Hapag-Lloyd investiert in die Zukunft des Lernens

Die Reederei will ihre Beschäftigten in Zeiten zunehmender Automatisierung individuell qualifizieren. Dafür investiert Hapag-Lloyd Millionen in eine firmeneigene Fortbildungsstätte.

Im Canada Haus am Ballindamm kauften Auswanderer einst ihre Tickets für die Überfahrt nach Nordamerika, später hatte die Reederei Canadian Pacific Ships ihren Deutschland-Sitz in dem Gebäude. Zu1etzt arbeiteten hier eine Marketingagentur und Ärzte mit Blick auf die Binnenalster. Künftig nutzt Hapag-Lloyd die Räumlichkeiten, um ihre Mitarbeitenden in einer eigens geschaffenen, firmeninternen Akademie fortzubilden. Die deutsche Containerreederei hat das Gebäude, das nur wenige Schritte vom Haupthaus entfernt ist, in diesem Jahr gekauft und baut es nun für die „Zukunft des Lernens“ um. Voraussichtlich ab Anfang/Mitte 2025 sollen dort zwischen 1.000 und 3.000 Beschäftigte pro Jahr in moderner Umgebung und nach aktuellsten Praktikten in Präsenz lernen können.

„Mit der Investition in die Akademie bekennt sich Hapag-Lloyd sehr deutlich zu unseren Kolleginnen und Kollegen“, sagt Preeti Bendele, die Dekanin der internen Fortbildungsstätte. Sie wurde zu Jahresbeginn eigens für deren Aufbau und Betrieb ins Unternehmen geholt. Zahlreiche Online-Lernangebote stehen den Hapag-Lloyd Mitarbeitenden bereits heute zur Verfügung. Bis die Akademie in frühestens einem Jahr auch in den Präsenz-Betrieb geht, strukturieren Bendele und ihr gut zwanzigköpfiges Team den globalen Lernund Entwicklungsbereich schon seit Monaten neu und erstellen übergeordnete Lehrpläne, die neue Mitarbeiter künftig ab ihrem ersten Arbeitstag bei Hapag-Lloyd begleiten. „Im Vergleich zu öffentlich zugänglichen Weiterbildungsprogrammen können wir maßgeschneiderte Inhalte mit konkretem Bezug zur Unternehmenswelt vermitteln“ erklärt Bendele zu den Beweggründen des Angebots.

Sie freut sich über ihre neue Aufgabe, denn sie sieht es als „ein Privileg, Menschen zu fördern und ihre Talente bestmöglich weiterzuentwickeln.“ Das stehe teilweise im Gegensatz zu ihrer vorherigen Rolle in der Unternehmensberatung, bei der es häufig darum ging, das beste Ergebnis für ein Unternehmen herauszuholen, nicht selten zum Nachteil der Beschäftigten.

Balance aus Wissen und Fähigkeiten

Ein neu geschaffener Lehrplan sieht künftig vier Stufen vor, in dem eine Mischung aus Soft- und Hardskills vermittelt werden. Zu Beginn werden die Grundlagen der Schifffahrtsbranche gelehrt und es geht um für das Unternehmen wichtige strategische Themen wie Cybersicherheit, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Einen Großteil dieser Kurse absolvieren die Mitarbeiter, wie schon heute, auch künftig online. Je nach Karrierestufe und Tätigkeitsbereich geht es in den höheren Lernstufen um individuellere Inhalte und die persönliche Entwicklung der Beschäftigten. Für diese Seminare sind dann die Räume in der neuen Akademie gedacht.

„Die Zukunft des Lernens ist sehr praktisch und interaktiv. Teilnehmende müssen und dürfen keine Frontal-Unterhaltung erwarten“, kündigt Bendele an, die zuvor bei McKinsey unter anderem Strategien für die Schulung von Führungskräften erarbeitet hat. In Vorbereitung auf die Seminare müssten sich die Beschäftigten eigenverantwortlich vorbereiten und zum Beispiel grundlegendes Wissen aneignen. Die Kurse selbst seien dann geprägt von interaktiven Elementen wie Gruppenarbeiten, Rollenspielen und Diskussionen. In Zeiten von zunehmender Digitalisierung und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz werde die Kreativität der Beschäftigten und deren Problemlösungskompetenz immer wichtiger. Auf diesen Wandel wolle und müsse man die Mitarbeitenden vorbereiten, erklärt Bendele.

Den dynamischen Charakter der Seminare sollen auch die Räume im Canada Haus transportieren und werden für diese Anforderungen entsprechend umgestaltet. „Wir benötigen ein hohes Maß an Flexibilität“, sagt Bendele. „Für ein optimales Umfeld zum Lernen müssen wir die Räume immer an die Größe der Gruppe anpassen können. Und die kann zwischen weniger als 20 und mehr als 90 Personen variieren.“ Räume mit einseitig ausgerichteter Bestuhlung wie in deutschen Klassenzimmern werde es dabei nicht geben.

„Es ist ein Privileg, Menschen zu fördern und weiterzuentwickeln." Preeti Bendele,
Dekanin der Hapag-Lloyd Academy (Foto: Hapag Lloyd)

Für den Aufbau der Akademie haben sich Bendele und ihr Team von anderen Firmen inspirieren lassen, die bereits eigene Fortbildungsstätten betreiben, so zum Beispiel von der Sick AG, einem Hersteller von Sensoren für Automatisierungstechnik im Breisgau. Das Unternehmen hat aus der Akademie mittlerweile einen eigenen Geschäftsbereich gemacht, der Schulungen auch für Kunden des Unternehmens anbietet und nicht mehr nur den eigenen Mitarbeitenden vorbehalten ist. Ob auch Hapag-Lloyd seine Akademie eines Tages für externe Teilnehmende öffnen wird, ist noch nicht klar. Schließlich stehe das Projekt noch ganz am Anfang.

Was feststeht, ist, dass die Inhalte der Seminare die aktuellen Trends in der Branche widerspiegeln sollen. Daher analysiere das Team in regelmäßigen Gesprächen mit Experten aus dem Unternehmen, aber auch mit externen Fachleuten, welche Themen die Schifffahrt in Zukunft prägen werden, sodass die Schulungen proaktiv angepasst werden könnten. „Wir schauen uns zudem weltweit eine Vielzahl an modernen und transformativen Entwicklungen im Bereich Bildung an, die für uns interessant sein können“, sagt Bendele, die in Indien aufgewachsen ist und in den USA studiert und gelebt hat.

Millionen-Investment

Die in Hamburg entwickelten Lehrpläne und Konzepte für die Akademie werden dabei nicht nur den rund 2.000 Beschäftigen am Hauptsitz von Hapag-Lloyd vorbehalten sein. Da der viel größere Teil der Belegschaft weltweit über sechs Regionen verteilt ist oder auf See arbeitet – aber gleichzeitig nicht alle nach Hamburg Reisen können – werden die Inhalte zum Teil auf die Regionen übertragen. Dort wird es zwar absehbar keine eigenen Akademie-Gebäude geben, aber denkbar wären lokale Kooperationen zum Beispiel mit Universitäten, die geeignete Räume und Fachpersonal haben, um Kurse durchzuführen, erläutert Bendele.

„Wir sind sicher, dass sich die Akademie sowohl intern als auch extern positiv auf die Reputation von Hapag-Lloyd auswirken wird. Das Vorhaben untermauert unseren Anspruch, dass wir uns um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern und sie fördern“, sagt Bendele. Auch finanziell wird das Engagement deutlich. Die Akademie inklusive inhaltlicher Vorarbeiten ist dem Management Millionen wert. Für die strategische Entwicklung der Weiterbildungsprogramme und der Online-Angebote sind zwischen 8 und 10 Millionen Euro nötig, für den Umbau des siebengeschossigen Gebäudes mit circa 1.600 Quadratmetern kalkuliert Hapag-Lloyd mit einer ähnlichen Summe. Und der Kauf der Immobilie in einer der TopLagen Hamburgs ist dabei noch nicht mit eingerechnet.

Mit dem Kauf und der Nutzung des Canada Hauses schließt sich für Hapag-Lloyd übrigens ein Kreis, denn die Hamburger übernahmen die kanadische Reederei CP Ships – die die Räume einst nutzte – vor knapp 20 Jahren. Und schon viel früher kooperierte Hapag-Lloyd mit der Spedition, die in diesem Gebäude Tickets für Auswanderer verkaufte.

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