Was junge Logistiker vom Arbeitsmarkt erwarten

Die Logistikbranche steht unter Druck, junge Talente zu gewinnen – und die Generation Z stellt neue Anforderungen. Zwischen Sinnsuche, Struktur und Selbstbewusstsein eröffnen sich Chancen für beide Seiten, zeigte eine Diskussionsrunde auf der transport logistic.

Die Podiumsteilnehmenden (v.l.n.r.): DVZ-Redakteurin Amelie Bauer (Moderation), Benjamin Lang, Julia Krzykowski, Lea-Marie Mager und Julian Mösle am letzten Tag der transport logistic. (Foto: Messe München/Thomas Pletting)

Keine Lust auf Arbeit und immer nur die Work-Life-Balance im Kopf? Die Vorurteile gegenüber der jungen Generation Z (Geburtsjahrgänge 1995 bis 2010) sind weit verbreitet. Aktuelle Zahlen widerlegen sie: Die Erwerbsbeteiligung der 20- bis 24-Jährigen stieg zwischen 2015 und 2023 auf 79,5 Prozent, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Ein derart großer Anteil junger Menschen habe zuletzt Mitte der 1990er Jahre gearbeitet. Vor allem Studierende gehen heute öfter Nebenjobs nach als noch vor einigen Jahren. Analysiert wurden nur Daten von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Welche Kriterien sind jungen Menschen wichtig, wenn es um ihre Berufswahl geht? Und was wünschen sie sich von Unternehmen und Führungskräften, um der Logistikbranche langfristig erhalten zu bleiben? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Was junge Menschen wirklich wollen“ am letzten Tag der diesjährigen transport logistic in München. Organisiert wurde das insgesamt dreistündige Forum von der Initiative „Die Wirtschaftsmacher“.

Wertschätzung statt Aufopferung

„Die junge Generation ist sich bewusst, dass sie Tausende von Möglichkeiten am Arbeitsmarkt hat, und nimmt sich auch die notwendige Zeit, um sich zu orientieren“, sagt Julian Mösle, dualer Student beim österreichischen Logistikdienstleister Gebrüder Weiss, zu den Vorwürfen gegen seine Generation.

Wir kennen unseren Wert und wollen Wertschätzung. Julia Krzykowski, Business Development Manager, Bruhn Spedition

„Ich glaube, dass wir einfach nicht mehr so aufopferungsvoll sind. Wir sind bereit, viel zu arbeiten, und faul würde ich auf gar keinen Fall unterschreiben – aber wir kennen unseren Wert und wollen Wertschätzung vom Unternehmen und den Kollegen bekommen“, ergänzt Julia Krzykowski, Business Development Manager bei der Bruhn Spedition und Studentin. Die junge Generation passe auf sich auf – ein durchaus positiver Trend für die 24-Jährige.

Die vielen beruflichen Möglichkeiten machen es jungen Menschen jedoch schwer, den richtigen Weg für sich zu finden, weiß die 17-jährige Lea-Marie Mager, Auszubildende Kauffrau für Büromanagement bei der Seifert Logistics Group. Orientierung biete neben Social Media und eigenen Recherchen im Internet vor allem der persönliche Kontakt zu Unternehmen auf Berufsinformationsmessen.

Eine weitere Hürde ist der Einstieg ins Berufsleben. „Nach dem Abitur direkt in den Betrieb zu wechseln war schon eine krasse Umstellung“, erinnert sich der 27-jährige Mösle. „Es ist eine Zeit, in der sich sehr viel verändert. Da müssten die Betriebe den jungen Leuten vielleicht noch mehr entgegenkommen.“ Vor allem die Onboarding-Phase spiele dabei eine zentrale Rolle.

Mit Fehlern umgehen

Bei ihrer Berufswahl achten die Panelisten neben flachen Hierarchien, einem vernünftigen Gehalt und Entwicklungsmöglichkeiten besonders stark auf eine offene Fehlerkultur. „Das finde ich wahnsinnig wichtig und sehe ich als einen Unterschied zu anderen Generationen“, beobachtet Krzykowski. „Natürlich machen wir alle Fehler, aber es bringt niemandem etwas, wenn man dafür ausgeschimpft wird.“

Mösle sieht in klaren Strukturen und Hierarchien dagegen die Chance, dem jungen Nachwuchs Orientierung zu bieten und ihm die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern: „Man darf die straffen Strukturen nicht so verteufeln. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Ausbildung auch dazu da ist, Persönlichkeiten zu erschaffen und nicht nur Fachkompetenz zu vermitteln – da sind klare Strukturen in der Firma selbst und während der Ausbildung schon wichtig.“

Darüber hinaus können Networking-Möglichkeiten wie Arbeitsgruppen mit anderen Azubis oder Studierenden ebenso wie Austauschprogramme mit anderen Unternehmen helfen, sich in der Arbeitswelt schneller zurechtzufinden und die vielen beruflichen Möglichkeiten innerhalb der Logistikbranche besser einschätzen zu können.

„Ich glaube, man kann den Weitwinkel nicht annährend einschätzen, wenn man in der Branche anfängt und ich will auch nicht behaupten, ihn schon zu haben. Man lernt immer mehr dazu und die Logistik bewegt sich mit neuen Entwicklungen und Trends weiter. Die Vielseitigkeit ist grenzenlos“, sagt Krzykowski. Bekannt seien die vielen Möglichkeiten und Aufgabenfelder der einzelnen Berufe nach außen aber nicht.

Die Ausbildung ist auch dazu da, Persönlichkeiten zu erschaffen. Julian Mösle, dualer Student bei Gebrüder Weiss

„Mir hat es zum Beispiel geholfen, auf Social Media schon genau sehen zu können, was eigentlich meine Aufgaben während der Ausbildung sein werden und welche Zuständigkeiten ich übernehmen darf“, sagt Mager, die als Azubi-Projekt den TikTok-Kanal der Seifert Logistics Group betreut.

Grenze zwischen Arbeit und Freizeit

Eines der größten Vorurteile gegen die junge Generation ist die angeblich starke Priorisierung ihrer Work-Life-Balance. Wie blickt der Nachwuchs selbst auf das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit?

„Natürlich ist das ein wichtiges Thema. Es geht aber nicht darum, weniger zu arbeiten und mehr Freizeit zu haben, sondern die Balance in beide Richtungen zu halten“, erklärt Krzykowski. „Den richtigen Beruf zu finden, hat etwas mit Leidenschaft zu tun und dann ist man in bestimmten Phasen auch bereit, ein bisschen was von der Life-Seite rüber auf die Work-Seite zu geben – genauso darf es dann aber auch mal andersherum laufen. Dafür braucht es Vertrauen vom Arbeitgeber.“ Dazu gehört auch mehr Selbstbestimmung. Hilfreich wäre es, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließender zu gestalten, ist der Student Mösle überzeugt.

Größe zeigen

Um die wachsende Kluft zwischen den Generationen wieder zu verkleinern, sei es in erster Linie wichtig, einander zuzuhören und gegenseitig voneinander zu lernen, sind sich die Podiumsteilnehmenden einig. „Die ältere Generation kann von uns zum Beispiel lernen, wie man mit neuen Technologien umgeht und dabei flexibel bleibt“, meint Mager. Zugleich bringe der Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt eine gewisse Gelassenheit in vielen Bereichen mit, beobachtet der 20-jährige Benjamin Lang, Auszubildender bei Alfred Amenda & Sohn Transport in Pfaffenhofen bei Ingolstadt.

Von der Logistikbranche wünschen sich die vier jungen Panelisten zum Abschluss unter anderem mehr Sichtbarkeit, eine modernere Selbstrepräsentation, Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden, gegenseitigen Respekt und das Gefühl von Zusammengehörigkeit.

Um das Image der Logistik langfristig zu verbessern, bedarf es aber auch mehr Selbstbewusstseins und eine entsprechende Haltung nach außen, ist Mösle überzeugt und appelliert an die Unternehmer: „Ich würde mir von der gesamten Branche wünschen, dass sie aufhört, sich so klein zu machen.“

HR im Fokus

Mitarbeiter finden, integrieren und binden. Auch darum ging es vom 2. bis 5. Juni auf der transport logistic in München. Personalthemen wie Employer Branding, Personalmanagement, Fachkräfteeinwanderung und New Work belegten am letzten Messetag gleich drei der vier Foren. 2023 waren 9 Prozent der Messebesucher in Ausbildung oder Studium.

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