Geeignete Botschaften gibt es genug

Kulturwandel, Kommunikation und Vernetzung: Wie die Logistik attraktiv für die nächste Generation werden kann. Ein Gastbeitrag anlässlich der Messe transport logistic von Christoph Meyer, Geschäftsführer bei der Bundesvereinigung Logistik (BVL).

Diejenigen, die bereits im
Job sind, wollen meist nicht
mehr weg aus der Logistik. (Foto: iStock)

Der vielbeschworene Fachkräftemangel ist kein Spezifikum der Logistik. Die demografische Entwicklung ist für ganz Europa ähnlich und betrifft alle Wirtschaftsbereiche. Dennoch ist die Logistik in besonderer Weise betroffen: Zum einen wird hier in vielen Bereichen weiterhin ein dynamisches Wachstum erwartet, der Bedarf an Fachkräften steigt also noch. Zum anderen aber leidet der Sektor schon immer darunter, nicht so im Fokus von Arbeitssuchenden zu liegen wie andere Bereiche – was auch an einem noch ausbaufähigen Image liegt. Dieses Thema steht bei der BVL in diesem Jahr besonders im Fokus, so gibt es ein Fachforum auf der transport logistic und entsprechende Sequenzen beim Deutschen Logistik-Kongress.

Was können nun kleine und große Logistikunternehmen tun, um dem Nachwuchs eine attraktive Zukunft in Aussicht zu stellen, Berufserfahrenen spannende neue Perspektiven zu eröffnen und für Mitarbeitende attraktiv zu bleiben? Die von der BVL unterstützte Konsortialstudie zum Fahrermangel unter der Leitung der Professoren Wolfgang Stölzle, Thorsten Schmidt und Christian Kille hat kürzlich am Beispiel des Fahrpersonals gezeigt, welche Hebel Unternehmen haben, um attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Sie müssen vor allem beweisen, dass bei ihnen der Mensch im Mittelpunkt steht. Bei aller Automatisierung und Digitalisierung bleibt er systemrelevant – und verdient ehrliche und spürbare Wertschätzung.

Gemischte Teams in jeder Hinsicht

Die vielen Facetten von „New Work“ gehören ausbuchstabiert, unter anderem durch Flexibilität in der Arbeitsgestaltung. Für Schreibtischjobs bedeutet dies vor allem die Möglichkeit, Teile der Arbeitszeit außerhalb des Büros verbringen zu können. Im Lager und beim Transport sind es flexible und mitarbeiterzentrierte Einsatzplanungen, die zum Beispiel dafür sorgen, dass Fahrpersonal nicht regelmäßig über Nacht oder übers Wochenende unterwegs ist oder nur Nachtschichten verordnet werden. Auch der Umgang mit Fahrern an der Rampe gehört mehr als nur diskutiert. Nachweislich gut fürs Betriebsklima und attraktiv für neue Mitarbeitende ist mehr Diversität im Unternehmen. In jeder Hinsicht gemischte Teams – das ist weit mehr als „Männer und Frauen“ – zeugen von der Modernität eines Unternehmens und steigern die Performance. Eine Unternehmenskultur sollte dabei auch in Richtung Führungspositionen Diversität fördern. Der zusätzliche Vorteil: Mit diesem Fokus wird der Pool an potenziellen Mitarbeitenden deutlich größer.

Doch nicht nur die konkreten Arbeitsbedingungen wie eine wettbewerbsfähige Bezahlung oder weitere Annehmlichkeiten im Arbeitsalltag spielen eine Rolle für Bewerbende. Immer wichtiger wird, ob ein Unternehmen auch nachhaltig und sozial agiert und ob Unternehmensziel und Produkte als sinnstiftend und sinnvoll wahrgenommen werden. Sind Ziele für den Weg zur CO2-Neutralität formuliert? Wird in erneuerbare Energien wie Photovoltaik investiert? Gibt es einen Fahrplan für den Umstieg auf alternative Antriebe in der Flotte? Gibt es den klassischen üppigen Dienstwagen oder ein Mobilitätsbudget, welches eine Nutzung von ÖPNV, Fahrrad oder Elektromobilität belohnt? Dies werden aktuelle und kommende Generationen auf dem Arbeitsmarkt fragen.

Nicht nur in der Studie zum Fahrermangel fällt jedoch immer wieder eines auf: Diejenigen, die bereits im Job sind, wollen meist nicht mehr weg aus der Logistik. Wenn ein Unternehmen also ein Talent für sich begeistern konnte, dann hat es gute Chancen, dieses zu halten. Was wiederum heißt: So schlecht steht es also nicht um die Attraktivität der Logistik- jobs. Warum also schafft es der Wirtschaftsbereich dann nur bedingt, dies auch Non-Logistikerinnen und -Logistikern zu vermitteln? Das ist zu großen Teilen eine Frage der richtigen Kommunikation. Klar, Berichte über schwarze Schafe schrecken immer wieder ab und schaden dem ganzen Wirtschaftsbereich, und die Bilder von Lkw-Kolonnen im Stau und überfüllten Autobahnparkplätzen lassen sich auch nicht mal eben wegwischen. Nichts ist so beständig wie ein lieb gewonnenes Vorurteil.

Arbeitgeber-Branding ist ein Muss

Die Lösung ist, für das eigene Unternehmen eine starke Marke zu entwickeln, kontinuierlich in die gewünschte Zielgruppe zu kommunizieren und sich so positiv abzuheben. Employer Branding ist kein Nice-to-have! Im Vorteil sind viele Logistikabteilungen von Industrie und Handel, weil ihre Marken mit den Produkten positiv aufgeladen werden können und sie oftmals auch erfahrener im Marketing sind. Für viele Logistikdienstleister sind das häufig (noch) fremde Welten – auch hier gibt es aber bereits tolle Vorreiter.

Botschaften gibt es genug: Der Fokus auf Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und die Arbeitgeberleistungen sowie die Betonung der Systemrelevanz von Logistik und Supply Chains bilden die Basis für spannende Kommunikation und sind Themen, die (nicht nur) Berufsanfängern heute wichtig sind. All dies muss möglichst erlebbar gemacht werden – am besten durch eigene Mitarbeitende als die glaubwürdigsten Multiplikatoren.

Das Video aus dem Lkw oder Lager auf Instagram oder Tiktok kann moderne Technik und vor allem die Begeisterung und Leidenschaft der Beschäftigten zeigen. Vielen jungen Menschen am Karrierebeginn ist überhaupt nicht klar, was für spannende und vielfältige Optionen, welche großartigen Möglichkeiten zur fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung es in der Logistik gibt. Ein Weg zu ihnen kann auch sein, sich für Bachelor- oder Masterarbeiten im Unternehmen zu öffnen.

Kleinere Firmen werden all das nicht allein und sofort stemmen können. Hier hilft die Vernetzung. Viele Unternehmen haben sich beispielsweise unter dem Namen „Die Wirtschaftsmacher“ zusammengetan und können über diese Plattform sowohl ihre eigene Marke platzieren als auch daran mitwirken, das Image der Logistik insgesamt zu verbessern. Vernetzung ist auch hilfreich, um von den Besten zu lernen. Auf Messen und Kongressen sollten sich Unternehmen zu den Best Practices der Personalgewinnung informieren und austauschen. Nicht umsonst heißt das Motto des diesjährigen Deutschen Logistik-Kongresses „Think Networks“.

Klar ist also: Wer mit seiner Kultur und seinen Angeboten an die Mitarbeitenden noch nicht in der heutigen Welt angekommen ist, muss dies schnell ändern, auch um die Existenz zu sichern. Und die, die dabei schon richtig gut sind, müssen lernen, dies besser zu kommunizieren. Das hilft letztlich allen. (cs) 

Gastautor Christoph Meyer ist Geschäftsführer bei der Bundesvereinigung Logistik (BVL)

Messe-Tipp

Was Logistiker tun können

Fachforum auf der transport logistic: „Talente, Karriere und Nachhaltigkeit – ist die Logistik attraktiv genug für die nächste Generation?“

  • 12. Mai 2023 von 10 bis 11 Uhr

  • Ort: Halle B2 / 329

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