Supply Chain Execution: Steuerung auf höherem Level
Jedes Unternehmen, das für die Verwaltung seiner Logistik eine passende Software sucht, muss die Frage nach den eigenen Anforderungen beantworten. Je nach Komplexität der Aufgaben empfehlen sich unterschiedliche Systeme. Neben der Erweiterung des vorhandenen ERP-Systems um ein Logistikmodul ist die Implementierung eines eigenständigen Lagerverwaltungssystems ein beliebter Weg, um die Leistungsfähigkeit der Logistik zu verbessern.
Doch angesichts des steigenden Drucks auf die Logistikbereiche der Unternehmen reicht eine separate Betrachtung der Prozesse innerhalb des Lagers nicht mehr aus. Ein dritter Ansatz gewinnt deshalb an Bedeutung: Die Einführung sogenannter Supply-Chain-Execution-Systeme (SES), also ganzheitliche Systeme, mit denen die gesamte Logistik gesteuert und optimiert werden kann.
ERP reicht bei einfachen Prozessen
Sind die Prozesse nicht besonders kompliziert, reicht es, das ERP-System um ein Logistikmodul zu ergänzen. Bei komplexeren Anforderungen sind Software-Lösungen von Logistikspezialisten häufig die bessere Wahl. Um den Komplexitätsgrad zu beurteilen, müssen Unternehmen ermitteln, welchen Stellenwert die Verfügbarkeit von Artikeln und die Liefertreue besitzen. Auch Kundenerwartungen spielen eine wichtige Rolle, denn die Lagerführung ist eng daran geknüpft. Häufig ist es erforderlich, Ein- und Auslagerstrategien oder Kommissionierverfahren zu verändern.
Höhere Anforderungen an die Logistik treten vor allem in Distributionsunternehmen auf. Die Komplexität steigt mit der Höhe des Warendurchsatzes und der Vielfalt von Artikeln. Unternehmen müssen dennoch flexibel auf die Anforderungen der Kunden reagieren und erkennen, dass ihre Logistik viel mehr als nur ein Anhängsel im ERP-Kosmos ist. ERP-Systeme sind zwar der Standard, wenn es um die funktionsübergreifende Unterstützung und Organisation sämtlicher Geschäftsprozesse von Unternehmen geht. Über eine gemeinsame Datenbasis verbinden sie Materialwirtschaft, Produktion, Vertrieb, Forschung und Entwicklung, Anlagenwirtschaft, Personalwesen oder Finanz- und Rechnungswesen.
Grenzen der ERP-Logistikmodule
Um die Logistik in die ERP-Welt zu integrieren, sind jedoch Zusatzmodule erforderlich, die schnell an ihre Grenzen stoßen. Diese werden in die bestehende Logistik- und IT-Landschaft eingebunden und müssen ihre Daten über Schnittstellen mit den bereits integrierten Systemen austauschen – ein oft kostspieliges und unsicheres Unterfangen, wenn die logistischen Anforderungen nicht von vornherein exakt definiert sind.
Übergreifende Logistiksteuerung
Bei komplexeren Anforderungen reicht die Erweiterung des ERP-Systems nicht aus. Selbst herkömmliche Lagerverwaltungssysteme stoßen bei immer kürzeren Lieferzeiten mit Just-in-time-Lieferungen häufig an ihre Grenzen. Um die Logistik zu optimieren, müssen Unternehmen über die Grenzen des Lagers hinausblicken – es gilt, die Produktion und den Transport der Waren effizienter zu steuern. Hier kommt das Supply-Chain-Execution-System (SES) ins Spiel, das erheblich mehr Faktoren berücksichtigt, als nur die eigentliche Lieferkette: Es geht nicht mehr nur um die Verwaltung des Lagers, auch der Transport der Waren zum Lager und zum Endkunden werden mit solchen Lösungen überwacht und gesteuert.
Supply-Chain-Execution-Systeme sind so angelegt, dass Prozessänderungen nicht programmiert, sondern von Anwendern selbst parametrisiert werden müssen. Unternehmen können nach der Einführung in den meisten Fällen langfristig ohne Änderungen arbeiten und Abläufe ganz nach ihren eigenen Anforderungen einrichten. Das gilt auch für die Anbindung weiterer Standorte – SES wachsen mit.
In ihrem Aufbau unterscheiden sich SES maßgeblich von ERP-Systemen. Letztere arbeiten aufgrund ihrer Kernaufgabe stets belegflussorientiert, während in der Logistik die Erfassung von Bewegungsdaten entscheidend ist. Die SES erfassen die physikalischen Prozesse und dokumentieren die Bewegung der Waren.
Im Umkehrschluss heißt das: Supply-Chain-Execution-Systeme sind die neuen ERP-Systeme für die Logistik. Von der Bestellung über die Produktion und die Distribution der Waren bis zu ihrer Auslieferung – alle relevanten Daten entlang der gesamten Lieferkette sind transparent in einem einzigen System verfügbar und miteinander vernetzt.
Das System passt sich dem Nutzer an
Auf dieser Basis werden alle Prozesse der gesamten Auftragsabwicklung optimiert. Davon betroffen sind beispielsweise Mitarbeiter, Lager- und Fördertechnik, der Transport der Waren, die Beschaffung und die Produktion sowie das Bestellmanagement. Alle Beteiligten haben jederzeit die relevanten Prozesse im Blick. Zudem konfigurieren die Nutzer in einem Supply-Chain-Execution-System ihr System selbständig. Dabei kann die Benutzeroberfläche des Systems im Idealfall auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Anwenders angepasst werden. Dieser sieht so auf einen Blick die für seine Arbeitsschritte maßgeblichen Informationen.
Die hohe Ergonomie in der Benutzerführung ist eines der wichtigsten Elemente von SES. Zugleich spielt es eine wichtige Rolle, dass die Software mit Hilfe von Templates deutlich schneller und einfacher implementiert werden kann. So übernehmen die IT-Spezialisten des jeweiligen Providers ganze Abläufe von ähnlichen Projekten und müssen nur noch für individuellen Feinschliff sorgen. Anders als bei der ERP-Erweiterung können Anbieter von SES-Lösungen auch neue Anforderungen zügig in der Software berücksichtigen.
SES als Datensammler
Heute sind SES auch via Apps jederzeit und an jedem Ort verfügbar. Spezielle Funktionen beispielsweise für LKW-Fahrer sorgen dafür, dass diese ständig die aktuellsten Informationen aus dem Lagersystem auf ihr Smartphone erhalten. Ein weiterer entscheidender Unterschied zum ERP-System: SES fungieren als Datenkollektoren. Alle Daten, die im Lager produziert werden, werden gesammelt, analysiert und ausgewertet. Somit lassen sich Optimierungspotenziale leicht erkennen und umsetzen. Zudem bieten ganzheitlich aufgebaute SES die Möglichkeit, Software und Hardware einfacher miteinander zu vernetzen. Die Software ist von vorne herein so ausgelegt, dass Lager-IT und Lager-Hardware flexibel und schnell zusammengeführt werden können.
Künftig wird es also nicht mehr genügen, die Logistik als bloßes Anhängsel des bestehenden ERP-Systems zu betrachten. Es reicht nicht mehr aus, nur die Prozesse innerhalb des Lagers zu optimieren – eine ganzheitliche Sicht der Dinge ist gefragt. SES-Lösungen vernetzen die Logistik über die Grenzen des Lagers hinaus und punkten mit einer prozessorientierten Benutzeroberfläche und Schnittstellen zu allen ERP-Systemen.
ERP: Ein Enterprise-Resource-Planning-System unterstützt alle in einem Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse. Es enthält Module für die Bereiche Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Anlagenwirtschaft, Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen – und auch Logistik. Alle diese Elemente sind über eine gemeinsame Datenbasis miteinander verbunden.
SES: Der Begriff Supply Chain Execution fasst alle Funktionalitäten zusammen, die eine unternehmensübergreifende Steuerung und Kontrolle der Logistikkette ermöglichen. Der Hauptunterschied zwischen einem Supply Chain Execution System (SES) und einem prozessorientierten ERP-System ist, dass ein SES flexibler und schneller auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren kann. Dies betrifft alle logistischen Aufgaben vom Order Fulfilment über das Procurement und Warehousing bis hin zum Transport.
Quelle: eigene Recherche