Personalmangel in der Logistik: Was Unternehmen machen können

So wie die meisten anderen deutschen Wirtschaftszweige kämpft auch die Logistik mit dem Fachkräftemangel. Ein Dilemma: Der Bedarf in der Branche ist groß.

Eine Lücke tut sich auf: Die Gründe, warum ein chronischer Fachkräftemangel in der Logistik vorherrscht, sind vielfältig: Der demografische Wandel ist einer. (Illustration: Mushakesa/iStock)

Laut einer Erhebung des Münchner Ifo Instituts im zweiten Quartal 2023 vermeldeten 48,3 Prozent der befragten Verkehrs- und Logistikunternehmen Probleme bei der Personalgewinnung. Das hat mehrere Gründe. Aufgrund des demografischen Wandels gibt es bereits weniger potenzielle Arbeitskräfte. Gleichzeitig ist der Bedarf an Arbeitskräften in der Logistik in den vergangenen Jahren kontinuierlich größer geworden.

Ein Grund für den höheren Bedarf an Fachkräften ist die Zunahme des Online-Handels. Der E-Commerce-Umsatz ist allein im B2C-Bereich in Deutschland von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 1999 auf 84,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 gestiegen. Mit dem Anstieg des Umsatzes hat die Menge der Waren, die an die Kunden ausgeliefert wird, ebenfalls angezogen, auch wenn der Distanzhandel zuletzt auf hohem Niveau schwächelte.

Der Personal- beziehungsweise Fachkräftemangel ist dabei in der Logistik mitunter so groß, dass er sogar Expansionspläne behindert. Nicht wenige Unternehmen würden gerne ihre Geschäfte ausweiten, aber ihnen fehlt dafür schlichtweg das Personal. Das gilt – wenn auch in Abstufungen – für fast alle Bereiche in der Logistik wie IT, Fahrer, Disposition und Lager. Und das trifft deutschlandweit zu, sowohl in den Ballungszentren als auch in den peripherer gelegenen Standorten, in denen sich viele Zentral- oder Regionallager befinden.

Dienstleister stellen Kapazität bereit

Welche Optionen haben aktuell also Händler, produzierendes Gewerbe und andere Industrien? In zahlreichen Fällen kann die Kooperation mit Logistikdienstleistern eine sinnvolle Variante darstellen, welche Kapazitäten und entsprechendes Personal in den von ihnen bewirtschafteten Lagerhallen bereitstellen. In Regionen mit großem Arbeitskräftemangel ist die gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Flächen häufig die einzige Möglichkeit zu expandieren.

Denn einerseits sind vor allem namhafte Logistikdienstleister sehr erfahren in der Personalgewinnung und können in der Regel auch während des Fachkräftemangels regelmäßig neue Mitarbeiter anwerben. Zweitens sorgen die Umbrüche in den Supply Chains sowie auch die relative Schwächephase in der deutschen Wirtschaft dafür, dass nicht alle bestehenden Logistikhallen der Dienstleister zu einhundert Prozent ausgelastet sind. Dementsprechend können Händler oder Produzenten, die aktuell kein passendes Personal finden, aber dennoch einen Wachstumskurs einschlagen wollen, ihre Logistik teilweise oder ganz outsourcen.

Kooperationen nutzen

Je weiter diese Kooperationen zwischen Logistikdienstleistern und Nutzern greifen, desto effizienter kann das verfügbare Personal eingesetzt werden. Wenn beispielsweise mehrere Verlader Kapazitäten in ein- und derselben Halle anmieten, kann der Dienstleister je nach konkretem Bedarf weniger oder mehr Mitarbeiter auf einen Kunden ansetzen.

Dies wird auch dadurch erleichtert, dass sich die Kommissionier- und Ladevorgänge bei zahlreichen Unternehmen häufig nur leicht voneinander unterscheiden. Sind dennoch bestimmte Prozesse nötig, kann das Personal diese durch entsprechende Schulungen schnell adaptieren. Wenn für den Kunden A also einmal besonders viele Logistikprozesse anfallen, kann der Dienstleister seine Mitarbeiter hierauf konzentrieren. Wenn diese Aufträge bewältigt sind, können sich dieselben Teams wiederum verstärkt um Kunden B kümmern. Es kommt also nicht zu Leerläufen, die ein Unternehmen in einer selbst angemieteten Logistikhalle hat, sobald die Auftragslage einmal etwas ruhiger ist. Für Handel und Industrie ergibt sich dadurch aber auch noch ein anderer Vorteil. Denn die Logistik bildet für diese Unternehmen eher einen kleinen Teil der Gesamtwertschöpfungskette. Produzierendes Gewerbe, das auf Dienstleister und bewirtschaftete Logistikflächen zurückgreift, muss etwa nicht erst selbst (mühevoll) eine Personaldecke aufbauen oder sich beispielsweise mit Automatisierungsfragen in der Intralogistik beschäftigen, sondern kann sich voll und ganz auf das Kerngeschäft der Produktentwicklung konzentrieren. Oder auch Marketing- beziehungsweise Vertriebsstrukturen ausbauen, die eigene Innovation vorantreiben oder sich anderen Themen widmen.

Aber auch verglichen damit, eine Halle zu bauen und diese durch einen externen Dienstleister exklusiv bewirtschaften zu lassen, ergeben sich Vorteile – vor allem in Sachen Flexibilität. Denn während die klassischen Mietverträge oft mit langer Laufzeit abgeschlossen werden und der Nutzer sich entsprechend binden muss, können bewirtschaftete Lagerflächen in den Hallen Dritter für mehrere Monate oder wenige Jahre in Anspruch genommen werden. Ändert sich zwischenzeitlich der Bedarf oder auch die Standortstrategie, kann sich das Unternehmen anderweitig umsehen.

Fazit: Der Personalmangel in der Logistikbranche ist chronisch – und es gibt zumindest derzeit keine direkte Lösung, dies grundsätzlich zu ändern. Umso wichtiger ist es, dass das vorhandene Personal maximal effizient eingesetzt werden kann.

Zudem sollten Unternehmen, gerade in Regionen, wo freie Kapazitäten zur Verfügung stehen, besser zweimal überlegen, ob sie wirklich in eine eigene Mietfläche ziehen – was gerade angesichts des akuten Flächenmangels in Deutschland oft eine zusätzliche Herausforderung darstellt – oder ob sie nicht lieber auf die bestehenden Strukturen zurückgreifen. (tof)

Florian Loeßer ist Head of Logivisor bei der Logivest-Gruppe

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