Spedition Zobel: „Es braucht eine klare Richtung“
DVZ: Anfang des Jahres haben Sie mit externer Unterstützung ein Leitbild für die Spedition Zobel entworfen, das Unternehmenswerte und Ziele definiert. Warum?
Philip Zobel: Wir haben uns in den letzten Jahren immer mal wieder lose mit dem Thema Firmenkultur beschäftigt, aber es nie konkretisiert. Der Wunsch nach einem Leitbild zur Orientierung und Zielsetzung im Unternehmen kam durch unsere Personalabteilung und die Abteilungsleiter. Das Leitbild definiert nicht nur, wofür die Spedition Zobel steht, sondern auch, welche Ziele wir als Unternehmen gemeinsam mit unseren Mitarbeitern erreichen wollen.
Wie hat sich Unternehmensführung in den vergangenen Jahrzehnten verändert? Hat sich überhaupt etwas verändert?
Philip Zobel: Wir beide kennen Unternehmensführung, wie sie unsere Väter gemacht haben, schon von Kindesbeinen an. Vor gut 30 Jahren hatte die Spedition noch circa 20 Mitarbeiter. In den darauffolgenden Jahren hat sich unsere Unternehmensphilosophie auch durch die steigende Mitarbeiterzahl natürlich weiterentwickelt. Heute haben wir um die 200 Mitarbeiter.
Was hat sich konkret verändert?
Christian Zobel: Das ganze Thema Feedbackkultur gab es früher bei uns im Unternehmen nicht. Damals galt noch: Nicht geschimpft, ist Lob genug. Heute hat Feedback einen ganz anderen Stellenwert und ist für Führungskräfte und Mitarbeiter sehr wichtig. Zudem wollen sie proaktiv zu unternehmensrelevanten Themen abgeholt werden. Der Informationsfluss innerhalb des Unternehmens muss dafür gut funktionieren.
Philip Zobel: Die Führungsrolle ist zudem sehr zeitintensiv, daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Wir können thematisch nicht überall involviert sein, so dass es nötig ist, die Verantwortung für bestimmte Projekte oder Aufgabenbereiche auch mal komplett abzugeben – da sind wir noch in einer Findungsphase.
Macht es einen Unterschied, dass Sie ein Familienunternehmen und keinen Konzern leiten?
Philip Zobel: Ein Unterschied ist, dass wir eine größere Nähe zu unseren Mitarbeitern haben. Einige von ihnen kannten uns schon, als wir 15 Jahre alt oder jünger waren. Wir haben immer ein offenes Ohr und versuchen, unsere Mitarbeiter auch bei privaten Belangen zu unterstützen. Das wurde bei uns schon früher so gelebt.
Christian Zobel: Wir haben sogar Mitarbeiter, die länger für die Spedition Zobel arbeiten, als wir alt sind. Was uns im Vergleich zu einem Konzern ausmacht, sind sicherlich die kurzen Dienstwege und schnelle Entscheidungen. Zudem brauchen unsere Mitarbeiter eine klare Richtung, eine Art Verbindlichkeit und Zukunftsperspektive vonseiten des Unternehmens. Das war einer der Gründe für die Ausarbeitung des Leitbildes.
Das Unternehmensleitbild definiert vier zentrale Bereiche: Möglichmacher, Multimodalität, Mehrwert und Menschlichkeit. Warum diese Begriffe?
Philip Zobel: Wir haben alle Werte und Ziele, die wir für uns identifiziert haben, in diese vier Rubriken geclustert. Dazu gehören Werte wie regionale Verbundenheit, Innovationsgeist, Nachhaltigkeit oder Logistik aus einer Hand. Durch die externe Unterstützung unseres Unternehmensberaters wurde uns in diesem Prozess immerzu der Spiegel vorgehalten, und es haben sich Aufgaben ergeben, die zukünftig noch im Unternehmen angegangen werden müssen.
Wie waren die Reaktionen der Mitarbeitenden auf das Leitbild?
Christian Zobel: Sehr unterschiedlich. Einige waren kritisch und haben skeptisch reagiert, aber gerade den jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat es geholfen zu verstehen, wofür die Spedition Zobel steht und in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt.
Philip Zobel: Wir beobachten aber auch eine Art Aufbruchsstimmung im Unternehmen – nicht nur bei den Abteilungsleitern, mit denen wir im Workshop für das Leitbild zusammensaßen. Es hat sich zum Beispiel ein Projektteam gebildet, um weitere Themen voranzutreiben.
Wie gehen Sie mit den kritischen Stimmen um?
Christian Zobel: In erster Linie ist es wichtig, mit den Leuten zu reden, Unsicherheiten auszuräumen und sie direkt zu fragen, was genau ihnen nicht gefällt. Wir haben uns auch bewusst dazu entschieden, das Leitbild bei unserem Sommerfest vorstellen zu lassen – und zwar nicht von Philip und mir, sondern vom Führungskreis, der es mit uns entwickelt hat. Sozusagen aus der Mitte heraus.
Worin unterscheiden sich die Ansprüche der unterschiedlichen Generationen, wenn es um Führung geht?
Christian Zobel: Philip und ich befinden uns irgendwie zwischen den Generationen und können manche Ansprüche dadurch noch nicht so ganz nachvollziehen. Wir sehen aber, dass die neue Generation viel Sicherheit und Zuspruch braucht und an die Hand genommen werden muss. Die Alteingesessenen erwarten dagegen, dass Azubis schon alles verstanden haben müssten, wenn man es ihnen ein- oder zweimal erklärt hat. Auch die Art der Kommunikation hat sich verändert, die junge Generation will am liebsten nur noch per WhatsApp oder Mail kommunizieren. Telefonieren ist schwierig geworden.
Philip Zobel: In früheren Jahren waren in der Ausbildung auch noch deutlich längere Arbeitszeiten durch Überstunden üblich. Das gibt es heutzutage natürlich nicht mehr.
Ist es überhaupt möglich, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich Mitarbeiter aus allen Generationen gleichermaßen wohlfühlen?
Christian Zobel: Ich glaube, die ältere Generation passt sich schon sehr an die jüngere an. Aber wenn man da einen guten Mittelweg passend zum Unternehmen findet, dann können sich da schon alle Generationen drin wiederfinden. Und ich denke, das haben wir auch geschafft.
Und wie sieht es mit dem Thema Gehalt aus? Generation Z wird nachgesagt, mit einem besonders hohen Selbstbewusstsein höhere Forderungen zu stellen.
Philip Zobel: Da hat sich schon etwas verändert. Früher hat man immer gesagt, man muss erst etwas leisten, bevor man etwas fordern kann. Das hat sich jetzt umgedreht. Die Forderungen sind schon konkreter und anders, als es vor zehn Jahren der Fall war. Unsere Branche ist als Dienstleistungsbranche beim Thema Gehalt allerdings nicht auf dem gleichen Niveau wie zum Beispiel die Chemie oder Industrie. Das ist schon herausfordernd.
Sie haben erwähnt, dass es Mitarbeiter gibt, die schon für die Spedition Zobel gearbeitet haben, als Sie noch nicht einmal geboren waren. Wie schwierig ist es, für diese Mitarbeiter eine gute Führungskraft zu sein?
Christian Zobel: Tatsächlich haben wir nie Gegenwind bekommen, wir wurden von vornherein akzeptiert. Wir haben aber auch einen relativ lockeren Führungsstil, unsere Führungskräfte haben viele Handlungsfreiheiten in ihren Bereichen.
Philip Zobel: Das liegt, glaube ich, auch daran, dass die Kollegen wissen, dass das speditionelle Wissen vorhanden ist und wir dadurch, dass wir seit unserer Kindheit in der Branche aktiv sind, den nötigen Background haben.
Wie schwierig ist es, wirtschaftliches Wachstum mit Ansprüchen von Mitarbeitenden zu vereinbaren?
Philip Zobel: Ich glaube, dass sich am Markt am Ende derjenige durchsetzt, der die guten Mitarbeiter hat. Deswegen sind sie die zentrale Rolle jedes Unternehmens. Wenn man motivierte Mitarbeiter hat, dann kommt das Geschäft von ganz alleine. Natürlich gibt es aber auch Grenzen, was Wünsche von Mitarbeitern angeht. Es muss bezahlbar sein.
Was glauben Sie, wie sich das Thema Führung in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird?
Philip Zobel: Die Themen Mitsprache und Mitentscheidung werden immer größer, auch weil sich die Erziehung von Kindern dahingehend geändert hat. Daran werden wir uns anpassen müssen. Auch mit unserem Leitbild sind wir noch nicht am Ende, das ist ein Prozess, der ständig gelebt werden muss.
Christian Zobel: Das glaube ich auch. Gleichzeitig wird es auch darum gehen müssen, dass unsere Mitarbeitenden die Konsequenzen eigener Entscheidungen tragen. Das wird spannend zu beobachten sein. Außerdem werden Unternehmen transparenter sein müssen, was Kennzahlen betrifft.