Bahn haftet nicht für plötzliche Tunnelsperrung

Für Schäden aus Lieferfristüberschreitungen zahlen Bahnen nicht immer. Und wenn doch, dann nur begrenzt und wenn der Schaden nachgewiesen wird. Was Sie dann unternehmen müssen, war Thema der DVZ-Telefonaktion..

Bei der jüngsten DVZ-Telefonaktion mit Kay Stolle, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht, Düsseldorf, standen Rechtsprobleme beim Bahntransport im Vordergrund. Insbesondere ging es um Haftungsfragen bei Lieferfristüberschreitungen sowie den Haftungsausschluss bei Transporten in offenen Wagen.

Wie und in welchem Umfang haftet ein Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Lieferfristüberschreitungen?

Wichtig ist, hier zwischen nationalen und internationalen Eisenbahntransporten zu unterscheiden. Bei nationalen Transporten haftet der Frachtführer zunächst vorbehaltlos für den Ersatz sämtlicher Schäden. Die Schadenhöhe ist jedoch grundsätzlich der Höhe nach auf das Dreifache der Fracht begrenzt (Paragraf 431 Absatz 3 Handelsgesetzbuch – HGB). Dies sieht natürlich anders aus, wenn die Lieferfristüberschreitung vom Eisenbahnverkehrsunternehmen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen worden ist.

Wie sieht die Haftung im internationalen Bahnverkehr bei Lieferfristüberschreitungen konkret aus?

Bei internationalen Eisenbahntransporten hat der Beförderer grundsätzlich den vollen Schaden zu ersetzen, der durch die Lieferfristüberschreitung entstanden ist (Artikel 33 Paragraf 1 Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern - CIM). Die Entschädigung ist auf das Vierfache der Fracht begrenzt (Artikel 33 Paragraf 1 CIM). Damit ist die Entschädigungsgrenze im internationalen Eisenbahnverkehr höher als im nationalen.

Haftet die Bahn bei Lieferfristüberschreitungen im internationalen Eisenbahnverkehr, die durch Mängel an Waggon oder Lokomotive verursacht worden sind?

Grundsätzlich ja, denn die Bahn haftet für die vertragsgemäße Termineinhaltung. Allerdings kann die Bahn ein unabwendbares Ereignis geltend machen. Das liegt vor, wenn die Lieferfristüberschreitung durch Umstände verursacht worden ist, die die Bahn nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte. Dann ist sie von der Haftung befreit (Artikel 23 Paragraf 2 CIM).

Ein unvermeidbarer und unabwendbarer Schaden bei einem Fahrzeugmangel liegt vor, wenn betriebsinterne Umstände, wie zum Beispiel Mängel am Transportfahrzeug (Konstruktionsfehler) zu einem Brand einer Lokomotive führen und es dadurch zu einer Lieferfristüberschreitung kommt. Dieser Umstand kann dann für den Beförderer haftungsbefreiend sein. Der Auftraggeber könnte dann versuchen, gegen den Verantwortlichen des Konstruktionsfehlers vorzugehen. Das dürfte aber kompliziert werden.

Wie haftet die Bahn bei Lieferfristüberschreitungen aufgrund von Tunnelsperrungen?

Unter Umständen kann eine unvorhersehbare Sperrung, beispielsweise eines Tunnels, trotz vorheriger Einholung von Informationen durch den Beförderer ein unabwendbares Ereignis sein. Dafür kann die Bahn nicht zur Verantwortung gezogen werden. Das gilt national wie international.

Wie ist die Haftung für Lieferfristüberschreitungen im nationalen Bahntransport?

Im nationalen Eisenbahntransport ist die Haftung für Lieferfristüberschreitungen bei unabwendbarem Ereignis in Paragraf 426 HGB geregelt. Auch hier haftet der nationale Eisenbahnfrachtführer nicht für die Überschreitung der Lieferfrist, wenn diese auf Umständen beruht, die der Eisenbahnfrachtführer auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn etwa der Zugführer plötzlich einen Herzinfarkt oder einen Ohnmachtsanfall erleidet.

Wie sieht die Haftung bei Lieferfristüberschreitung mit unabwendbarem Ereignis Bahn/LKW im Vergleich aus?

Für den internationalen Straßengüterverkehr enthält Artikel 17 Absatz III des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) eine schärfere Regelung als die CIM für die Bahn.  Artikel 17 Absatz 3 CMR sagt, dass der Frachtführer sich nicht auf einen Mangel des für die Beförderung verwendeten Fahrzeugs oder auf ein Verschulden des Vermieters des Fahrzeuges berufen kann. Der Frachtführer muss bei internationalen Transporten bis zur Höhe der Fracht haften (Artikel 23 Absatz 5 CMR), im nationalen Verkehr bis zum Dreifachen der Fracht (Paragraf 431 Absatz 3 HGB).

Wer trägt bei einem unabwendbaren Ereignis die Beweislast?

Wenn der Beförderer bei einem internationalen Eisenbahntransport den Einwand eines unvermeidbaren Ereignisses im Sinne von Artikel 23 Paragraf 2 CIM erhebt, muss er dies beweisen (Artikel 25 CIM).

Wird Schadenersatz pauschal fällig oder sind Nachweise erforderlich?

Der Geschädigte hat die Lieferfristüberschreitung, den Schaden sowie die Ursache des Schadens zu beweisen. Denn der Geschädigte muss den Schaden so gering wie möglich halten oder versuchen, ihn möglichst ganz zu vermeiden. Das muss im Zweifel auch belegbar sein.

Ändert sich die Haftung, wenn die Lokomotive angemietet wurde?

Auch wenn der Beförderer Fahrzeuge angemietet hat, ändert sich die Haftung nicht. Denn die Verpflichtung aus den Paragrafen 4 und 4a Absatz II Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG), den Betrieb sicher zu führen und das Eisenbahnfahrzeug und das Zubehör in betriebssicheren Zustand zu halten, trifft auch den Beförderer. Somit kann die Bahn bei Lieferverzögerungen international bis zum Vierfachen der Fracht und national bis zum Dreifachen der Fracht in Anspruch genommen werden. Der Schaden ist aber zu belegen. Das können auch Folgeschäden sein, wie Produktionsstillstand, zwischenzeitlich eingetretener Preisverfall oder Vorhalte- und Zusatzkosten für Wartezeiten und Überstunden.

Kann das EVU bei dem Fahrzeughalter im Haftungsfall Regress nehmen?

Ist das EVU nach der CIM in Anspruch genommen worden, so kann das EVU Regress beim Fahrzeughalter nehmen. Dies setzt jedoch voraus, dass den Fahrzeughalter ein Verschulden trifft. Das ist ihm nachzuweisen, zum Beispiel, wenn ein schadhafter Waggon zur Verfügung gestellt wird und dieser Wagen Schäden verursacht, wie zum Beispiel Lieferfristüberschreitung (Artikel 7 Einheitliche Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr - CUV).

Was versteht man unter „offenem Wagen“ im Eisenbahnverkehr?

Offene Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr sind solche, die nicht allseits geschlossen sind. Auch Wagen, die nur mit einer Plane bedeckt oder umhüllt sind, gelten als offene Wagen.

Im nationalen Bereich sieht dies anders aus. Dort sind mit Planen bedeckte Wagen als geschlossen anzusehen (Paragraf 427 Absatz I Nr. 1 HGB). Dies gilt auch für den internationalen Straßengüterverkehr (Artikel 17 Abs. 4 lit a CMR).

Solche offenen Waggons werden beispielsweise für den Transport von fabrikneuen Autos, Stahl und Maschinen benutzt.

Wann haftet die Bahn bei Beförderung im offenen Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr?

Im internationalen Eisenbahnverkehr unterscheidet man hinsichtlich der Haftung drei Fallgruppen im „Offenen-Wagen-Verkehr“: Wagenladungsverkehr, Kombinierter Verkehr und Transport mit Abdeckung durch den Auftraggeber. Je nach Fall kann die Haftung der Bahn ausgeschlossen sein.

Was bedeutet das konkret für den internationalen Wagenladungsverkehr bei Schäden?

Im allgemeinen internationalen Wagenladungsverkehr (außerhalb des kombinierten oder multimodalen Verkehrs) haftet das EVU wie folgt: Ist im Beförderungsvertrag und im Frachtbrief eine Beförderung im offenen Wagen vereinbart und vermerkt, so ist das EVU von der Haftung befreit, wenn Schäden auftreten, die wegen eines offenen Wagens entstanden sind. Dazu zählen zum Beispiel Schäden durch Witterungseinflüsse (wie Nässe, Hitze, Frost), Schäden durch äußere Einwirkungen mechanischer Art (wie Hagel, Steinschlag, Beschädigung durch Funkenflug oder Brandstiftung, Graffiti-Schmierereien oder Berührung der Oberleitung).

Eine Offene-Wagen-Gefahr ist jedoch nicht gegeben, wenn für das Gut keine Gefahrerhöhung gegenüber einem Transport in geschlossenen Wagen vorliegt. Beispiel: Dreht sich der unter einem Container befindliche, an dem Waggon festangebrachte Drehrahmen, ist das nicht auf den offenen Waggon zurückzuführen. Das kann auch bei einem geschlossenen Waggon vorkommen. Somit erhöht sich die typische Gefahr eines offenen Wagens nicht (Oberlandesgericht Celle vom 4. Februar 1999, Aktenzeichen 11U238/95). Dann kann die Bahn nicht den Haftungsausschluss des offenen Wagens in Anspruch nehmen.

Wie haftet die Bahn beim Diebstahl aus offenen Waggons im internationalen Verkehr?

Grundsätzlich haftet die Bahn bei Diebstahl aus offenen Waggons nicht, da dieser Transport in der Form mit dem Auftraggeber so vereinbart wurde. Das gilt, wenn zum Beispiel fabrikneue Fahrzeuge im offenen Spezialwagen befördert werden. Wenn dann ein einzelnes Fahrzeug entwendet wird, haftet die Bahn nicht.

Anders kann es jedoch sein, wenn mehrere Fahrzeuge, also in größerer Menge, gestohlen werden. Dann ist davon auszugehen, dass der Dieb größere organisatorische Anstrengungen unternommen hat und selbst geschlossene Waggons ihn nicht vom Diebstahl abgehalten hätten. Dann kann die Bahn die Offene-Wagen-Gefahr nicht mehr als Haftungsausschluss geltend machen (Art. 25 Abs. III CIM). Das EVU haftet dann nach den üblichen Entschädigungsbestimmungen mit 17 Sonderziehungsrechen (rund 20 EUR pro kg fehlende Bruttomasse) gemäß Artikel 30 Paragraf 2 CIM.

Wie haftet die Bahn beim Diebstahl von Containern/Wechselbrücken aus offenen Waggons im internationalen Verkehr?

Wird das Gut in intermodalen Transporteinheiten wie Containern, Wechselbrücken oder Sattelaufliegern oder in geschlossenen Straßenfahrzeugen, die auf offenen Eisenbahnwagen befördert werden, transportiert, so gilt die Haftungsbefreiung für die Bahn wegen der Offenen-Wagen-Gefahr nicht. Für den potenziellen Dieb ist nicht erkennbar, was in dem Behältnis transportiert wird. Deshalb haftet grundsätzlich der Beförderer für Verlust aus diesen Behältnissen.

Wenn die Transporteinheit defekt ist und beispielsweise Nässe oder andere Wettereinflüsse Schäden hervorrufen, kann die Bahn die Offene-Wagen-Gefahr einwenden und sich von der Haftung befreien.

Erleiden die intermodalen Transporteinheiten oder die Straßenfahrzeuge auf offenen Eisenbahnwagen selbst Schäden (wie zum Beispiel Graffiti-Schmierereien), so unterliegen sie der Offenen-Wagen-Gefahr. Die Bahn haftet nicht dafür.

Kann die Offene-Wagen-Gefahr von der Bahn geltend gemacht werden, wenn das Gut mit Decken im internationalen Verkehr abgedeckt ist?

Deckt der Absender das Gut mit Decken im offenen Wagen ab, so ist die Offene-Wagen-Gefahr hierdurch nicht ausgeschlossen. Zu beachten ist demnach, dass die Beförderung mit Decken im offenen Wagen mit der Beförderung im offenen Wagen ohne Decken rechtlich gleichgestellt ist. Die Bahn ist von der Haftung befreit.

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