Slowenien: Autohersteller prüfen Hochwasser-Folgen

Unwetter in Österreich und Slowenien haben Anfang August zu schweren Überschwemmungen und Erdrutschen geführt. Nach Experteneinschätzung könnte es kurzfristig zu Lieferengpässen in automobilen Lieferketten kommen.

Unwetter in Österreich und Slowenien haben Anfang August zu schweren Überschwemmungen und Erdrutschen geführt. Infolgedessen gab es in Nord- und Zentralslowenien weitreichende Störungen in Transport und Logistik. Straßen mussten wegen Erdrutschen gesperrt werden, Brücken sind teilweise zerstört.

Auch Fabriken sind beeinträchtigt. Schwere Auswirkungen auf die Produktion werden nach Einschätzung der Experten von Everstream Analytics, einem Anbieter von Risikomanagementlösungen für Lieferketten, wahrscheinlich vor allem zu Störungen in der Automobilindustrie führen. „Die deutsche Automobilindustrie ist mit Tochtergesellschaften und Zulieferern in Slowenien präsent. Die Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe in Slowenien auf die Produktion werden derzeit noch in den Unternehmen geprüft“, sagt eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

Alternative Beschaffungsquellen

Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg spricht von überschaubaren Beeinträchtigungen. „Es könnte bei dem ein oder anderen Autobauer zu lokalen Zulieferengpässen kommen. Aber grundsätzlich dürfte der Engpass nach 3 Wochen wieder weg sein.“ Besonders betroffen sein könnten Teile aus der Kfz-Elektrik, Motorenteile, Komponenten für Elektromotoren und Karosserieteile, wie etwa Bumper. Dudenhöffer geht davon aus, dass die Hersteller Lieferverzögerungen durch andere Beschaffungsquellen ausgleichen können.

Die Wiederherstellung von Produktionskapazitäten in Slowenien dürfte unterdessen länger dauern. Unternehmen wie TAB Mežica, ein Hersteller von Blei- und Lithium-Ionen-Batterien für die Automobilindustrie, fordern, dass die Reparatur von Straßen und Infrastruktur Vorrang haben muss, bevor die Reparatur von Anlagen und Fabriken möglich ist.

Nach Angaben von Prof. Klaus-Jürgen Schmidt, Direktor des Instituts für Produktions- und Logistiksysteme in Saarbrücken, produzieren außer TAB unter anderem die Zulieferer KLS Ljubno, Svilanit, Ivarna Titan Cinkarna Celje, SIJ Ravne Systems, Cablex-M, Bisol Group und Lek in Slowenien. Zerstörte Infrastruktur und beschädigte Produktionsanlagen sind das eine. „Zudem mussten sich durch die Naturkatastrophe viele Mitarbeiter um die Sicherung ihrer Häuser kümmern, so dass die Belegschaften ausgedünnt sind“, erklärt Prof. Schmidt.

Die Autobahnen in Slowenien sind dem ADAC zufolge mittlerweile wieder problemlos befahrbar, auf dem untergeordneten Straßennetz ist aber noch längere Zeit mit Einschränkungen zu rechnen. Die Verkehrsstörungen konzentrierten sich vor allem auf die Einzugsgebiete der Flüsse Save, Drau und Mur. Hier seien noch etliche Straßenverbindungen unpassierbar und innerslowenische Zugverbindungen unterbrochen. „Der internationale Zugverkehr läuft hingegen weitgehend planmäßig“, teilt der ADAC mit.

Der in Slowenien tätige Dienstleister Gebrüder Weiss teilt mit, dass der internationale Transport nach und von Slowenien weiterhin funktioniert. Lediglich die Abholung und Zustellung in einigen Gebieten der Region Koroška sei nicht möglich. Dort seien die Städte Dravograd, Mežica, Ravne na Koroškem und Črna na Koroškem wegen zerstörter Straßen und Brücken aktuell nicht erreichbar. „Die slowenische Regierung wird diese Städte mit Militärbrücken und einfachen Verkehrsmöglichkeiten wieder verbinden. Wie und wann wir hier eine Verbesserung der Infrastruktur für den Schwerlastverkehr erwarten können, ist schwer zu sagen“, sagt ein Sprecher von Gebrüder Weiss gegenüber der DVZ. „In allen anderen slowenischen Städten und Regionen, die ebenfalls überflutet wurden, ist der Transport bereits wieder möglich.“

Risikomanagement zahlt sich aus

Die deutsche Automobilindustrie berichtet nicht über nennenswerten Störungen. „Wir stehen in direktem Kontakt mit unseren Lieferanten und gehen aktuell von keiner unmittelbaren Auswirkung auf die Liefersituation aus, beobachten die Entwicklung jedoch weiterhin sehr aufmerksam“, teilt eine Sprecherin von Mercedes-Benz, Bereich Produktion und Supply Chain, mit. „Grundsätzlich versuchen wir uns bei der Beschaffung weiter zu diversifizieren, um Risiken in der Lieferkette zu minimieren.“

Prof. Schmidt vom IPL geht davon aus, dass die OEM in den vergangenen Jahren genügend Erfahrungen gewonnen und ihre Risikomanagementsysteme ausgebaut haben. Dann führen auch solche außerordentlichen Krisen nicht zu großen Störungen in der eigenen Produktion. „Moderne IT-Plattformen erlauben eine schnelle Erkennung von Problemen und deren Auswirkungen in der Supply Chain“, erklärt Prof. Schmidt. „So werden die Handlungsspielräume transparent, um durch Veränderungen des Produktionsprogramms oder Mehrabnahme von Alternativlieferanten negative Einflüsse auf die eigene Produktion zu minimieren.“ In den Aufträgen zwischen OEM und Zulieferern sei zunehmend verankert, dass im Krisenfall Komponenten auch aus anderen Standorten geliefert werden können. Derzeit werde intensiv von den OEM bei den Zulieferern nachgefragt, welche Risiken bestehen und wie diese beseitigt werden können.

Die slowenische Agentur für Wirtschaftsförderung gibt an, dass 2022 20 Prozent der gesamten slowenischen Exporte auf Automobilkomponenten entfallen. Die meisten dieser Exporte gehen nach Deutschland (33 Prozent), Frankreich (14 Prozent) und Italien (7 Prozent). Im Jahr 2022 belief sich der Wert der Automobilexporte des Landes auf 4,1 Milliarden Euro. (rok)

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