Fehmarnbelt: Tunnel der Superlative
K aum ein Verkehrsprojekt in Deutschland war so umstritten wie der Fehmarnbelt-Tunnel. Naturschützer, aber auch Reedereien, wollten das Groß- projekt stoppen. Das Bundes- verwaltungsgericht wies jedoch alle Klagen gegen den Bau ab. Inzwischen arbeiten mehr als 2.000 Menschen auf der Baustelle des mit 18 Kilometern künftig längsten Absenktunnels der Welt, der Großteil auf der dänischen Seite.
Die Entscheidung fiel gegen eine Röhrenkonstruktion, weil der Untergrund im Fehmarnbelt nicht zum Bohren geeignet ist. „Gemessen an der Wirtschaftlichkeit, aus Umweltaspekten und aufgrund bautechnischer Risiken war daher ein Absenktunnel die beste Lösung“, erläutert Gerhard Cordes, Projektdirektor beim dänischen Bauherrn Femern.
Da die Arbeiten in einer mit etwa 70.000 Schiffsbewegungen pro Jahr sehr stark befahrenen Wasserstraße stattfinden, wurden speziell ausgewiesene Arbeitsbereiche im Fehmarnbelt eingerichtet, um die der Verkehr herumgeführt wird. Außerdem wurde die Verkehrszentrale VTS (Vessel Traffic Service) Fehmarnbelt eingerichtet, um den sicheren und reibungslosen Schiffsverkehr während der Bauphase zu gewährleisten.
Im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten sind bei Rødbyhavn auf Lolland und bei Puttgarden auf Fehmarn Baustraßen sowie Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen angelegt worden. Sowohl bei Rødbyhavn als auch in Puttgarden sind Arbeitshäfen entstanden, über die der Großteil des Baumaterials per Schiff angeliefert wird. Ebenso wichtig ist die frühzeitige Fertigstellung der Portale, also der Einfahrten in den Tunnel, da die Tunnelelemente hieran angedockt werden. Die Arbeiten dafür haben bereits 2022 begonnen, zuerst auf dänischer, später dann auch auf deutscher Seite.
Wichtigster Teil: der Tunnelgraben
Seit Sommer 2021 wird der etwa 18 Kilometer lange Tunnelgraben ausgehoben, das Herzstück der Baustelle. In ihn werden später die 89 Tunnelelemente abgesenkt und dann miteinander verbunden. Zum Einsatz kommen dabei mechanische Nassbagger wie Tieflöffelbagger und Seilgreifbagger, deren Aushub auf Schuten verladen wird, und hydraulische Laderaumsaugbagger, die den Meeresboden ins Schiff saugen und über eine Spülleitung an Land bringen.
Der Graben ist durchschnittlich zwischen 150 und 200 Meter breit und zwölf Meter tief. Um eine ebene Fläche am Boden sicherzustellen, wird der Meeresboden auch während der Aushubphase ständig vermessen. Bevor die Tunnelelemente in den Graben abgesenkt werden, wird mithilfe eines 131 Meter langen und 48 Meter breiten Spezialpontons eine Schicht Kies im Tunnelgraben als Fundament ausgebracht.
„Die Maschinen sind technisch so ausgestattet, dass über ein bereits eingerichtetes Geo-Positionierungssystem die Arbeiten am Tunnelgraben im Fehmarnbelt milli- metergenau ausgeführt werden können“, erläutert Markus Just, Bauingenieur bei Femern.
Die Tunnelelemente werden östlich von Rødbyhavn in einer eigens errichteten Anlage hergestellt, die bis Ende 2023 fertig sein soll. Die Standardelemente sind 217 Meter lang, 42 Meter breit, neun Meter hoch und wiegen jeweils 73.500 Tonnen. Jedes besteht aus neun Segmenten von 24 Meter Länge und 8.200 Tonnen Gewicht. Hinzu kommen Spezialelemente. Die Produktion je Standardelement dauert etwa neun Wochen. Alle zwei Wochen soll ein Element fertig werden.
Vor dem Transport werden die Elemente an beiden Enden mit Stahlschotten luftdicht verschlossen, gleichzeitig wird das Trockendock geflutet. Dann wird das Bauteil mithilfe von vier Schleppern zum tiefen Ende des Trockendocks gebracht und der Wasserstand dort auf Meeresniveau abgesenkt.
Das Wetter muss mitspielen
„Eine Herausforderung ist natürlich das Wetter, da der Absenkvorgang nur bei bestimmten Bedingungen sicher durchgeführt werden kann und voraussichtlich jeweils etwa 48 Stunden dauern wird“, erklärt Cordes. Das schwimmfähig gemachte Element wird dann von der Fabrik über die Bassins und den Arbeitshafen zu einem Vorhaltebereich gebracht und dort „geparkt“, bis es zur richtigen Position im Fehmarnbelt geschleppt werden kann. „Hierbei kommen Absenkpontons zum Einsatz und weitere Begleitschiffe, die den Vorgang steuern und überwachen. Auch Wachschiffe als verlängerter Arm der Verkehrszentrale Fehmarnbelt werden hierbei Position beziehen und für die Sicherheit sorgen“, so der Projektleiter.
Beim Absenken der Elemente ist Präzision gefragt: „Für diese Arbeiten wird ein eigens für dieses Projekt errichtetes Positioniersystem eingesetzt“, berichtet Just. Mithilfe von Stahlseilen können die Tunnelelemente mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern auf den Meeresboden gesenkt und dann zusammengefügt werden. Ein Arretierungssystem sichert die genaue Position zum vorangehenden Teil. Die Elementfugen werden ohne technische Hilfe, nur mittels Unterdruck, geschlossen. Dieser entsteht, sobald das Wasser aus dem Hohlraum zwischen den beiden Endschotts gepumpt wird, und sorgt für eine wasserdichte Verbindung. Voraussichtlich werden auch Tauchroboter zum Einsatz kommen, jedoch hauptsächlich zur Überwachung und für Spezialaufgaben.
„Bereits nachdem die ersten Tunnelelemente abgesenkt sind, beginnt der Einbau der technischen Anlagen“, erläutert Cordes. „Dazu gehören Lüftung, Anlagen für die Kommunikation und Datenübertragung, Beleuchtung, Beschilderung sowie die Straßen- und Bahnanlagen.“ Hinzu kommen Asphaltierungs- und Markierungsarbeiten. Vor der Eröffnung des Tunnels müssen alle Installationen gründlich getestet sowie die Sicherheits- und Rettungsprozeduren von den Behörden geprüft und genehmigt werden.
Zum Schluss wird der Tunnel zum Schutz vor Beschädigungen durch sinkende Schiffe oder schwere Anker mit einer 1,20 Meter dicken, groben Schicht bedeckt – insgesamt etwa drei Millionen Kubikmetern Gestein und Kies. Das Material wird von Spezialschiffen auf den Tunnelelementen und seitlich davon aufgebracht. Danach soll die Meeresströmung dafür sorgen, dass der Tunnel im Laufe der Zeit wieder mit Sand bedeckt wird. (zp/fh)