Datenaustauschplattformen verknüpfen Umschlag-Communities
Nahezu jedes bedeutende internationale Logistik-Hub auf der Welt verfügt heute über ein eigenes Cargo-Community-System. Dabei hat sich das Prinzip bewährt: Es gibt nur eine Plattform pro Standort. Denn die Teilnehmer benötigen eine eindeutige Datenquelle in Echtzeit und diese muss aus Behördensicht nachvollziehbar und klar zuzuordnen sein.
Plattformen leben von der Vernetzung. Um eine Größenordnung zu nennen, zählen etablierte Cargo-Community-Systeme in der Regel weit über 1.000 Teilnehmer. Außerdem arbeiten sie mit ihren Pendants zusammen. Beispielsweise tauschen Hamburg, Rotterdam und Antwerpen ihre Daten zu Schiffsankünften und Schiffsabfahrten aus. Hinzu kommt die Anbindung an digitale Speditions- und Transportsoftwarelösungen. So sind an die Hamburger Hafenplattform mehr als 30 Softwaredienstleister für Transportmanagementsysteme (TMS) sowie rund 20 Lösungsanbieter für Truck-Software (Slotbuchung) angeschlossen.
Dabei geht es längst nicht mehr nur um den ladungsbezogenen Informationsaustausch zwischen den Beteiligten und Behörden, sondern es werden digitale Mehrwerte innerhalb der Lieferkette geschaffen. Mit Hilfe der kumulierten Statusinformationen aller Akteure – wie Terminals, Spediteure und Carrier – können physische Prozesse als digitale Zwillinge abgebildet und viele Prozessschritte automatisiert ausgelöst werden. Gerade im Bereich der Zollabwicklung bringen diese Möglichkeiten einen großen Zeit- und Qualitätsgewinn bei der Warenabfertigung an See- und Flughäfen.
Behörden fordern digitale Lösungen
Insbesondere neue Behördenanforderungen, die mittlerweile standardmäßig Digitalität voraussetzen, lassen sich nur mit der Einbindung von neutralen Plattformen effizient und in Echtzeit umsetzen. Dies zeigen zahlreiche aktuelle Projekte. Dazu gehören der einheitliche digitale Freistellungsprozess für Containerimporte in den deutschen Seehäfen oder das KI-gestützte Aufspüren von undeklariertem Gefahrgut bei der Wasserschutzpolizei in Hamburg. Cargo-Community-Systeme bilden in beiden Fällen das Bindeglied und dienen als Konzentratoren. Denn keiner der Beteiligten kann angesichts der zunehmenden Digitalisierung und hinzukommenden KI-Modellen die Kapazität vorhalten, solche unvorstellbaren Datenmengen zu verarbeiten und zu managen.
Die neuen Möglichkeiten der KI werden den Plattformen einen weiteren Schub verleihen. Denn Cargo-Community-Systeme sind darauf ausgelegt, große Mengen an strukturierten Vergangenheitsdaten vorzuhalten. Werden diese nun mit exogenen Daten wie Wetterinformationen, Verkehrsflüssen und Schiffspositionen korreliert, ergeben sich zukünftig allumfassende Lagebilder für die Supply Chains.
Mit Blick auf die Logistik-Hubs, in denen die Plattformen angesiedelt sind, liegt es nahe, künftig gezielt Infrastrukturdaten einzubinden. Denn Staus, zu wenige Parkplätze und Wartezeiten verzögern vielfach die Transportabwicklung. Innerhalb der kommenden fünf bis acht Jahre werden sich Logistik- und Infrastrukturwelt noch viel enger verzahnen. Der positive Effekt wird sichtbar werden, unter anderem durch eine planbare Parkplatzbelegung, automatisierte Schrankensysteme und Logistikprozesse, die auf Verkehrsprognosen abgestimmt sind.
Weitere Mehrwerte, welche sich mit Hilfe von Plattformen künftig erzielen lassen, liegen im Bereich der Finanztransaktionen. Das bietet sich an, weil Zahlungen in der Logistik an bestimmte Meilensteine wie Warenübergänge gebunden sind. Perspektivisch könnten Community-Systeme enger in diesen Zahlungsverkehr integriert werden, um ihn prozessual zu vereinfachen.
Im Hinterland wird es schwieriger
Relativ leicht haben es Plattformen, solange sie in ihrem Kosmos agieren – also im Wirtschaftsraum des Hafens oder Flughafens. Dort sind die Akteure durch gesetzliche oder behördliche Verpflichtungen, Technologie- und Schnittstellenstandards eng miteinander verbunden. Je weiter die Lieferkette in das Hinterland vordringt, desto schwieriger wird es. Der direkte Bezug zum Hub und etwaige Vertragsbeziehungen fehlen. Eine Verbindung zu den entfernt verzweigten Beteiligten bilden die TMS-Systeme, über die Speditionen an die Plattformen angebunden sind. Über diese erhalten die Logistiker Statusinformationen in ihr Inhouse-System, auf deren Basis sie umfassend planen, automatisiert Prozesse auslösen und auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können. Deutschland ist in diesem Bereich führend aufgestellt, mit unzähligen Statusinfos bis hin zu Slotbuchungen an Terminals, Flughafenrampen oder der Hamburger Containerprüfanlage.
Was aktuell fehlt, sind direkte Statusinformationen von den Rampen im Hinterland. Dabei könnte eine Kommunikation zwischen den Rampensteuerungssystemen der Hersteller und den Slotbuchungssystemen in den Häfen und Flughäfen den Transportfluss erheblich verbessern. Auch eine systematische Anbindung der Umschlagbahnhöfe auf dem Level eines institutionalisierten Datenaustauschs ist noch nicht vollständig entwickelt.
Eine ganzheitliche Lösung – insbesondere für Statusinformationen aus dem Hinterland – könnte langfristig das elektronische Frachtinformationssystem in Europa (eFTI) bringen. Mit diesem werden Kontrollbehörden aller EU-Mitgliedsstaaten voraussichtlich ab Januar 2027 verpflichtet, Transportinformationen von Unternehmen über ein Plattform- und Gateway-System digital grenzübergreifend zu akzeptieren und zu verarbeiten. Dessen natürliche Partner werden die Plattformbetreiber der heutigen Hubs sein. Wenn sich dieses System perspektivisch mit Leben gefüllt hat, liegen auf einen Schlag sämtliche Transportinformationen aus dem Hinterland elektronisch vor. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Teilnehmer dieser Netzwerke, die Statusinformationen aus den Vor- und Nachläufen sowie den Rampen auch für die Optimierung ihrer Lieferkette zu nutzen. (loe)