Wie Logistiker Fachkräfte über Social Media rekrutieren

Wer heute zeitgemäß Fachkräfte ansprechen und finden möchte, der muss sich etwas einfallen lassen. Die sozialen Medien bieten dafür eine große Bühne, die bereits von diversen Branchenteilnehmern erfolgreich genutzt wird. KLU-Professorin Prisca Brosi gibt Tipps und verrät Tricks für eine erfolgreiche Kampagne.

Grafik: DVZ

Stellen Sie sich vor, dass Sie die Nachfrage in Ihrem Geschäft nicht bedienen können, weil Ihnen das notwendige Personal fehlt. Bei vielen Verantwortlichen in der Logistikbranche dürfte dafür nicht sonderlich viel Phantasie notwendig sein, denn sie kennen dieses Problem nur zu gut. Die Auswirkungen sind dramatisch.

Nicht nur, dass somit kaum Wachstum möglich ist, auch die Abhängigkeit vom vorhandenen Personal wird immer größer, und die Investitionen in Recruiting-Maßnahmen steigen immens. Dementsprechend sind die meisten Marktteilnehmer extrem bemüht, diese Umstände zu ändern. Das Vorgehen diesbezüglich hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Auch weil die Möglichkeiten heutzutage vielfältiger sind, als Arbeitgeber für Fachkräfte sichtbarer zu werden.

Print allein reicht nicht mehr

Eine Option, die immer häufiger genutzt wird, ist, Anzeigen für freie Stellen in sozialen Netzwerken wie Facebook zu schalten. Im Fokus dieser Bemühungen stehen oft Lkw-Fahrer, die besonders händeringend gesucht werden. Aber auch Lageristen, Spediteure oder Disponenten stehen auf der Wunschliste vieler Akteure.

Dass man mit traditionellen Maßnahmen allein nicht mehr weit kommt auf dem umkämpften Fachkräftemarkt, weiß auch Stefan Ulrich, CEO der Simon Hegele Unternehmensgruppe: „Eine Printanzeige und 100 geeignete Bewerber? Das war einmal! Für Arbeitnehmer ist ein Job immer auch ein soziales Umfeld, in dem sie sich gut aufgehoben fühlen sollen. Deshalb setzen wir – neben klassischen Recruiting-Maßnahmen – verstärkt darauf, Kandidaten in ihrer sozialen Lebenswelt mit empathischen statt sachlichen Inhalten anzusprechen.“

 

Und damit macht das Logistikunternehmen schon eine Menge richtig, wie Prisca Brosi, Professorin für Human Resource Management an der Kühne Logistics Universität (KLU), bestätigt. Dabei gelte es, einen einfachen Grundsatz zu befolgen: „Wenn ich jemanden erreichen möchte, muss ich mich danach richten, was derjenige wo liest und wie ich dort am besten seine Aufmerksamkeit erreiche.“ Das sei generationsbedingt immer mehr in den sozialen Netzwerken der Fall. Deshalb begann auch Meyer Logistik mit Hauptsitz im hessischen Friedrichsdorf vor rund sieben Jahren, sich peu à peu von Printanzeigen zu verabschieden und verstärkt auf soziale Medien zu setzen.

Der psychologische Vertrag

Es reiche jedoch bei weitem nicht aus, wenn man versucht, Personalbedarf kurzfristig über eine Anzeige in den sozialen Netzwerken zu schalten – zumindest nicht, wenn man erfolgreich damit sein will, sagt Professorin Brosi. Zunächst bedarf es einer Kernanalyse des eigenen Unternehmens, der Anforderungen der zu besetzenden Stelle sowie der Erwartungen an einen künftigen Mitarbeiter. Darüber hinaus sollten die Recruiting-Maßnahmen einer ganzheitlichen Strategie folgen, die intern wie extern gelebt werden muss, wie Brosi betont: „Extrem wichtig ist der psychologische Vertrag, den ich mit Bewerbern schließe. Denn durch die Gestaltung und Ansprache einer Anzeige gebe ich dem Interessierten eine Idee davon, wie sein Job später aussehen könnte. Wenn man dem Unternehmen dann tatsächlich beitritt, möchte man natürlich auch das wiederfinden, was die Anzeige zuvor suggerierte.“

Wenn das nicht der Fall ist, habe der Unternehmer ein richtiges Problem, weil Mitarbeiter sehr schnell entmutigt und frustriert werden. Es sei deshalb zu kurz gedacht, wenn Recruiting-Maßnahmen als reines Marketing betrachtet und diese Prozesse an eine Agentur ausgelagert werden. Brosi: „Wenn die dort gemachten Versprechungen nicht eingehalten werden können, wird das nicht funktionieren. Ich muss immer überlegen, was für ein Unternehmen bin ich, welche Message kann ich tatsächlich senden und auch einhalten. Ein ganzheitlicher Ansatz ist dafür unerlässlich.“

Auch bei Meyer Logistik entschied man sich dazu, auf eine interne Lösung zu setzen: „2013 entschied die Geschäftsführung, eine HumanResources-Abteilung zu schaffen, die sich vom Recruiting über Onboarding bis hin zu Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen kümmern soll. Zwei Mitarbeiter sollten sich ausschließlich mit Recruiting in den sozialen Netzwerken, Google-Anzeigen sowie anderen Jobbörsen befassen und diese auswerten“, erklärt Armin Brähler, Leiter Human Resources bei Meyer Logistik.

Klasse statt Masse

Die Vorteile seien schnell augenscheinlich geworden, wie Sebastian Schiller, Leiter Marketing und Kommunikation bei Meyer Logistik, berichtet: „Kosten-Nutzen-technisch ist das eine ganz andere Hausnummer. Deutlich effektiver. Darüber hinaus haben wir eine ganz andere Flexibilität. Wenn wir beispielsweise eine freie Stelle an einem Standort besetzen müssen, kann ich unmittelbar eine Anzeige dazu schalten. Bei Printmedien geht das beispielsweise nicht.“ Außerdem seien die Möglichkeiten des Targetings erheblich besser, schwärmt Schiller: „Wir können eine Anzeige auf Facebook so zielgerichtet planen, dass sie nur an Menschen in einer bestimmten Region ausgespielt wird, die bereits als Berufskraftfahrer beschäftigt waren, ein bestimmtes Alter oder Geschlecht haben und sich für Logistik interessieren.“ Die Budgetierung für das Recruiting erfolge dynamisch und nicht mehr mit einem fixen Betrag. Mit Erfolg, wie Schiller verrät: „Heute investieren wir beispielsweise weniger als noch vor fünf Jahren, sind aber erfolgreicher.“

Facebook generiere mit Abstand am meisten Bewerbungen bei Meyer Logistik. „Es ist der Social-Media-Kanal, wo sich die meisten Lkw-Fahrer aufhalten, in Gruppen zusammenschließen und darüber kommunizieren“, sagt Schiller. Dabei setze der Logistikdienstleister auf Klasse statt Masse. „Uns ist es wichtig, dass die Emotionen und Werte rüberkommen und wir uns als Unternehmen authentisch darstellen können. Wir könnten durchaus noch mehr Bewerbungen pro investierten Euro erhalten, aber das ist nicht unser vornehmliches Ziel.“ Jede Anzeige werde kontinuierlich beobachtet und stetig angepasst. Es gebe nicht nur eine Zielgruppe, die von Stelle zu Stelle mal durchgemischt wird, sondern ausschließlich individuelles Targeting. Für kaufmännisches Personal würden hin und wieder auch mal Anzeigen auf Xing oder LinkedIn geschaltet. Instagram sei hingegen eher relevant, wenn es um Auszubildende geht, und TikTok werde aktuell noch gar nicht genutzt, aber schon im Auge behalten.

Erfolgreiche Feuertaufe

Zum ersten Mal überhaupt versuchte sich auch das Logistikunternehmen Oetjen Logistik aus Rotenburg/Wümme mit einer Recruiting-Kampagne auf Facebook. Im Gegensatz zu Meyer Logistik setzten die Niedersachsen für die ersten Schritte der Mitarbeiterakquise in den sozialen Medien aber auf eine externe Agentur, mit der das Unternehmen bereits seit Jahren zusammenarbeite, wie Patrick Böse, Geschäftsführer bei Oetjen Logistik, berichtet. Drei Monate lief die Kampagne. Mit dem Ergebnis ist Böse zufrieden: „Wir sind glücklich mit dem Echo, das wir auf unsere Kampagne erhalten haben. Zudem konnten wir durch die Auswertung der Daten viele neue Erkenntnisse gewinnen, die wir bei anschließenden Kampagnen berücksichtigen werden, um noch erfolgreicher zu sein.“

Screenshot: Facebook

Mit einem Budget von knapp 3.000 Euro generierte die Kampagne 17 Bewerber. Das bedeutet Kosten von 174 Euro pro Bewerber. „Das ist eine deutlich bessere Quote als bei vorangegangenen Printanzeigen“, sagt Böse. Der erfolgreichste Beitrag innerhalb der Facebook-Kampagne stellte das zu erwartende Gehalt ins Zentrum. Die Kosten je 1.000 erreichter Personen lagen hier bei 9,33 Euro. „Letztendlich konnten wir zwei neue Mitarbeiter dadurch gewinnen. Das bestärkt uns darin, den Weg weiter zu gehen“, sagte Böse. Auch künftig wolle Oetjen für vergleichbare Maßnahmen mit der Agentur zusammenarbeiten. Bei der nächsten Kampagne soll das Thema Video angegangen werden. Der Dienstleister verspricht 10 bis 30 Prozent mehr Reichweite bei Videobeiträgen. Böse ist überzeugt vom Nutzen: „Gerade da muss man investieren, wenn man junge Fachkräfte ansprechen will.“

Internes Wissen einbeziehen

Dass der Arbeitsmarkt gerade im gewerblichen Bereich zunehmend problematisch wird, ist auch bei der Stückgutkooperation 24plus schon lange kein Geheimnis mehr. Hier komme noch dazu, dass 24plus an einem Logistik-Hotspot in Deutschland sitzt, wo man mit namhaften Unternehmen um Fachkräfte konkurriert. „Da gilt es aufzufallen“, sagt Cornelia Nieves, Assistenz der Geschäftsleitung bei 24plus: „Wir haben uns daher entschieden, die Recruiting-Angelegenheit für neue Kollegen im Lager mit Humor anzupacken und dabei auf Bewegtbild zu setzen.“ Und so entstehe auch mal ein Video, in dem Gabeln gestapelt werden, wenn man einen Gabelstaplerfahrer sucht. „Bislang konnten wir damit zwar noch nicht unsere hohen Ziele im Recruiting über Facebook und Co. erreichen, dennoch bleiben wir weiter dran. Nur wer regelmäßig auffällt, hat eine Chance, als potenzieller Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.“

Für die Umsetzung solcher oder ähnlicher Stellenanzeigen arbeite 24plus mit einer Agentur zusammen. Dabei gehe es vor allem um die professionelle Gestaltung. Vollkommen legitim, sagt Brosi: „Es kann sicherlich hilfreich sein, sich Unterstützung bei der Beratung oder Umsetzung zu suchen. Oftmals wird aber unterschätzt, wie viel Wissen Unternehmen bereits in den eigenen Reihen haben.“ Manchmal müssten Verantwortliche einfach nur jüngere Mitarbeiter befragen. So können zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden; das Unternehmen erhält eine glaubhafte Message und authentische Informationen, und die Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt. Natürlich spielt nicht nur das Wo eine tragende Rolle beim erfolgreichen Recruiting über soziale Medien, sondern auch das Wie. Zum einen sei es wichtig, dass die Anzeige authentisch ist und kein Hochglanz-Stockfoto. Zum anderen sei es wichtig zu wissen, worauf die gesuchte Berufsgruppe neben der Bezahlung großen Wert legt, sagt KLU-Professorin Brosi: „Wir haben in einer Studie für Lkw-Fahrer beispielsweise festgestellt, dass Wertschätzung extrem wichtig ist. Wenn ich das weiß, kann ich meine Anzeige darauf ausrichten und mich so von der Konkurrenz abheben. Das kann insbesondere für mittelständische Unternehmen ein Vorteil sein, die mit einer familiären Atmosphäre und flachen Hierarchien sowie großem Teamwork aufwarten können. Menschen sind soziale Wesen, wollen gesehen werden und Teil von etwas Größerem sein – sich einfach zugehörig fühlen.“

Videos übermitteln Emotionen

Für die Übermittlung solcher emotionalen Botschaften würden sich Bewegtbildformate besonders gut eignen, sagt Brosi: „Mit einem Video kann man Emotionen einfach viel besser transportieren, als das mit einer Printanzeige möglich ist.“ Diesen Ansatz wählte auch Meyer Logistik, indem das Unternehmen für eine Stellenanzeige ein Video drehte, bei dem es einen seiner Lkw-Fahrer einen Berufstag lang begleitete und dabei zeigte, wie der Job tatsächlich aussieht. Nämlich ohne perfekt beladene Paletten oder frisch gebügelte weiße Hemden. Einfach aus dem Leben. „Das war mit Abstand unsere erfolgreichste Kampagne“, sagt Marketingchef Schiller und betont: „Hochglanz-Modell-Fotos gehen gar nicht und sind entlarvend für jeden echten Berufskraftfahrer.“ Er weiß das, weil er inzwischen gute Beziehungen zu den Fahrern aufgebaut habe und daher weiß, wo der Schuh drückt oder was sie glücklich macht. „Als externer Dienstleister in einer Agentur wäre das so nicht darstellbar. Wenn man es wirklich ernst meint, dann muss man Recruiting intern abbilden.“

Vor dem Hintergrund einer steigenden Automatisierung des Transportsektors könnte Lkw-Fahrer auch eine Perspektive locken, die durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen gewährlistet werden kann, meint Brosi. Dabei spielen die Aufmachung der Stellenanzeige sowie der Bewerbungsprozess eine nicht unerhebliche Rolle. „Einerseits kann es zwar positiv und innovativ wahrgenommen werden, wenn der Prozess digitalisiert und per Videochat stattfindet. Andererseits kann es aber auch als abschreckend empfunden werden, wenn sich die Bewerber mit dem Prozess technisch überfordert fühlen.“ Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass die technischen Anforderungen beim Bewerbungsprozess auf die gesuchten Kompetenzen abgestimmt sind und der Prozess nachvollziehbar kommuniziert wird.

Nachverfolgung ist essenziell

Wenn es um das Thema Reporting geht, werden eher wenige Daten in Unternehmen nachgehalten, sagt die Expertin. Dabei ist es essenziell zu wissen, wie sich Personen im Unternehmen entwickeln. „Das ist aufwendig, aber hinsichtlich der Erkenntnisse auch extrem hilfreich bei der Weiterentwicklung des Recruitings.“

Bei Meyer Logistik wird dieser Grundsatz beherzigt. Schon beim Aufbau der Human-Resources-Abteilung sei das Reporting mitgedacht worden, wie Personalchef Brähler berichtet: „Wir haben damals in ein Bewerbermanagementsystem investiert, um einen besseren Überblick zu erhalten und eine Nachverfolgung gewährleisten zu können. Wichtige Daten sind für uns zum Beispiel, wo die Bewerber auf uns aufmerksam wurden, wie lange haben sie auf unserer Seite verbracht, und wie hat sich der Bewerber entwickelt.“ Heute gehe für den Personalbedarf zwar die dreifache Menge an Bewerbungen ein. Davon werden jedoch nur 20 Prozent eingestellt. „Wir können nicht jeden Monat den Bedarf decken, den wir brauchen. Deshalb werden wir unser Recruiting über Social Media auch weiterhin optimieren und ausbauen.“

Dass sich dieses Rad wieder zurückdrehen wird, kann Brosi sich nicht vorstellen. Deshalb rät sie Unternehmen, die noch nicht in den sozialen Medien rekrutieren, eine Fehlerkultur beim Recruiting über Social Media zu etablieren und durch Ausprobieren dazuzulernen.

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