Logistikbetrieb mit Wau-Effekt

Der Fachkräftemangel in der Logistik ist nichts Neues. Eine Möglichkeit, neue Mitarbeitende zu gewinnen sowie Kolleginnen und Kollegen langfristig zu halten, kann die Erlaubnis vierpfötiger Teammitglieder sein. Hierbei ist allerdings einiges zu beachten.

Auf einen Schreibtisch dürfen Milow (weiß) und Singa nur für das Foto. Nach jedem Spaziergang und einer Runde entlang der Schreibtischschubladen der zweibeinigen Kolleginnen und Kollegen gehen sie brav auf ihre festen Plätze am Boden. (Foto: Jessca Voss/ICLS)

Morgens gegen zehn in Wentorf bei Hamburg: Jessica Voß kommt mit Milow und Singa vom Vormittagsspaziergang zurück ins Büro. Schon geht die erste Schreibtischschublade auf und die beiden Hunde holen sich ein Leckerli ab. Sie wissen genau, bei wem es etwas für sie gibt – eigentlich bei allen. Inklusive Streicheleinheiten und ein paar netten Worten.

Der Mops-Havaneser und die indonesische Straßenhündin sorgen nicht nur bei Claudia Penz, Tina und Jessica Voß für Bewegung, sondern auch für eine kleine Pause an den Arbeitsplätzen der anderen Mitarbeitenden der International Container Logistics & Service GmbH (ICLS). Menschen und Hunde freuen sich mittlerweile auf dieses tägliche Ritual. Es werden kurz ein paar private Worte gewechselt, die Gedanken wandern vom nächsten Auftrag oder von der Dispoliste weg, die Zuneigung der Hunde tut gut. Bei ICLS bleibt kaum jemand mal im Homeoffice. Das liegt nach Aussage aller am Arbeitsklima im Büro und damit auch an den Hunden.

Dass Hunde eine positive Wirkung auf die Stimmung am Arbeitsplatz, aber auch auf das Wohlbefinden jedes einzelnen Mitarbeitenden haben können, ist mittlerweile wissenschaftlich belegt. Zumindest führt der Bundesverband Bürohund (BVBH) diverse Studien zum Thema an.

BVBH erkennt Vorteile für alle Seiten

Als Vorteile für Mitarbeitende listet der Verein unter anderem Aspekte der physischen und psychischen Gesundheit auf:

■ Das Streicheln und Ansehen eines Hunds führt zur Ausschüttung des Hormons Oxytocin. Es senkt den Insulin- und den Cortisolspiegel und damit den Stress- pegel und fördert die Produktion des Glückshormons Dopamin, so dass das Wohlbefinden steigt.

■ Stupst ein Hund einen Mitarbeitenden an, unterbricht dieser seine Arbeit und damit psychische Automatismen, die Menschen möglicherweise krank machen. Motivation und Kreativität können gestärkt werden.

■ Ein Bürohund sorgt für Kommunikation im Unternehmen, wirkt sich damit positiv auf die Gemeinschaft und die Beziehungen zwischen den Mitarbeitenden aus und kann so die Mobbinggefahr senken.

■ Ein Bürohund sorgt bei denen, die ihn ausführen, für Bewegung.

 

Unternehmer können laut BVBH davon profitieren, dass

■ weniger Erkrankungen der Mitarbeitenden dazu führen, dass Mehrarbeit für die gesunden Kolleginnen und Kollegen gering gehalten und damit ihre Belastung reduziert sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhöht wird

■ die Zulassung von Hunden im Büro ihre Arbeitgebermarke stärkt

■ sich das Betriebsklima und damit die Loyalität der Mitarbeitenden gegenüber dem Arbeitgeber verbessert

■ Bürohunde für Aufmerksamkeit in den sozialen Medien des Unternehmens und der Mitarbeitenden sorgen, so die Bekanntheit des Arbeitgebers erhöhen und das Recruiting vereinfachen.

Laut BVBH kann sich auch für den Hund das Leben als Teamkollege auszahlen: Der Verband führt etwa mehr Bewegung und weniger Angstzustände als Vorteile für die körperliche und psychische Gesundheit des Bürohunds an.

Heimtierhaltung in Deutschland

Im Jahr 2022 gab es in 46 Prozent aller Haushalte in Deutschland mindestens ein Heimtier, insgesamt 34,4 Millionen Tiere (ohne Zierfische und Terrarienbewohner). Neben diversen Vögeln waren dies 15,2 Millionen Katzen, 10,6 Millionen Hunde und 4,9 Millionen Kleinsäuger. Das hat eine Erhebung des Marktforschungsinstituts Skopos für den Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) und den Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) ergeben. In 21 Prozent aller Haushalte in Deutschland wohnte mindestens ein Hund. Im Jahr 2019 verteilten sich 34 Millionen Heimtiere – ohne Zierfische und Terrarienbewohner – auf 45 Prozent der Haushalte. Vor der Pandemie gehörten dazu 10,1 Millionen Hunde in 20 Prozent der Haushalte in Deutschland.

Doch bevor ein Vierbeiner mit ins Büro darf, sind wichtige Fragen zu klären: Welche Rechte und Pflichten haben das Unternehmen, die Hundebesitzer und die anderen Kolleginnen und Kollegen im Büro? Wann muss der Hund angeleint werden, wer darf ihn anfassen und/oder füttern und welche Bereiche – etwa Kantine, Waschräume, Tagungsräume – darf er nicht betreten? Ist der Hund charakterlich und von seinem Wesen her als Teamkollege geeignet? Wie wird man Mitarbeitenden und Kunden mit Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden gerecht? Wie werden Sicherheit, Hygiene, Sauberkeit und störungsfreie Arbeitsabläufe gewährleistet? Und nicht zuletzt: Wie geht es dem Tier im Büro? Fühlt sich der Hund nicht wohl, kann es zu Überreaktionen kommen, die für alle Beteiligten negativ sind.

Grundsätzlich sind Hunde im Büro nicht erlaubt. Und der Arbeitgeber kann seine Genehmigung jederzeit widerrufen. Nach Angaben des Tüv Nord sind folgende Rahmenbedingungen auf jeden Fall zu erfüllen:

■ eine übergeordnete Betrachtung und Gefährdungsbeurteilung auch unter Berücksichtigung von Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Arbeitsstättenrichtlinie, Hygieneverordnung, Infektionsschutzgesetz, Tierschutz-Hundeverordnung, SGB VII zur gesetzlichen Unfallversicherung

■ eine übergeordnete Genehmigung zum Mitbringen von Hunden durch die Geschäftsleitung (eventuell auch durch den Immobilienbetreiber)

■ das Einverständnis aller Kolleginnen und Kollegen

■ vorab vereinbarte Regeln

■ Nachweise der Hundebesitzer (Hundehaftpflichtversicherung, Impfbescheinigungen, Hundeführerschein, eventuell ein Wesenstest des Hundes)

■ an den betrieblichen Ablauf angepasste Erziehung des Hundes

■ artgerechter Platz für den Hund auch im Büro entsprechend der Tierschutz-Hundeverordnung und entsprechende Versorgung.

Bei ICLS in Wentorf gibt es klare Regeln sowie feste Plätze für die Hunde. Alle sieben Mitarbeitenden sind mit deren Anwesenheit im Büro einverstanden. Jessica Voss (34), Geschäftsführerin bei ICLS und verantwortlich für Sales and Customer Services, ist überzeugt, dass Hunde im Büro – abgesehen von wenigen Ausnahmefällen – einen großen Mehrwert für alle Beteiligten bieten. Sie brächten viel Spaß und Persönlichkeit in den Arbeitsalltag. Durch die Interaktion mit dem gesamten Team werde ein familiäres Klima geschaffen, das die Mitarbeiterbindung enorm stärke.

ICLS bewegt seit 2001 Container europaweit per Lkw, Bahn und Barge intermodal von und zu diversen Häfen und Bahn-Hubs auf Basis eines umfassenden Netzwerks. Mit eigenen Multi-Container-Chassis inklusive Genset lassen sich auch Reefer-Transporte auf GDP-Standard realisieren. Das Familienunternehmen in zweiter Generation kümmert sich um alle speditionellen Belange inklusive Verzollung, Lagerung und mehr. (fh)

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