Zukunftskongress: KI wird unverzichtbar für die Logistik
Die Logistik der Zukunft kommt nicht mehr ohne künstliche Intelligenz (KI) aus. Darin waren sich die Referenten im Plenum des ersten Tages beim Zukunftskongress Logistik in Dortmund unter dem Titel „Logistics goes AI“ einig. Erstmals nach dem Ende der Corona-Pandemie fanden die traditionell vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) organisierten 41. Dortmunder Gespräche wieder vor Ort statt. Einhelliger Tenor der Vorträge am ersten Veranstaltungstag: Mit der aktuellen Kategorie von KI-Systemen, der sogenannten Generative AI, die komplexe Sprachmodelle beherrscht, hat eine neue Stufe der technischen Entwicklung begonnen, auf die sich auch die Unternehmen aus der Logistik nun rasch einstellen müssen.
„Die Zukunft der KI in der Logistik ist triangulär und führt Daten, Wissen und Kontext zusammen“, erklärte Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des IML, in seiner Keynote. Zwar müsse KI noch lernen wie ein Kind; es sei aber schon bald damit zu rechnen, dass sie als Partner des Menschen aktiv zu handeln beginne. Deshalb komme es darauf an, dass Unternehmen diese Entwicklung nicht vom Spielfeldrand aus betrachteten. „Wir müssen selbst mitspielen und die Tore erzielen“, rief ten Hompel den Teilnehmern im Dortmunder Kongresszentrum zu.
KI werde den Alltag und die gesamte Arbeitswelt grundlegend verändern; deshalb sei es unverzichtbar, dass auch Speditionen eigene Erfahrungen mit der Technologie machten. Als positives Beispiel lobte der geschäftsführende Institutsleiter des IML das Dachser-Projekt @ILO, bei dem der Dienstleister rund 600 Kameras unter der Hallendecke einer Umschlaganlage für Stückgutsendungen aufgehängt hat, die als Datenquelle für die Entwicklung eines digitalen Zwillings und die darin ablaufende Simulation dienen.
Investitionen in KI zahlen sich aus
Stefan Hohm, Chief Development Officer bei Dachser, berichtete, das Projekt erlaube den Verzicht auf Scannertechnologie und habe unter anderem die Zeit für die Packstücksuche bei der Verladung für den morgendlichen Nahverkehr drastisch reduziert. Jeder Mitarbeiter in der Halle habe ein Tablet erhalten und könne darüber die Position jeder einzelnen Sendung in Sekundenschnelle nachvollziehen. „Die Ergebnisse des Projekts sind so positiv, dass sich auch eine Investition in Millionenhöhe lohnt“, verriet Hohm.
Auch der bundeseigene Logistikkonzern DB Schenker nutzt bereits KI-Technologien im Tagesgeschäft, unter anderem für die Netzwerk- und Verkehrsplanung, Auslastungsprognosen, Laderaumoptimierung, Yard Management und die automatische Disposition. Schenker-Digitalvorständin Christa Koenen betonte, dass KI Lösungen für komplexe Probleme biete, bei denen Einzeloptimierungen nicht erfolgreich waren. „Wir können Herausforderungen schneller begegnen und datenbasiert bessere Entscheidungen treffen“, betonte sie. KI sei eine Denkweise, die sich Innovation öffne; sie mache das Unternehmen agiler, flexibler und resilienter.
Welches enorme Effizienzpotenzial in der Verbindung zwischen KI und der Blockchain-Technologie liegt, zeigten IML-Institutsleiter Prof. Michael Henke, Alexander Pawellek, Product Owner Supply Chain Finance und Innovation bei der Commerzbank, und Urs Michael Krämer, Geschäftsführer Vertrieb der T-Systems International. Sie demonstrierten, dass die Verknüpfung zwischen physischen und finanziellen Lieferketten neue Automatisierungspotenziale erschließe, die darüber hinaus Finanzierung und Nachhaltigkeit miteinander verbinde. Gleichzeitig würden Rechnungsinformationen derzeit noch nicht als Datenpool für KI-gestützte Analysen verwendet, die Risiken vermindern und die Prognosegenauigkeit verbessern könnten.
Schnellere Abfertigung durch digitale Prozesse
Auch im Transportbereich lassen sich durch den Einsatz von KI signifikante Verbesserungen in der Praxis erzielen. IML-Institutsleiter Prof. Uwe Clausen präsentierte in seinem Vortrag eine mobile Anwendung, die störanfällige Verlade- und Umschlagprozesse im Schienengüterverkehr durch automatische Prüfungen absichert. Darüber hinaus verdeutlichte er das Einsparpotenzial durch digital ausgestellte und überprüfte Begleitpapiere wie den elektronischen Frachtbrief (eCMR).
Angesichts eines immer stärker werdenden Arbeitskräftemangels bezeichnete Steffen Obermann, Leiter der unternehmenseigenen Innovationsschmiede Zufall Lab des mittelständischen Logistikdienstleisters Zufall Logistics Group, KI als schon bald unverzichtbar für die Logistik. Er vertrat die These, dass sich infolgedessen auch die Ausbildung verändern müsse, damit Mitarbeiter abseits ihres Spezialgebiets über das nötige Grundlagenwissen verfügten, um die digitalen Lösungen überwachen zu können.
Konkrete Lösungsansätze des Containerlogistikers Contargo stellte Digital- und Infrastrukturchef Gerd Schmidt vor. So liest das Unternehmen beispielsweise Kfz-Kennzeichen, Gefahrgutlabel und UN-Nummern von den Boxen automatisch ein und nutzt sie zur automatischen Prozesssteuerung. Darüber hinaus hat der Dienstleister eine Fernsteuerung für Containerkräne entwickelt, über die sich bereits die meisten der Funktionen vom Kranführer aus dem Büro bedienen lassen. Darüber hinaus sind bereits die Quell- und Zielfahrten der Container automatisiert.
Brücken zwischen Technologien bauen
Der erste Tag des Zukunftskongresses zeigte bereits die großen Potenziale durch die Anwendung von KI-Lösungen auf. Die Referenten betonten jedoch, dass sich deren schnelle Umsetzung zur großen Herausforderung entwickelt. „Alle müssen jetzt schnellstens Brücken bauen zwischen dem Status quo und automatischen Lösungen der Zukunft“, mahnte Obermann im Gespräch mit der DVZ. „Besonders schwer wird es für die kleinen Unternehmen, die sich den Vorgaben der Großen anpassen müssen“, fügte er hinzu.
Die große Aufgabe für alle Beteiligten an der Logistik fasste Prof. ten Hompel zusammen: „Es geht jetzt darum, unternehmerischen Mut aufzubringen und die Chancen der Technologie wahrzunehmen.“ Der Direktor des Lamarr-Instituts für maschinelles Lernen erklärte gegenüber der DVZ, dass er zwar die Sorge vor einer entgrenzten KI verstehen könne. Der interdisziplinäre Wissenschaftsdiskurs zeige aber, dass es in erster Linie auf einen verantwortungsbewussten Einsatz der Lösungen ankomme, damit diese sich nie gegen Menschen richten könnten.
Dafür könne es sich als Chance erweisen, dass sich die aktuelle Generation generativer KI durch ihre beeindruckenden Sprachfähigkeiten menschlicher präsentiere. Schließlich konnte sie sogar den Test des britischen Logikers Alan Turing bestehen, bei dem ein Gesprächspartner nicht mehr dazu in der Lage ist zu unterscheiden, ob er sich mit einem Menschen oder einer Maschine unterhält. Ten Hompel resümierte den Tag mit einem Zitat des Schriftstellers Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“