Blaupause für autonome Hubs
Die Logistikwirtschaft steht unter Druck: Auf der einen Seite ist der Bedarf an Transport- und Lagerdienstleistungen trotz aller Unsicherheiten hoch. Auf der anderen Seite fehlen den Unternehmen Fachkräfte wie gut ausgebildete Lkw-Fahrer oder auch Lagerpersonal. Am Dienstag haben Logistikwissenschaftler der Uni St. Gallen, der TU Dresden und der TH Würzburg-Schweinfurt eine Studie vorgelegt, die den Lkw-Fahrermangel in Deutschland quantifiziert. Das Ergebnis: 2021 fehlten 36.000 Fahrer.
Der erste sinnvolle Schritt
Vor diesem Hintergrund haben sich die Experten Eike Gernant und Benjamin Vieth von der Stuttgarter Unternehmensberatung Porsche Consulting gemeinsam mit Benedikt Roßmann vom Praxispartner Ansorge Logistik darangemacht zu ermitteln, welche Vorteile autonome Logistikstrukturen für die Branche mit sich bringen könnten. In ihrer gemeinsamen Studie „The Autonomous Logistics Hub of the Future“ definieren sie weitgehend automatisch betriebene Hubs als ersten sinnvollen Schritt hin zur vollautonomen Logistikkette.
Die Begründung klingt einleuchtend: So gelten den Autoren zufolge für privatwirtschaftlich betriebene Anlagen weniger strenge Vorschriften für den Einsatz autonomer Fahrzeuge und Techniken als im öffentlichen Raum. Zudem lassen sich die sich wiederholenden Prozesse wie zum Beispiel die Vorholung von Trailern von den Ladebuchten zu einem Trailer Yard und zu den Ladebuchten vergleichsweise einfach automatisieren. In der komplexen Umgebung auf Straßen und Autobahnen sowie in Innenstädten ist die Aufgabe ungleich schwieriger – obwohl das US-amerikanische Lkw-Start-up TuSimple bereits den Einsatz autonomer Lkw auf öffentlichen Straßen nach eigenen Angaben erfolgreich testet.
Die Betriebskosten sinken
Hinzu kommt der ökonomische Aspekt. Die Autoren haben die Kosten pro Operation in einem konventionellen Hub (Durchsatz: 500 Lkw pro Tag) in Höhe von 150 Euro mit denen in einer weitgehend automatisch betriebenen, ansonsten jedoch identischen Anlage verglichen. Die auf realen Zahlen beruhenden Berechnungen haben ergeben, dass autonom betriebene Hubs auf der Kostenseite signifikante Vorteile bringen: So sollen die operativen Kosten im Idealfall um vier Fünftel niedriger liegen als in einem normalen Hub üblich.
Durch die Einsparung menschlicher Arbeitskraft und effizientere Prozesse bei der Bereitstellung automatisch vorgeladener Auflieger auf dem Trailer Yard sowie bei der Ein- und Ausfahrtkontrolle sinken die Kosten bereits um rund 66 Prozent. Weitere 7 Prozent lassen sich jeweils durch das automatische Auf- und Absatteln der Auflieger sowie den Einsatz autonomer Rangierfahrzeuge einsparen. Für die einzelnen Operationen im autonomen Hub fallen also etwa 30 Euro an.
Große Anlagen rechnen sich schneller
Auf Basis dieser Handling-Kosten haben die Autoren der Studie drei Referenzfälle für die Berechnung des Return on Invest entworfen. Bis sich zum Beispiel die Umstellung eines kleinen Depots rechnet, in dem während einer Schicht rund 20 Trailer von einem autonomen Rangierfahrzeug bewegt werden, dauert es vergleichsweise lang. Den Umbaukosten von rund 2 Millionen Euro stehen tägliche Einsparungen von etwa 2.400 Euro gegenüber. Das Investment ist also erst nach etwa 45 Monaten refinanziert.
Anders sieht die Berechnung bei mittelgroßen Anlagen aus, für deren Umrüstung rund 5 Millionen Euro zu veranschlagen sind. Werden täglich in zwei Schichten 100 Auflieger von vier autonomen Rangierfahrzeugen abgefertigt, ergibt sich eine tägliche Einsparung von 12.000 Euro im Vergleich zu einer Standardanlage. Bei einer Fünf-Tage-Betriebswoche ergibt sich hier der Return on Invest nach etwas weniger als zwei Jahren. Bei einer Sechs-Tage-Betriebswoche rechnet sich die Investition nach 16 Monaten.
Der Idealfall
Als Referenz haben die Autoren eine große Logistikanlage mit 500 Operationen im Drei-Schicht-Betrieb angenommen, wobei zehn autonome Rangierfahrzeuge zum Einsatz kommen. Im Vergleich zu dem kleinen und dem mittleren Depot haben sich die Investitionskosten mit 10 Millionen Euro verfünffacht beziehungsweise verdoppelt. Allerdings liegen hier die täglichen Einsparungen mit rund 60.000 Euro um den Faktor 25 über denen des kleinen Depots und um den Faktor 5 über denen des mittleren Depots. Damit rechnet sich der Umstieg bereits nach etwa acht Monaten – vorausgesetzt alles läuft planmäßig.
Die Software-Anpassung
Um autonome Fahrzeuge in einer bereits bestehenden Anlage einsetzen zu können, sind mehrere Umbauten erforderlich. So muss einerseits eine Zentrale für Teleoperationen eingerichtet werden, über die die Bewegungen der Fahrzeuge koordiniert und überwacht werden können. Darüber hinaus muss die Software-Architektur entsprechend angepasst werden. Dabei geht es vor allem darum, das bestehende Transport beziehungsweise Warehouse Management System um Module für die Steuerung der Ladeinfrastruktur und das Flottenmanagement per Teleoperationen zu erweitern.