Procurement-Startup Kreatize: „Fairer Preis für beide Seiten“

Start-up Kreatize bringt auf Beschaffungsplattform Hersteller und Zulieferer zusammen.

Die Gründer Simon Tüchelmann (links) und Daniel Garcia haben eine Schnittstelle für Produzenten und Lieferanten geschaffen, um so die Prozesse zu vereinfachen. (Foto: Kreatize)
Die Gründer Simon Tüchelmann (links) und Daniel Garcia haben eine Schnittstelle für Produzenten und Lieferanten geschaffen, um so die Prozesse zu vereinfachen. (Foto: Kreatize)

Simon Tüchelmann ist ein typischer Berliner Schwabe: Ein Standbein hat er im Herzen des Tüftler-Ländles in Tübingen im großväterlichen Fertigungsbetrieb, ein anderes als Geschäftsführer des Start-ups Kreatize in der quirligen Gründerhauptstadt Berlin. Sein Credo: Die DNA von Start-ups und Mittelstand passt eigentlich hervorragend zusammen, nur müssen beide Beteiligten das noch lernen.

Startup und Mittelstand passen gut zusammen

In die Procurement-Plattform Kreatize, die er 2015 gemeinsam mit Daniel Garcia, dem jetzigen technischen Leiter (CTO), gegründet hat, bringt Tüchelmann Erfahrungen aus beiden Welten ein. Bis Ende 2016 war er Geschäftsführer des großväterlichen Betriebs. Dort hat er gesehen, dass die Abläufe zwischen mittelständischen Zulieferern und Herstellern zu kompliziert sind.

So entstand die Idee von Kreatize, eine Schnittstelle zwischen Unternehmen zu schaffen. Auf der einen Seite sind Firmen, die Prototypen und Kleinserienteile auf Basis von CAD-Daten (Computer Aided Design) benötigen, und auf der anderen Seite die potenziellen Produzenten. Die Kunden sind Maschinenbauer aus dem Automobilumfeld oder deren Zulieferer. Sie können ihre CAD-Daten auf die Onlineplattform hochladen oder per E-Mail schicken. „Unser Matching-Algorithmus analysiert diese Daten und extrahiert bestimmte Features wie Wandstärke, Löcher, Volumen, Komplexität oder Material. Wir kalkulieren einen Preis und erstellen innerhalb von 30 bis 120 Minuten ein verbindliches Angebot“, erklärt Tüchelmann das Prinzip.

Datenbank ständig erweitert

Derzeit kann Kreatize, das nach dem Aufbau der Plattform im Juni 2017 den Betrieb aufgenommen hat, in seiner Datenbank auf mehr als 200 Lieferanten zurückgreifen. Täglich kommen neue Hersteller dazu. Die Kunden können auf diese Lieferanten zugreifen, ohne sie erst selbst zu auditieren, ins Lieferantenverzeichnis aufzunehmen und zu verwalten. „Der Hersteller hat einen Kontaktpunkt und kann alle Lieferanten nutzen“, betont Tüchelmann. Die Auditierung übernimmt Kreatize. „Wir stützen uns auf die gängigen Zertifikate und haben zusätzlich einen Onboarding-Plan, in dem wir Kriterien wie Bonität oder Zertifikate prüfen. Teilweise gibt es auch Besuche vor Ort, dazu kommen Bewertungen aus der Plattform für beide Seiten, sowohl von den Herstellern als auch von den Kunden“, beschreibt Tüchelmann das Verfahren.

Anonymität für Lieferanten

Das Unternehmen vermittelt dabei keine Kontakte, sondern übernimmt die Verantwortung für den kompletten Auftrag. Das beginnt mit der Preiskalkulation. Dabei greift die Datenbank auf historische Preise zurück und sucht dann „einen fairen Preis für beide Seiten“. Preisdumping sei nicht das Ziel, betont Tüchelmann, bislang seien die Lieferanten zufrieden.

Die Anonymität hat aus Sicht der Lieferanten Vorteile: Der Kunde weiß nicht, wo er bestellt, die Preiskalkulation der einzelnen Lieferanten wird nicht offengelegt. Sie können auch bestehende Kunden günstiger beliefern, wenn sie im Moment nicht ausgelastet sind, ohne sich generell die Preise kaputtzumachen.

Dabei ist es möglich, eine Lieferzuverlässigkeit über die Plattform zu erreichen ohne eigene Produktionsstätten zu haben. Der Grund dafür: Es gibt meist mehrere potenzielle Hersteller für ein Produkt. Außerdem geht es nicht um Serienproduktion und sehr hohe Stückzahlen, sondern um Kleinserien, Prototypen und Maschinenbauteile. Um Aufträge zuverlässig vergeben zu können, hat Kreatize auch Zugriff auf die Auslastung der Partner. Tüchelmann: „Die Lieferanten erhalten von uns einen digitalen Zugang, in dem sie ihre Maschinen und Materialien anlegen. Darüber sehen wir, wie die Auslastung ist.“ Die Plattform garantiert auch die Rückverfolgbarkeit, sollte es einmal Probleme geben.

Rückverfolgbarkeit garantiert

Derzeit laufen 10 bis 15 Transaktionen im Monat über die Plattform, die erst wenige Monate ­online ist. Der durchschnittliche Wert pro Transaktion liegt bei 5.000 bis 10.000 EUR.

Einen erstes großes Pilotprojekt hat Kreatize mit Porsche. Es soll die Beschaffung einfacher, schneller und sicherer machen. Dazu wurde ein Porsche-internes System aufgesetzt, das von Kreatize betrieben wird und mit den Matching-Algorithmen arbeitet. Sicherheit hat in diesem Projekt extrem hohe Priorität. Von den CAD-Daten wird ein „Finger­abdruck“ erzeugt. Erst wenn ein Unternehmen den Zuschlag erhalten hat, erhält es die kompletten Daten zur Produktion.

Die Nutzung der Procurement-Plattform soll Unternehmen agiler machen. „Ein Konstrukteur, der ein Bauteil konstruiert, hat schneller Informationen dazu, was dieses bei unterschiedlichen Herstellungsverfahren kostet und kann die CAD-Datei entsprechend optimieren“, nennt Tüchelmann einen Vorteil. Ein weiteres Plus sei, dass sich der Aufwand für die Zusammenarbeit mit neuen Lieferanten verringere. Dabei will Kreatize nicht Hauptauftraggeber sein, sondern dafür sorgen, dass die Lieferanten ihre Auslastung optimieren. Das Konzept kommt an: Außer Porsche verhandele man mit drei anderen Automobilherstellern und zehn Tier-1- oder Tier-2-Lieferanten, berichtet Tüchelmann.

Fachkräfte gesucht

Ein Wachstumshemmnis seien derzeit Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden. Auch da muss Tüchelmann noch zwischen zwei Welten vermitteln: Viele Studenten aus dem Maschinenbau seien Start-ups gegenüber sehr skeptisch eingestellt, so seine Erfahrung. Dieses Misstrauen versucht er durch Praxis zu überwinden: Er lässt die Mitarbeiter aus seinem Fertigungsbetrieb zeitweise bei Kreatize arbeiten, damit sie sehen wie ein Start-up funktioniert. Aber auch Leute von Kreatize gehen in die Fertigung und erfahren, wie diese Unternehmen ticken. Er hoffe, dass es dann auch bei mittelständischen Maschinenbauern mehr Marc Zuckerbergs gebe, sagt Tüchelmann. (ben)

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