Logistiker rechnen mit langer Flaute

Führungskräfte aus der Supply-Chain-Branche rechnen nicht vor 2022 mit einer Erholung der Weltwirtschaft. Allerdings gehen sie davon aus, dass sich Asien, Nordamerika und Europa in diesem Jahr von dem durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Abschwung erholen werden. So lautet die zentrale Aussage des aktuellen Agility Emerging Markets Logistics Index 2021.

Die Logistik in den verschiedenen afrikanischen Ländern hat Fortschritte gemacht. (Foto: Istock)

Die internationalen Logistikmärkte werden vermutlich auch 2021 unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden. Davon geht rund gut die Hälfte der 1.200 Logistik-Führungskräfte aus, die von der britischen Marktforschungsgesellschaft Transport Intelligence (TI) weltweit befragt wurden. Die Ergebnisse der Befragung hat TI im Auftrag des kuwaitischen Logistikkonzerns Agility in dessen aktuellem Emerging Markets Logistics Index ausgewertet. Dieser Index erfasst einmal jährlich die Branchenstimmung und dient als Maßstab für die logistische Wettbewerbsfähigkeit der 50 führenden Schwellenländer. Dabei geht es um deren internationale und inländische Logistikstärken und Standortfaktoren, die für Logistikanbieter, Spediteure, Reedereien, Luftfrachtunternehmen und Distributoren zählen.

Wie im vergangenen Jahr belegt China in dem Index den ersten Platz, gefolgt von Indien. Einen großen Sprung machte Vietnam: Das südostasiatische Land verbesserte sich um drei Plätze und rückte damit auf Platz acht in den Top Ten auf. Von den afrikanischen Ländern entwickelte sich Nigeria am besten: Das Land aus der Subsahara-Region rückte im Ranking um fünf Plätze auf die 30. Stelle vor.

2020: Das Jahr der defekten Logistikketten

Die Logistikbranche registrierte im vergangenen Jahr Störungen in der gesamten Lieferkette. Die Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie mit der Überlastung von Häfen (19,6  Prozent), Transportkapazitäten (18,4  Prozent), der Versorgung mit Teilen und Betriebsmitteln (16,9 Prozent), dem Vertrieb und der Lieferung (16,1 Prozent), der Aufrechterhaltung des internationalen Betriebs (15,1 Prozent) und der Lagerung (13,8 Prozent) zu kämpfen haben. In den Betrieben bereiteten die Unwägbarkeiten bei der Planung und Vorhersage von Angebot und Nachfrage die meisten Sorgen. Trotz ihrer Vorsicht plant mehr als die Hälfte der Führungskräfte in der Industrie hingegen, die Geschäftsaktivitäten in den Schwellenländern zu erhöhen. Nur 19,5 Prozent gaben an, dass sie weniger Vertrauen in die Entwicklung der Schwellenländer haben.

Selbst wenn sie erwägen, die Abhängigkeit von China zu verringern, planen nur wenige Unternehmen, Arbeitsplätze in der Fertigung nach Hause zu holen. Nur 7,8 Prozent der Führungskräfte aus der Industrie sagen, dass sie die Produktion aus China in ihre Heimatländer verlagern würden. Vietnam (19,6  Prozent), Indien (17,4  Prozent) und Indonesien (12,4  Prozent) sind laut den Befragten die führende Wahl für eine Verlagerung, gefolgt von Thailand (10,3  Prozent) und Malaysia (9,6  Prozent).

Während die Entwicklung der Gesamtkosten oft als Grund für die Verlagerung der Produktionslieferketten genannt wird, spielt das Angebot an günstigen Arbeitskräften laut der Umfrage heute kaum eine Rolle, wenn es um Investitionen in den Schwellenländern geht. Lediglich  2,2  Prozent der Führungskräfte aus der Industrie geben an, dass dies wichtig sei. Als wichtigste Faktoren nennen die Führungskräfte die staatliche Bürokratie und Regulierung (25,8 Prozent), die Qualität der Infrastruktur (14,1 Prozent) und das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften (8,0 Prozent). Bei der Prüfung neuer Produktionsstandorte geben die Unternehmen an, dass ihre größten Bedenken unzureichende Infrastruktur (14,5  Prozent) und zusätzliche Kosten (13,5  Prozent) sind.

Von den befragten Führungskräften gaben zwar 19,1  Prozent an, dass die Umsätze im Jahr 2020 aufgrund der Pandemie zurückgegangen sind. Allerdings haben die durch Covid-19 bedingten Sicherheitsmaßnahmen für die Mitarbeiter nur bei 9,4  Prozent der Unternehmen die Effizienz der Prozesse beeinträchtigt.

Ein interessanter Aspekt ist, dass die Nachhaltigkeitsbewegung an Schwung gewonnen hat. Mehr als ein Viertel (26,9 Prozent) der Umfrageteilnehmer gab an, dass ihre Unternehmen nach der Pandemie die Implementierung von umweltverträglichen Praktiken verstärken werden. Weitere 45,2  Prozent sagten, dass ihre Pläne unverändert sind, was darauf hindeutet, dass sie nicht die Absicht haben, von ihren Nachhaltigkeitsverpflichtungen abzuweichen.

Das Ranking im Überblick

Die wettbewerbsfähigsten Schwellenländer sind die Produktionsstandorte in Asien und die unternehmensfreundlichen Volkswirtschaften in der Golfregion. Aus Asien schafften es China (1), Indien (2), Indonesien (3), Malaysia (5) und Vietnam (8) unter die Top 10. Die Golfstaaten Vereinigte Arabische Emirate (4), Saudi-Arabien (6) und Katar (9) rangieren ebenfalls unter den Top 10. Mexiko kam auf Platz 7, die Türkei lag auf Platz 10.

In Lateinamerika ist Mexiko das stärkste Schwellenland. Argentinien (36) und Venezuela (50) werden weiterhin von einer chronischen wirtschaftlichen Dysfunktion geplagt. Bemerkenswert ist jedoch, dass acht Länder in Lateinamerika ihre wirtschaftlichen Fundamentaldaten verbessern konnten: Uruguay, Mexiko, Peru, Kolumbien, Ecuador, Brasilien, Paraguay und Bolivien. Das beste Geschäftsklima der Region findet sich in Chile, das in dieser Kategorie Platz 5 von 50 Ländern belegt.

Nigeria verbesserte seine Wettbewerbsfähigkeit mehr als jedes andere Land im Index 2021, indem es um fünf Plätze auf Platz 30 kletterte - der höchste Aufstieg für einen Markt in Subsahara-Afrika in den 12 Jahren des Index. Nigeria verbesserte seine relative Position in allen drei Bereichen des Index: Geschäftsklima, internationale Logistik und inländische Logistik.

Die Länder, die ihre Stärken in der Inlandslogistik am meisten verbessern konnten, waren Malaysia, Nigeria, Vietnam, Iran, Uruguay, Myanmar und Kambodscha. Die größten Fortschritte in der internationalen Logistik erzielten Marokko, die Ukraine, Kenia, Myanmar und Paraguay.

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