Mehr Mut wagen

Es gibt sie noch: Die Entwickler, die ohne Vorvermietungen bauen. Und sie haben verschiedene Möglichkeiten, ihre Objekte zukunftssicher zu gestalten.

Das spekulative Logistics Centre Hamburg Neu Wulmstorf wird die erste Logistikimmobilie in Norddeutschland sein, deren Tragwerk komplett aus Holz besteht. (Visualisierung: Segro)

In den 2010er Jahren erlebte die Immobilienbranche eine Phase intensiver spekulativer Bautätigkeit. Viele Entwickler warteten nicht auf Vorvermietungen, sondern starteten Projekte in der Annahme, dass die hohe Nachfrage eine reibungslose Vermietung während des Bauprozesses gewährleisten würde. Diese Vorgehensweise hatte für die Mieter den Vorteil, dass zwischen Anmietungsentscheidung und Inbetriebnahme nur wenig Zeit verging. Die Vermieter wiederum konnten dadurch einen wichtigen Geschwindigkeitsvorteil bieten.

Inzwischen hat sich die Situation jedoch geändert. Die Nachfrage ist nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren und viele Entwickler zögern, neue Projekte ohne Vorvermietung zu beginnen. Die gestiegenen Finanzierungskosten führen dazu, dass das Risiko spekulativer Entwicklungen oft als zu hoch eingeschätzt wird. CBRE zufolge fiel auch das Vermietungsergebnis im ersten Halbjahr 2024 mit 2,3 Millionen Quadratmetern eher verhalten aus.

Dennoch gibt es nach wie vor Entwickler, die spekulativ bauen. Zu bedenken ist, dass die Ausgangslage vor der Zinswende optimal war – auch durch den Corona-bedingten Nachfragepeak seitens des E-Commerce. Heute sind die Bedingungen komplexer und die Einschränkungen sehr viel spürbarer. Mit einem geeigneten Grundstück und einer flexiblen Immobilienstrategie ist die Ausgangslage jedoch keineswegs schlechter.

In den A-Lagen ist das Angebot an Mietflächen extrem knapp

In den begehrten A-Lagen besteht nach wie vor ein erheblicher Mangel an verfügbaren Flächen. Ein markantes Beispiel hierfür ist Hamburg. Auch hier wurde von CBRE das schwächste Vermietungsergebnis seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2011 verzeichnet. Allerdings liegt dies an der extremen Angebotsknappheit, nicht etwa an einem Nachfrageknick. Ähnliche Engpässe zeigen sich in zentralen Logistikregionen wie dem Rhein-Main-Gebiet, der Metropolregion Rhein-Ruhr und in Süddeutschland im Münchner Raum, wo kaum Flächen leer stehen.

Dieser Mangel an verfügbaren Immobilienflächen ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass seit 2022 deutlich weniger neue Projekte entwickelt werden. Die Projektpipeline ist entsprechend stark ausgedünnt, was die Marktsituation weiter verschärft. Trotz der moderaten Nachfrage bleibt der Wettbewerb um die wenigen verfügbaren Flächen in den A-Lagen hoch.

Kurzfristiger Bedarf, schnelle Lösungen

Einige Branchen weisen eine deutlich höhere Flächennachfrage auf als andere. Besonders hervorzuheben ist der E-Commerce, der im Moment eine ambivalente Flächennachfrage zeigt. Während die Global Player aktuell etwas vorsichtiger agieren, suchen vor allem Unternehmen mit einem speziellen Branchenfokus Flächen. Dazu gehören etwa B2B-Onlinehändler sowie Anbieter von Tierbedarf oder auch Online-Apotheken.

Ein weiteres Argument für spekulatives Bauen ergibt sich aus den zeitlichen Anforderungen der Kunden. Unternehmen, die auf der Suche nach geeigneten Flächen sind, planen in der Regel mit einem Vorlauf von sechs bis neun Monaten. In diesem kurzen Zeitraum ist es jedoch nicht möglich, ein neues Gebäude zu errichten. Um den Markt zeitnah und effizient bedienen zu können, ist daher spekulatives Bauen unerlässlich.

Um Risiken zu minimieren und zusätzliche Sicherheiten zu gewinnen, haben Projektentwickler verschiedene Möglichkeiten, ihre Objekte zukunftssicher zu gestalten. Eine Strategie ist die Entwicklung eines Projekts in Phasen. Dadurch können Bestandsmieter bei Bedarf ihre Flächen auf bereits bebauten Grundstücken erweitern.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist das Immobilienkonzept selbst. Projekte müssen jetzt hochwertig, flexibel und drittverwendungsfähig entwickelt werden. Auch die Ästhetik spielt eine Rolle. Dies ist zwar in der Entstehungsphase kostspielig, aber für langfristige Investoren wichtig. Wer Objekte langfristig im Bestand halten möchte, muss sicherstellen, dass sie auch in 30 Jahren noch attraktiv und funktional sind und den Anforderungen der Mieter entsprechen – ESG inklusive.

An den Topstandorten wird weiter spekulativ entwickelt

Mit der erwarteten Wiederbelebung der Immobilienmärkte werden Entwickler vermehrt auch wieder spekulativ bauen. Obwohl die Nutzernachfrage derzeit noch verhalten ist und Investoren sowie Entwickler vorsichtig agieren, zeichnet sich ein positiver Trend ab: Zur Jahresmitte 2024 hat die Investmenttätigkeit auf den Logistikimmobilienmärkten deutlich zugenommen. Laut BNP Paribas stieg das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr um 84 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Dieser Trend deutet darauf hin, dass die kommenden Jahre eine erhöhte Nachfrage und damit auch mehr spekulative Bauprojekte mit sich bringen werden. Und die Standorte werden dabei weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Während zentrale A-Standorte stark gefragt bleiben, könnten auch Objekte in abgelegenen Regionen zukünftig vor Herausforderungen stehen. (tof)

Julian Kux ist Director Logistics Germany bei Segro

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