Autonomes Fahren: Goodbye, Driver?
Bereits im Mai 2021 haben Bundestag und Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, nach dem vollständig autonome Fahrzeuge gemäß Level 4 in Deutschland grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können. Der notwendige Rechtsrahmen stellt einen wichtigen Meilenstein in den Bemühungen um die Entwicklung und den Einsatz autonomer Lkw dar. Fahrerlose Fahrzeuge in der Transportbranche sind also keine Zukunftsmusik mehr – dennoch wird es noch ein paar Jahre dauern, bis autonome Lkw flächendeckend zum Einsatz kommen.
Einer der Hauptknackpunkte ist, dass die neue Technologie in der Breite akzeptiert wird. Bis dahin wird die Kategorie der hochautomatisierten Fahrtechnologie, also der Level 2+, für Nutzfahrzeuge dazu beitragen, den Güterverkehr sicherer, effizienter und für die Fahrer komfortabler zu gestalten. Insgesamt werden fünf Trends maßgeblich die weitere Entwicklung beeinflussen.
1. Der Aufstieg von infrastrukturunabhängigen Konzepten und Technologien
Die Forschung und Entwicklung im Bereich des fahrerlosen Lkw-Verkehrs gestaltet sich vielseitig. Eine große Rolle spielt dabei die fortschrittliche Vehicle-to-Everything-Kommunikation (V2X), bei der Fahrzeuge und Infrastruktur in Echtzeit miteinander kommunizieren. Ein ebenso wichtiges Thema ist die Bereitstellung separater Fahrspuren für autonome Fahrzeuge. Diese, von der Infrastruktur abhängigen Ansätze, erfordern jedoch enorme technologische und vor allem physische Investitionen. Abgesehen von einer flächendeckenden 5G-Infrastruktur, müssen auch die Verkehrswege entsprechend angepasst werden.
Vielversprechender und schneller umzusetzen sind daher von der Infrastruktur unabhängige Lösungen. Bei diesem Ansatz des hochautomatisierten Fahrens wird weiterhin eine Person zur Überwachung des autonomen Fahrsystems in der Kabine benötigt. Allerdings verbessert sich damit der Komfort für den Fahrer, die – kostenrelevante – Effizienz der Transporte nimmt zu und die Sicherheit steigt.
Diese technischen Lösungen sind bereits heute kommerziell verfügbar und werden als Teil des normalen Fertigungs- und Montageprozesses in Lkw eingebaut. Ein großer Vorteil der hochautomatisierten Fahrtechnologien besteht zudem darin, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt auf einen vollständig fahrerlosen Betrieb umgestellt werden können. So erhalten Flottenbetreiber eine nahtlose Lösung aus einer Hand, auch wenn sich die Technik weiterentwickelt.
2. Güterverkehr treibt Automatisierung voran
Es gibt viele Gründe, warum der Güterverkehr und insbesondere der Lkw-Fernverkehr bei der Entwicklung autonomer Fahrtechnologien eine Vorreiterrolle einnimmt. So sind Lastzüge im Fernverkehr in erster Linie auf Autobahnen unterwegs. Diese Fahrumgebung ist weit weniger komplex als der Stadtverkehr. Dies kommt autonomen Fahrsystemen entgegen, da sich diese Szenarien weit weniger aufwendig berechnen lassen. Zum anderen ist die Transport- und Logistikbranche unter Druck, wo immer möglich Kosten- und Effizienzvorteile zu erzielen. Hier können hochautomatisierte Lösungen helfen, indem sie die Fahrer entlasten und deren Sicherheit erhöhen sowie aufgrund von weniger Unfällen auch die Haftungskosten reduzieren. Die KI-Fahrunterstützung kann zudem den Kraftstoffverbrauch senken, was zu einer weiteren Senkung der Kosten und der CO₂-Emissionen führt.
3. Automatisierung mildert Unterbrechungen der Lieferketten
Aufgrund steigender Kraftstoffpreise, akuten Fahrermangels, geopolitischer Umwälzungen und Klimaregulierungen sind Erstausrüster und Flottenbetreiber einem enormen Druck ausgesetzt, geeignete zukunftsfeste Lösungen zu finden und zu implementieren. Logistikunternehmen sind daher zunehmend auf der Suche nach hochautomatisierten Lösungen, die ihnen dabei helfen, sich gegen immer häufigere und schwerere Krisen zu rüsten. Hochautomatisierte Fahrzeuge können hier unterstützen und so Unterbrechungen der Lieferkette vermeiden.
4. Win-win-Situation für OEMs, Flotten- und Technologiepartnerschaften
Logistikunternehmen und Technologielieferanten gehen vermehrt Partnerschaften ein, die Innovationen beschleunigen und gleichzeitig wertvolle Vorteile für OEMs, Flottenbetreiber und Fahrer mit sich bringen. Durch die Zusammenarbeit mit Anbietern für hochautomatisiertes Fahren erhalten die OEMs Zugang zu neuen technischen Lösungen, die ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dies treibt die Entwicklung im Markt voran, wovon in der Folge auch die Logistikunternehmen profitieren.
Die Technologielieferanten profitieren ebenfalls durch die engere Zusammenarbeit. Denn sie erhalten wertvolle, reale Fahrdaten, die anschließend zur Optimierung und Verfeinerung der Lösungen genutzt werden können. Eine Win-win-Situation also für alle Beteiligten.
5. Entlastung der Arbeitskräfte durch hochautomatisierte Lösungen
Anders als häufig befürchtet, wird das hochautomatisierte Fahren den Berufsstand des Fahrers nicht bedrohen, sondern erweitern, verändern und vor allem erleichtern. Auch mit fortschreitender Automatisierung werden immer Menschen gebraucht, welche die Technik überwachen und notfalls das Steuer übernehmen. Die künstliche Intelligenz (KI) kann aber die Fahrt über lange Strecken angenehmer machen und den Fahrer entlasten. Dadurch wird das Berufsbild wieder attraktiver, und Logistikunternehmen können leichter neue Mitarbeiter gewinnen. Zudem entstehen neue Berufe wie Sicherheitsfahrer oder Fahrzeugbetriebsspezialisten, die die Entwicklung, Einführung und Wartung hochautomatisierter Fahrzeuge auf der Straße unterstützen. (ben)