Automotive-Lieferkette: Mehr Stabilität durch Kooperation

Mit Herzogenaurach dürften viele Menschen in Deutschland vor allem die zwei großen Sportartikelmarken Adidas und Puma verbinden. Doch in der mittelfränkischen Stadt mit ihren rund 25.000 Einwohnern hat noch ein weiteres globales Unternehmen seinen Sitz: der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler. Das börsennotierte Familienunternehmen mit seinen weltweit 83 Werken, etwa 83.000 Beschäftigten und zuletzt 15,8 Milliarden Euro Jahresumsatz ist in dieser Woche Gastgeber des Forums Automobillogistik, den der Verband der Automobilindustrie (VDA) gemeinsam mit der Bundesvereinigung Logistik (BVL) veranstaltet.
Entsprechend spricht am Mittwoch zum Auftakt Andreas Schick, Vorstand Produktion, Supply Chain Management und Einkauf der Schaeffler AG. Globale Chancen nutzen, sich aber lokal ausrichten und intelligent vernetzen, lautet seine Devise. Er macht schnell klar, welche zwei Themen für die Branche von besonders großer Bedeutung sind: Nachhaltigkeit und Resilienz. „Wir wollen dort sein, wo die Kunden und die Märkte sind“, sagt er. Um nachhaltiger und agiler zu werden, gelte es lokale und regionale Partnerschaften aufzubauen. So könnten Transporte optimiert und die Transportzeiten sowie die Emissionen reduziert werden. Aktuell habe Schaeffler noch signifikante Volumenströme, die von Europa in andere Regionen gehen, vor allem nach China, aber auch aus China heraus. „Das ist sehr viel – zu viel“, sagt Schick und fügt hinzu: „Das müssen und werden wir verändern.“
Und in Sachen Widerstandsfähigkeit brauche es nicht nur operative, sondern auch kommerzielle Resilienz. Die Branche habe in den vergangenen Jahren Extremsituationen erlebt, und zwar nicht nur hinsichtlich der Transport- und Durchlaufzeiten, sondern auch bei den Kosten. Das Gesamtsystem müsse funktional bleiben. „Denn gerade die Autoindustrie funktioniert nur als Netzwerk“, sagt der Manager weiter.
Schick glaubt an technologische Lösungen und die Digitalisierung, um die künftigen Herausforderungen bewältigen zu können. Daten spielten gerade in der Logistik eine immer größere Rolle. Es brauche mehr Daten zum Planen und Steuern sämtlicher Supply-Chain-Prozesse. In einem sogenannten Transportation Data Cube, den Schaeffler entwickelt hat, vernetzt der Zulieferer alle Logistikdaten. Das Tool filtert aus Milliarden von Daten diejenigen, die für die Bestimmung des jeweils optimalen Transportwegs erforderlich sind.
Schaeffler gehört auch zu den Gründungspartnern von Cofinity-X, einem Gemeinschaftsunternehmen mit Mercedes-Benz, BASF, BMW Group, Henkel, SAP, Siemens, T-Systems, Volkswagen und ZF. Cofinity-X möchte eine der ersten Betreibergesellschaften werden, die Produkte und Dienstleistungen für den sicheren Austausch von Daten entlang der automobilen Wertschöpfungskette im Rahmen des Datenökosystems Catena-X anbietet.
China und der Westen brauchen sich
Ein Thema, dass die Automobilakteure derzeit besonders beschäftigt, ist die Diskussion um den Umgang mit China. Die Veranstalter hatten mit Thomas Heck, Leiter der China Business Group bei Pricewaterhouse Coopers, dafür extra einen Experten eingeladen. Er rät allein schon wegen der globalen Aufgabe des Klimaschutzes nicht alle Themen mit China konfrontativ anzugehen, sondern immer auch nach Kooperationsmöglichkeiten zu suchen.
Die Stärke Chinas sieht Heck darin, hoch technisierte Produkte sehr schnell zu skalieren. Das könnte seiner Ansicht nach mit Blick auf die für die Dekarbonisierung benötigte Technik noch wichtig werden, hier könnte China auch Europa helfen.
Zugleich dürfe man China aber auch nicht überhöhen. Die Chinesen seien derzeit nicht imstande alles zu produzieren, was der Westen herstellen kann. Es bestünden gegenseitige Abhängigkeiten. Bei essenziellen Technologien gelte es eben, einseitige Abhängigkeiten von China zu vermeiden. Und ja, dafür braucht es laut Heck auch „eine gewisse Industriepolitik und eine Steuerung vom Staat“. Und natürlich müsse über Konfliktfelder gesprochen werden. Heck: „Wichtig ist einfach, dass wir immer aus einer Position der Stärke heraus mit China diskutieren können.“
Neues Normal bei Halbleitern
Noch immer höchst präsent ist in der Autobranche die Chipversorgung. Halbleiter gehören neben Batterien und künstlicher Intelligenz zu den Schlüsseltechnologien im künftigen Automotive-Geschäft. Zuletzt scheint sich die Liefersituation zwar etwas entspannt zu haben, nachdem wegen des Chipmangels in den vergangenen Jahren Millionen von Autos nicht produziert werden konnten.
Kenneth Francis, der Leiter des Strategieprojekts Halbleitermanagement bei Continental Automotive, wirkt beim Branchentreff in Herzogenaurach aber alles andere als sorglos. Bei der Halbleiterversorgung gebe es ein neues Normal, sagt er. „Da haben wir bei weitem nicht mehr die Stabilität wie in den 30 Jahren vor Corona“, fügt er hinzu. Die Chipnachfrage der Autobranche wird sich nach VDA-Prognosen zwischen 2021 und 2030 in etwa verdreifachen. 2021 lag der Anteil der Branche am Halbleitermarkt bei 8 Prozent, 2030 dürften es 14 Prozent sein. „Wir bewegen uns aber in einem Markt, in dem die Kapazitäten eingeschränkt sind.“
Es gelte, gemeinsam mit den Autoherstellern eine langfristige Planung aufzusetzen. Für die Halbleiter bräuchte es laut Francis eigentlich eine robuste Prognose für 36 Monate. Inzwischen würden die Bedarfe zumindest auf zwei Jahre mit den Halbleiterlieferanten festgelegt. „Wir müssen partnerschaftlich zusammenarbeiten entlang der gesamten Lieferkette“, betonte Francis. Nur so ließe sich Stabilität herstellen.