Logistikimmobilienmarkt NRW: Stabilität oder Stillstand
Wer auf die realisierten Projektentwicklungen des vergangenen Jahres in NRW schaut, sieht Erfreuliches: Trotz des inzwischen chronischen Flächenmangels ist ein Neubauvolumen in der Logistikregion Duisburg/Niederrhein von 535.000 Quadratmetern erzielt worden – rund 155.000 Quadratmeter mehr als noch im Jahr 2021. Zu dieser Bewertung kommen die Analysten der Logivest Gruppe. Und auch in den Regionen Östliches Ruhrgebiet sowie Kölner Bucht zeigten sich Zuwächse, heißt es weiter. Alle drei genannten Standorte erzielten im bundesweiten Ranking einen Top-5-Platz innerhalb der 23 untersuchten deutschen Logistikregionen, die auf der wissenschaftlichen Einteilung der Fraunhofer Arbeitsgruppe SCS (Supply Chain Services) beruhen. Einzig die Region Münster/Osnabrück habe deutliche Rückgänge im Neubauvolumen verkraften müssen, so Logivest.
Etwas ernüchternder indes wirken die Vermietungsergebnisse, die das Team Industrial & Logistics Germany von CBRE für das Bundesland verzeichnet: Der Flächenumsatz 2022 ging im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent auf 1,55 Millionen Quadratmeter zurück. Darüber hinaus entfielen lediglich 47 Prozent dieses Umsatzes auf Neubauimmobilien. Letzteres habe nicht nur an der Grundstücksverfügbarkeit, sondern auch an der abkühlenden Konjunktur gelegen. Rainer Koepke, CBRE-Teamleiter, stellt einen „gewissen Stillstand unter den Nutzern“ fest: „Angesichts des zunehmenden Flächenmangels kommt es zu immer weniger Umzügen. Somit werden weniger Bestandsflächen frei, die damit ihrerseits nicht von anderen Unternehmen bezogen werden können“, erklärt er.
Nachfrage lässt nicht nach
Thomas Schmidt, Managing Director bei Logivest NRW, kann keine nachlassende mieterseitige Nachfrage feststellen. Er sieht jedoch angebotsseitig das gleiche Problem wie Rainer Koepke. „Die Lage spitzt sich deutlich zu. Wir haben sowohl in den Ballungsgebieten als auch im Hinterland sehr wenige Flächen bei einer weiterhin hohen Nachfrage aus allen Branchen, auch aus dem Handel“, ordnet Schmidt ein.
Doch selbst wenn einmal ein Grundstück verfügbar sei, „ist es damit nicht getan“, so Schmidt weiter. Die Eigentümer der Grundstücke verlangten einen „recht hohen Kaufpreis, was in Verbindung mit der anhaltenden Zinswende, den gestiegenen Baukosten und den hohen Anforderungen der Kommunen in Verbindung mit einem nach wie vor ausbaufähigen Logistikimage für Kopfschmerzen bei Projektentwicklern sorgt“. Für das Jahr 2023 sei daher mit zurückgehenden Neubauvolumina zu rechnen. Beide Analysten gehen von stabilen bis steigenden Mietpreisen aus.
Brownfields in NRW
Für Rainer Koepke ergibt sich dennoch ein möglicher Lösungsweg für 2023 – auch wenn dieser mit bürokratischen und technischen Herausforderungen verbunden ist: „Immerhin stehen in Nordrhein-Westfalen noch einige größere Brownfield-Flächen zur Verfügung, während das Angebot an neuen Gewerbe- und Industriegebieten überschaubar und inzwischen immer mehr Produktions-, Hightech- und Büronutzungen vorbehalten ist.“ Thomas Schmidt schätzt den Brownfield-Anteil auf dem Gesamtmarkt aktuell auf etwa 85 Prozent, und gerade bei veralteten Produktionsstätten sieht er noch Redevelopment-Möglichkeiten.
Auf Brownfields spezialisiert ist auch der europaweit aktive Logistikimmobilienentwickler Segro, der inzwischen 15 Areale in Nordrhein-Westfalen managt, darunter Big-Box-Logistikimmobilien und gemischt genutzte Gewerbeparks. Zu den geplanten Brownfield-Projekten gehört auch die Revitalisierung des Geländes eines ehemaligen Steinkohlekraftwerks in der Nähe von Castrop-Rauxel. Auf dem 595.000 Quadratmeter umfassenden Areal soll künftig ein moderner Gewerbe- und Logistikpark entstehen, wobei sowohl Photovoltaikanlagen als auch eine Dachbegrünung vorgesehen sind, um den CO2-Fußabdruck zu schmälern. Das Projekt sei ein wichtiger Aspekt, um den Strukturwandel der Region voranzutreiben, so Julian Kux, Segro Associate Director Development Logistics.
Eines der wenigen Greenfield-Grundstücke konnte sich hingegen Beos Logistics sichern. In Wesel bei Duisburg entwicklet das Unternehmen eine 85.000 Quadratmeter umfassende Logistikhalle. Voraussichtliche Fertigstellung: diesen Sommer. Ein fossilfreier Betrieb der Anlage soll möglich sein. „Ausschlaggebend für die ökologische Fortschrittlichkeit einer Anlage dieser Größenordnung ist die effiziente Nutzung von nachhaltigen Potenzialen und deren intelligente Kombination, um einen klimaneutralen Betrieb zu ermöglichen“, sagt Alexander Schmid, Head of Development von Beos Logistics.
Fokus auf Logistikimmobilien
Das Jahr 2023 wird für Projektentwickler und Mieter gleichermaßen herausfordernd. Dennoch existieren auch positive Impulse. Die Analysten von CBRE betonen in ihrem Marktausblick für dieses Jahr, dass Logistik- und Produktionsimmobilien zu den bevorzugten Produkten auf dem Investmentmarkt gehören werden, da die Eigentümer langfristig von der hohen Nachfrage profitieren werden. Derweil gibt Thomas Schmidt von Logivest zu bedenken, dass die Preise für Logistikimmobilien volatil seien und die Talsohle noch nicht erreicht sei. Bei einer nachlassenden Zinsdynamik und einer belastbareren Preisbildung könne sich das jedoch schnell wieder ins Positive ändern, denn auch Schmidt sieht nach wie vor „großes Interesse seitens der Investoren“. (ab)