Citylogistik mit Binnenschiffen: „Ein Verkehrsträger für dicht besiedelte Gebiete“

In Städten mit Flüssen oder Kanälen können Binnenschiffe dazu beitragen, das Verkehrsaufkommen auf den Straßen zu verringern. Loïc Pecher vom Brüsseler Beratungsunternehmen Coventuris hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Bedingungen dafür erfüllt werden müssen.

Binnenschiffe können beim Warentransport in städtischen Ballungsräumen eine nützliche Rolle spielen. Dafür muss die Binnenschifffahrt gut in komplexe Abläufe der Citylogistik integriert werden. Worauf es dabei ankommt, hat die DVZ Loïc Pecher gefragt, der schon verschiedene Kommunen und Unternehmen bei dem Thema beraten hat.

DVZ: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Citylogistik, die Binnenschifffahrt einbezieht, gut funktioniert?

Loïc Pecher: Die Binnenschifffahrt kann ein hervorragender Verkehrsträger sein, um Waren mit minimalen Umweltbelastungen in dicht besiedelte städtische Gebiete zu bringen, die über Flüsse oder Kanäle erreicht werden können. Mit der Citylogistik muss es sowohl eine digitale als auch eine physische Verknüpfung geben. Informations- und Trackingtechnologien sind erforderlich, um die Be- und Entladevorgänge in der Lieferkette gut planen und koordinieren zu können. Der Warenumschlag ist einer der größten Engpässe und erfordert innovative Lösungen, wie etwa ein mit einem Bordkran ausgestattetes Schiff, die Verwendung standardisierter Container oder die Einrichtung gesicherter Lagerbereiche, wenn die Ware nicht gleich weitertransportiert werden kann.

Wie finden Sie die richtigen Umschlagplätze in den Städten? Dort werden die Kais oft von der Öffentlichkeit genutzt. Wie stellen Sie sicher, dass Fußgänger durch das Entladen nicht gefährdet oder die entladenen Waren nicht gestohlen werden?

In Brüssel wurden zwei Standorte für die Anlieferung von Baumaterialien anhand eines Verkehrsmodells ausgesucht, das Faktoren wie Nachfrage, Fahrstrecken oder Zugänglichkeit berücksichtigt. Diese Umschlagplätze sind eingezäunt und gesichert und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. In Paris ist die Aktivität der städtischen Häfen gut in die Stadt integriert, mit dem Kai des Port de la Bourdonnais, der von Fußgängern mitbenutzt werden kann, wenn keine Logistikvorgänge stattfinden, oder dem Kai des Port de Tolbiac, wo es Schüttgutlager auf Stelzen gibt. Wo Kais mit der Öffentlichkeit geteilt werden müssen, kann man mit Zäunen, Kameras, Beschilderung und Zugangskontrollen arbeiten, oder Lagerbereiche abtrennen. Schwimmpontons können als innovative Umschlaglösung für das Entladen und die vorübergehende Lagerung genutzt werden.

Gibt es Waren, die sich besser für den Schiffstransport in Innenstädte eignen als andere?

Auf jeden Fall. Die Binnenschifffahrt eignet sich gut für den Transport von Baumaterialien in Städte, wobei Paletten, Big Bags und ähnliches verwendet werden. Abfall ist als Rückfracht interessant, das dient der Kreislaufwirtschaft. Eine weitere interessante Güterart sind Pakete, da die Zahl der Waren im elektronischen Handel weiter zunehmen wird. Dabei gibt es jedoch Herausforderungen, da Pakete in der Regel mehr Volumen als Gewicht haben und die Verbraucher an schnelle Lieferungen gewöhnt sind. Eine innovative End-to-End-Containerisierung könnte hier die intermodale Logistik erleichtern, etwa den Transport von Waren, die besonders wertvoll sind, oder deren Temperatur kontrolliert werden muss. 

Foto: Coventuris

Loïc Pecher ist Managing Partner bei Coventuris. Das Brüsseler Beratungsunternehmen ist auf Transport und Logistik und besonders auf Binnenschifffahrt spezialisiert.

Funktionieren die Konzepte nur bis zu einer bestimmten Entfernung der Endkunden vom Fluss oder Kanal?

Das Interessante an der Citylogistik ist, dass man viele potenzielle Kunden innerhalb eines kleinen Radius hat. Die Lieferung von Baumaterialien von einem Hafenterminal im Stadtzentrum ist bis zu einer Entfernung von etwa 30 Kilometern wirtschaftlich machbar. Jede Situation ist anders und muss unter Berücksichtigung der Kosten der einzelnen multimodalen Transportabschnitte und Umschlagaktivitäten bewertet werden. Darüber hinaus wird die Verringerung der externen Kosten - Luftverschmutzung, Staus, Lärm, Unfälle und so weiter - durch die Binnenschifffahrt in den kommenden Jahren eine immer wichtigere Rolle im Entscheidungsprozess spielen. Bei Baumaterialien ist es eine gute Strategie, den Transport von beispielsweise 2.000 Tonnen Paletten bis zu einem Knotenpunkt zu bündeln und die Materialien dann per Lkw in einem Radius von etwa 25 Kilometern auszuliefern. In Brüssel können die am Kanal gelegenen und von der Binnenschifffahrt belieferten Baukonsolidierungszentren 70 Prozent der Bevölkerung und aller städtischen Baustellen in einem Umkreis von 5 Kilometern erreichen.

Sind Städte mit vielen Kanälen besser geeignet als solche, bei denen der Wasserweg weiter vom Zentrum entfernt ist?

Die Binnenschifffahrt ermöglicht es, historische Stadtzentren zu beliefern, wo der Zugang auf der Straße schwieriger ist. Allerdings ist die Größe der Kanäle in einer Stadt wie zum Beispiel des belgischen Gent eine Herausforderung. Kleinere Schiffe sind erforderlich, um das Stadtzentrum zu erreichen und unter den Brücken hindurchzufahren. Im Falle von Baumaterialien ist es aufgrund der geringeren Transportmengen dann schwieriger, wirtschaftlich zu arbeiten. Innovationen wie autonom fahrende Schiffe und das Platooning von kleinen Schiffen könnten dazu beitragen, die Personalkosten zu senken und die Energieeffizienz zu verbessern.

Welcher Rechtsrahmen ist erforderlich, um die Nutzung von Binnenschiffen in der Citylogistik zu fördern?

Der ideale Rahmen sollte Anreize für Unternehmen geben, die Binnenschifffahrt zu nutzen. Im Falle der Baulogistik könnten die Behörden in öffentlichen Ausschreibungen ein Mindestmaß an Sammeltransporten vorschreiben, für die die Binnenschifffahrt die beste Option sein könnte. Es ist auch möglich, bei Ausschreibungen einen Logistikplan einzufordern und die Nutzung nachhaltiger Logistikalternativen zu belohnen. Dies sollte allerdings erst geschehen, wenn die zu transportierenden Materialien bekannt sind. Denkbar ist auch, Subventionen zu zahlen, die von der Reduzierung der Lkw-Kilometer abhängig sind.

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