruktur, nach geeigneten Paletten und nach einer Rampe, um die Paletten mithilfe eines fahrerlosen Transportsystems auf das Schiff und vom Schiff zu rollen.

Enrico Schütz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme an der TU Berlin, hat für Letzteres einen Prototyp entwickelt. Er soll autonom fahren und für Versuchszwecke zunächst 250 Kilogramm transportieren können. Schütz hatte sich darüber hinaus Gedanken über Krane gemacht, die entweder auf dem autonomen Schiff montiert oder an den Umschlagstellen aufgebaut sind.

Viele offene Fragen

In DigitalSOW wurde auch eine Leitzentrale entwickelt, die der Verkehrslageerfassung und der Fernsteuerung des Versuchsträgers dient. Erste praktische Erprobungen sind im Projekt SensorSOW vorgesehen, das das BMDV seit 2023 und noch bis Ende 2024 mit 1,33 Millionen Euro fördert.

Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Die aktuelle Förderperiode läuft am 30. Juni aus. Für Jürgen Alberding gibt es noch viele Fragen, die zu klären sind. Wer sichert die Grundstücke und Zugänge für die dezentralen Umschlagstellen? Wer betreibt die Ladeinfrastruktur, um das Schiff mit grünem Strom zu versorgen? Wer ist für die Umschlagstellen verantwortlich? Der Hafenbetreiber BEHALA würde sich da anbieten. Zu klären ist auch, wer die Flotten betreibt.

Um einige dieser Fragen zu klären, will Alberding sich an der nächsten Ausschreibung der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen beteiligen. Der Förderaufruf ging gerade raus, bis zum 9. August kann er seine Projektskizze einreichen. Im Fokus stehen dann die Logistik und die Optimierung des Versuchsschiffes. „Wir haben schon mit Logistikunternehmen gesprochen“, sagte Alberding. Am Ende müsse man schauen, ob es sich in der Praxis bewährt.

Projektbeteiligte

Partner:

  • Alberding GmbH in Wildau als Koordinator
  • Institut für Kommunikation und Navigation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
  • Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam GmbH
  • Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme der Technischen Universität Berlin
  • Institut für Automatisierungstechnik der Universität Rostock
  • Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen

Unterstützer:

  • Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
  • Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen
  • BEHALA – Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft
  • FGL Handelsgesellschaft (AGRAVIS Raiffeisen-Gruppe)
  • Reederei Ed Line
  • Lutra – Hafen Königs Wusterhausen
  • FGL Handelsgesellschaft (AGRAVIS Raiffeisen-Gruppe)
  • Reederei Ed Line
  • Ministerium für Infrastruktur des Landes Brandenburg
  • Wirtschaftsförderung Land Brandenburg
  • Landkreis Dahme-Spreewald

Förderung und Laufzeit:

  • 4,2 Millionen Euro von Juni 2021 bis Juni 2024
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