Kühne + Nagel grüßt in der See- und Luftfracht von der Spitze
Wenn es eine See- und Luftfrachtspedition gibt, die derzeit den Weltmarkt dominiert, dann ist es Kühne + Nagel (KN). Das Schweizer Unternehmen erlöste im vergangenen Jahr mehr als 34 Milliarden US-Dollar mit dem weltweiten Transport von Waren per Schiff und Flugzeug; damit liegt es im Ranking der großen international operierenden Forwarder klar auf Rang eins. Mit deutlichem Abstand folgt dann der Wettbewerber DSV mit einem Jahreserlös in Höhe von mehr als 23 Milliarden Euro, gefolgt von DHL Global Forwarding (DHL GF). Der ehemals härteste Wettbewerber von KN um die Vorherrschaft in der See- und Luftfrachtspedition liegt laut einer Untersuchung des Marktforschers Transport Intelligence (TI) inzwischen mit deutlichem Abstand hinter dem Spitzenreiter. Grund hierfür ist, dass DHL, anders als KN und DSV, in den vergangenen Jahren auf dem M&A-Markt vergleichsweise zurückhaltend vorgegangen war.
So hatte etwa KN im Mai 2021 die Übernahme des chinesischen Logistikanbieters Apex International vollzogen, die zu diesem Zeitpunkt die 2020 nach Aufkommen die siebtgrößte Luftfrachtspedition der Welt gewesen war. DSV hatte kurz vorher die Logistiksparte Global Integrated Logistics (GIL) des Agility-Konzerns erworben. DHL GF übernahm 2022 die hochspezialisierte, nach Aufkommen aber vergleichsweise kleine Seefrachtspedition Hillebrand.
Die Dominanz von KN setzt sich auch in den Sub-Rankings für See- und Luftfracht fort. So liegt KN klar an der Spitze in beiden maßgeblichen Kategorien Frachterlöse und Ladungsmenge. So kam die Schweizer Spedition 2022 in der Luftfracht auf einen Umsatz in Höhe von 12,9 Milliarden Euro und lag damit deutlich vor DSV mit 12,1 sowie DHL Global Forwarding mit 10,4 Milliarden Euro. Der Abstand zur viertplatzierten Spedition, DB Schenker, die auf einen Wert von 7,7 Milliarden Euro kommt, ist schon recht deutlich.
Wieder unter Vor-Corona-Niveau
Insgesamt betrachtet ist der globale See- und Luftfrachtspeditionsmarkt 2022 unter Annahme konstanter Preise und Wechselkurse mit einem Wert von 348 Milliarden Euro gegenüber 2021 um rund 3,7 Prozent geschrumpft. Während laut TI der internationale Speditionsmarkt im Jahr 2021 den pandemiebedingten Einbruch bereits wieder überwunden hatte und den Rekordumsatz von 362 Milliarden Euro erzielte, fiel die Branche 2022 wieder hinter die weltweiten Erlöse des Vor-Corona-Jahres 2019 in Höhe von insgesamt 355 Milliarden Euro zurück.
Für das laufende Jahr erwarten die Experten einen Umsatzrückgang in der Branche um 3,9 Prozent auf dann noch 334 Milliarden Euro. Für die kommenden vier Jahre bis 2027 wird ein mittleres jährliches Wachstum von 1,6 Prozent prognostiziert. Selbst die sehr außergewöhnlichen Corona-Jahre einmal ausgeklammert, wächst die internationale Spedition damit deutlich langsamer als in der Vergangenheit. Zwischen 2015 und 2019 hatte der Branchenerlös im Schnitt um 3,1 Prozent per annum zugelegt.
Mit 4,7 Prozent (auf 126 Milliarden Euro) ist der erwartete Umsatzeinbruch in der Luftfracht in diesem Jahr deutlich ausgeprägter als in der Seefracht. Dort wird ein Rückgang um 3,5 Prozent auf 209 Milliarden Euro prognostiziert. In den folgenden Jahren werden sich die Wachstumsraten aber angleichen – mit jährlich 1,6 Prozent in der Seefracht und 1,7 Prozent in der Luftfracht.
Interessant ist, dass die Marktkonzentration laut den TI-Zahlen im vergangenen Jahr abgenommen hat. So kamen die Top 20 der Branche in der Seefracht beim Umsatz auf einen Anteil von mehr als 47 Prozent. Im Vorjahr hatte ihr Stück vom Kuchen noch über 53 Prozent betragen. Bezogen auf die Transportmenge gab es einen Rückgang um 2,3 Punkte auf 61,2 Prozent.
Noch stärker ist die Marktkonzentration in der Luftfracht. 58,9 Prozent des Branchenerlöses vereinten die 20 größten Anbieter 2022 auf sich (minus 2,6 Prozentpunkte). Gemessen an der Tonnage lag ihr Anteil sogar bei 74,9 Prozent – nach 77,7 Prozent im Vorjahr.
In der Top 20 der See- und Luftfrachtspeditionen sind im Wesentlichen die üblichen Verdächtigen vertreten. Selbst multinationale Konzerne mit klangvollen Namen, die im Rahmen ihrer Integrator-Strategien neben dem Transport von Gütern auch die Spedition zum Kernbestandteil ihres Geschäfts erklärt haben, haben es vergleichsweise schwer, in die obere Riege vorzustoßen und sich dort zu etablieren.
So hat es etwa Maersk im vergangenen Jahr nicht in die Gruppe der 20 größten See- und Luftfrachtspediteure geschafft – trotz diverser Zukäufe. Dies dürfte in erster Linie daran liegen, dass die Dänen die Seefracht nicht aktiv adressieren. In der Luftfracht indes kam Maersk gemessen am Umsatz mit 877 Millionen Euro zumindest auf Platz 19.
Optimistischer Blick nach vorn
Dass Speditionen perspektivisch in nennenswertem Umfang Marktanteile durch organisches Wachstum hinzugewinnen werden, erscheint zumindest angesichts der eher trüben Lage in der See- und Luftfrachtspedition eher fraglich. Dennoch zeigen sich Entscheider im Rahmen einer von TI durchgeführten Branchenumfrage durchaus optimistisch.
So erwartet etwa mit einem Wert von 36,7 Prozent mehr als jeder Dritte Befragte, dass das Ladungsaufkommen der Luftfracht in den kommenden zwölf Monaten gegenüber dem Vorjahr um bis zu 25 Prozent wachsen wird; 17,8 Prozent der Manager erwarten einen Zuwachs zwischen 25 und 50 Prozent und mehr als jeder fünfte Befragte rechnet sogar mit einem Zuwachs von 75 bis 100 Prozent.
Die Stimmung in der Seefracht ist trotz eines derzeit eher schwachen Ladungsaufkommens ebenfalls optimistisch. Gerade einmal etwas mehr als 2 Prozent der Befragten rechnen überhaupt mit einer weiteren Abnahme des Ladungsaufkommens; 36,4 Prozent erwarten einen Zuwachs um bis zu 25, rund jeder Fünfte glaubt an ein Wachstum um bis zu 50 Prozent und ein weiteres Fünftel der Befragten erwartet sogar, dass sich die Ladungsmengen im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln könnten.
Die von TI befragten Logistikmanager machen sich kaum Hoffnungen, dass konventionelle Speditionsunternehmen mittel- bis langfristig die aufstrebenden Wettbewerber wie etwa in die Logistik drängende Carrier oder Player wie Amazon fernhalten können. Mit einem Wert von 65,5 Prozent erwarten knapp zwei Drittel der Befragten, dass die klassischen Speditionen im Laufe der kommenden fünf Jahre Marktanteile an die neuen Wettbewerber verlieren werden.
Eine Bedrohung ganz anderer Art sehen die Speditionsmanager in den sich im Rahmen einer De-Globalisierung vollziehenden Änderung von Verkehrsströmen. Mehr als 70 Prozent der von TI befragten Manager erwarten, dass sich die zunehmend regionalisierenden Lieferketten negativ auf das Luftfrachtfrachtgeschäft auswirken werden.
Bezogen auf die Seefracht ist das Urteil nur unwesentlich besser: Knapp 65 Prozent der Befragten rechnen damit, dass sich die zunehmend zu beobachtenden Umstellungen schlecht auf die Erlösaussichten auswirken werden.